Neue Abhängigkeiten : Chinas Vormarsch in der Windenergie: Droht der Ausverkauf einer Schlüsselindustrie?

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Nach Schätzungen des Global Wind Energy Council hat China eine jährliche Produktionskapazität an Turbinen von 82 Gigawatt, mehr als der eigene Markt aufnehmen kann und fast viermal so viel wie Europa.

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Der chinesische Windradhersteller Sany plant, ab 2026 auch in Europa zu produzieren. Laut Paulo Fernando Soares, Geschäftsführer von Sany Renewable Energy, befinde sich das Unternehmen in fortgeschrittenen Verhandlungen mit einem Kunden über einen ersten Auftrag, der bis Ende des Jahres abgeschlossen werden soll. Dabei seien drei Länder als potenzielle Produktionsstandorte im Blick, darunter auch Deutschland.

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Bis zur Errichtung des Produktionsstandorts werde Sany weiterhin Windräder nach Europa liefern, erklärte Soares am Rande der WindEnergy Hamburg Messe. Er betonte, dass chinesische Unternehmen in den kommenden Jahren auf dem globalen Windenergiemarkt, der bisher von europäischen und nordamerikanischen Firmen dominiert wird, eine führende Rolle einnehmen könnten.

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- © Industriemagazin

Geht es der europäischen Windenergie-Industrie bald wie der Solarindustrie?

Der Markteintritt chinesischer Firmen hat in Europa, insbesondere in Deutschland, Bedenken ausgelöst. Erinnerungen an den Niedergang der europäischen Solarindustrie, die durch die Konkurrenz aus China nahezu vollständig verdrängt wurde, kommen auf. Produzenten und Projektentwickler, die nach günstigen Windrädern suchen, reagieren teils zurückhaltend, da der Verdacht besteht, chinesische Unternehmen könnten unfaire staatliche Subventionen erhalten. Auch die deutsche Bundesregierung und die EU-Kommission äußern Besorgnis über den Schutz dieser Schlüsselindustrie in Europa.

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Soares wies jedoch Vorwürfe über eine Marktverzerrung zurück. Er betonte, dass etablierte europäische Hersteller wie Enercon oder Vestas weiterhin eine bedeutende Rolle spielen werden. Gleichzeitig sei es jedoch unrealistisch, die ambitionierten europäischen Ziele im Windkraftausbau ohne Unterstützung aus China zu erreichen. Schon jetzt stamme ein erheblicher Teil der Turbinenkomponenten aus Asien.

Auf der Messe präsentierte Sany zwei neue Turbinenmodelle, um neue Kunden zu gewinnen. Während der chinesische Heimatmarkt deutlich größer ist als der europäische, sorgte der Mitbewerber Mingyang kürzlich für Aufmerksamkeit, als er als erster chinesischer Konzern einen deutschen Offshore-Windpark ausstatten durfte. Firmen wie Sany drängen jedoch vor allem auf den größeren Markt für Windenergieanlagen an Land.

Ein Markt, der das Interesse von China weckt

Milan Nitzschke dürfte eigentlich Grund zur Freude haben: Als Geschäftsführer von SL-Naturenergie ist er in einer Branche tätig, die stark wächst und vielversprechende Zukunftsaussichten hat. Bereits über 140 Windräder hat sein Unternehmen im Westen Deutschlands errichtet. Der Ausbau der Windkraft gewinnt in Europa und insbesondere in Deutschland immer mehr an Dynamik. Pro Jahr sollen allein im Onshore-Bereich zehn Gigawatt an zusätzlicher Leistung installiert werden, was das Dreifache der Kapazität von 2023 bedeutet. Ein riesiger Markt, der auch international, vor allem in China, Interesse weckt.

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Doch genau dieses Interesse bereitet Nitzschke Sorgen: "Wir erleben Ähnliches wie bei der Solarindustrie", warnt er. "In drei bis fünf Jahren sind die Chinesen da und bestimmen den Markt – das wird sicher passieren, wenn die Politik nicht handelt."

Nitzschke hat diesbezüglich einschlägige Erfahrungen, denn er war ein Augenzeuge des Aufstiegs und Niedergangs der deutschen Solarindustrie. Anfang der 2000er Jahre leitete er den Verband der Erneuerbaren Energien und wechselte später zum Solarmodul-Hersteller Solarworld, gerade als China begann, den deutschen Solarmarkt zu erobern. Es war allgemein bekannt, dass chinesische Unternehmen großzügige staatliche Unterstützung aus Peking erhielten. Als Präsident des neu gegründeten Verbands "EU ProSun" setzte sich Nitzschke für Schutzzölle ein, doch es war zu spät. Die deutsche Solarindustrie wurde weitgehend von China verdrängt.

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Aufbau einer Windkraftanlage von SL-Naturenergie - © SL-Naturenergie
In drei bis fünf Jahren sind die Chinesen da und bestimmen den Markt – das wird sicher passieren, wenn die Politik nicht handelt.

Nun könnte auch die Windbranche ein ähnliches Schicksal erleiden. China drängt zunehmend auf diesen Markt, und erste Anzeichen sind bereits sichtbar: Der Investmentfonds Luxcara hat kürzlich angekündigt, einen deutschen Offshore-Windpark erstmals mit Turbinen des chinesischen Herstellers Mingyang Smart Energy auszurüsten. Der Aufschrei war groß, doch die Überraschung hielt sich in Grenzen. China richtet seinen Fokus verstärkt auf Zukunftsmärkte, und die Windenergie bleibt davon nicht verschont. Bisher kamen Windräder in Europa fast ausschließlich von europäischen Herstellern wie Siemens-Gamesa, Vestas, Nordex oder Enercon.

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Zu den chinesischen Konkurrenten zählen Unternehmen wie Goldwind, Envision, Windey und Mingyang. Aktuell machen ihre Turbinen weniger als ein Prozent der europäischen Windenergiekapazität aus. Doch laut dem europäischen Verband WindEurope hatten chinesische Hersteller 2023 Aufträge im Umfang von 1,2 Gigawatt in Europa – eine Menge, für die sie zuvor zehn Jahre benötigt hatten. Zum Vergleich: Deutschland allein plant bis 2030, mehr als 50 Gigawatt an Land zu installieren, dazu kommen 20 Gigawatt auf See.

Droht eine chinesische Überproduktion?

China verfügt über eine enorme Produktionskapazität von jährlich 82 Gigawatt an Windturbinen, weit mehr als der heimische Markt aufnehmen kann und fast viermal so viel wie Europa. Neun der 15 größten Windrad-Hersteller kommen inzwischen aus China.

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Der Bundesverband der Windenergie (BWE) zeigt sich alarmiert. Geschäftsführer Wolfram Axthelm erklärt: "Die Chinesen haben riesige Überkapazitäten auf ihrem Heimatmarkt und drängen auch deshalb nach Europa und Deutschland." Die chinesischen Turbinen seien zudem nur halb so teuer wie die europäische Konkurrenz, trotz der langen Transportwege. Dies lasse auf staatliche Subventionen schließen. "Wer einmal die Tür aufmacht, kriegt die Tür nicht wieder zu", warnt Axthelm.

Bei Branchenmessen wie der WindEnergy Hamburg, die im September stattfand, ist die chinesische Präsenz unübersehbar: Über 80 chinesische Aussteller waren dort vertreten, mehr als doppelt so viele wie bei der Messe vor der Pandemie 2018. Diese Firmen decken die gesamte Wertschöpfungskette ab – von der Planung über die Lieferung und den Aufbau bis hin zur Wartung alter Anlagen.

Verlockende Finanzierungsmodelle der Chinesen

Für mittelständische Windpark-Entwickler in Deutschland sind die Finanzierungsmodelle der chinesischen Hersteller besonders verlockend. Sany etwa bietet an, dass Zahlungen erst fällig werden, wenn die Windräder bereits in Betrieb sind und Erträge generieren. Oder es wird eine Zahlungsfrist von drei Jahren nach Bestellung gewährt, wie es ein BWE-Dokument beschreibt. In Zeiten hoher Zinsen ist das eine attraktive Option, vor allem für Unternehmen, die große Projekte finanzieren müssen.

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Trotz dieser Vorteile überwiegt die Skepsis. Zwar könnten Unternehmen wie SL Naturenergie von günstigeren Lieferanten profitieren, doch die Unsicherheiten sind groß. Windparks erfordern einen viel höheren Wartungsaufwand als Solaranlagen, und chinesische Hersteller müssten vor Ort Serviceinfrastrukturen aufbauen und das Vertrauen der Kunden gewinnen. Nitzschke erinnert sich an chinesische Photovoltaik-Firmen, die schnell wieder vom Markt verschwanden und ihre Kunden im Stich ließen.

Technisch ist es so, dass die Hersteller der Windturbinen diese auch abschalten können.

Ein weiteres Problem ist die Abhängigkeit von chinesischer Technologie in einem so sensiblen Bereich wie der Energieversorgung. Dennis Rendschmidt, Geschäftsführer des Herstellerverbands VDMA-Power Systems, warnt: "Die Erfahrung mit den Gaslieferungen aus Russland zeigt uns, wie anfällig wir sein können." Nun gehe es nicht mehr nur um Rohstoffe, sondern auch um die Maschinen und Anlagen selbst. "Technisch ist es so, dass die Hersteller der Windturbinen diese auch abschalten können", erklärt Rendschmidt. Zudem gebe es Bedenken hinsichtlich der Datensicherheit, da moderne Windräder zahlreiche Sensoren enthalten, die kontinuierlich Daten übermitteln. "Wollen wir, dass chinesische Firmen diese Datenströme kontrollieren?", fragt der BWE in seinem Bericht.

Windkraftanlagen in Zukunft "kritische Infrastruktur"?

Nitzschke hofft, dass die Fehler der Solarbranche nicht wiederholt werden. "Noch ist es anders als damals in der Solarbranche", sagt er. "Damals waren einige Leute nur auf schnelles Geld aus und haben die Gefahr nicht sehen wollen." Doch diesmal sind Käufer und Hersteller von Windrädern bestrebt, gemeinsam vorzugehen und politische Unterstützung zu mobilisieren.

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Bislang sind die Fortschritte jedoch begrenzt. Die EU hat zwar eine Untersuchung wegen möglicher unfairer Subventionen chinesischer Unternehmen eingeleitet, doch solche Untersuchungen können sich hinziehen. Chinas Windenergie-Verband zeigt sich davon unbeeindruckt. Generalsekretär Qin Haiyan erklärt: "Die Anti-Subventions-Untersuchungen der EU sind für die europäischen Ziele zum Wind-Energie-Ausbau nicht förderlich."

Die EU ermöglicht es den Mitgliedsstaaten inzwischen, den Windenergie-Ausbau stärker zu steuern, indem sie bei Ausschreibungen qualitative Kriterien festlegen können, beispielsweise einen Mindestanteil an Komponenten aus europäischer Produktion. Wirtschaftsminister Robert Habeck hat versprochen, dieses Konzept zügig umzusetzen, doch die Branche wartet noch auf konkrete Maßnahmen.

Es gibt auch Überlegungen, Windkraftanlagen als Teil der kritischen Infrastruktur zu behandeln. Dies könnte bedeuten, dass ausländische Investitionen in die Windindustrie strenger geprüft werden, um potenzielle Gefahren für die öffentliche Sicherheit zu vermeiden. Was dies für Windparks konkret bedeutet, bleibt jedoch unklar.

Trotz der Diskussionen zeigt sich Mingyangs Technikvorstand Zhang Qiying gelassen: "Mehr Wettbewerb würde Europa doch helfen, auch wenn nicht alle begeistert sind." Er fügt hinzu: "Einige Konkurrenten ... wollen uns nicht in Europa. Das kann man verstehen. Wenn der Westen unsere Turbinen will, wir sind da."