Bei Thyssenkrupp denken viele zuerst an Stahl – doch der Industriekonzern ist breit aufgestellt. Er produziert Autoteile, U-Boote und Industrieanlagen, handelt mit Rohstoffen und entwickelt Technologien für die Energiewende.
Lange Zeit galt die Autozuliefersparte von Thyssenkrupp als verlässlicher Umsatzbringer. Im Segment Automotive Technology produziert der Konzern Fahrwerkskomponenten wie Lenkungen, Dämpfungssysteme, Motorenteile, Federn und Stabilisatoren – bis hin zu kompletten Montagelinien für den Karosseriebau. Zu den Kunden gehören nahezu alle großen Automobilhersteller, darunter Volkswagen, BMW, Mercedes-Benz, Ford und Stellantis – aber auch internationale Konzerne wie Toyota oder Hyundai. Mit einem Anteil von rund 20 Prozent am Gesamtumsatz zählt der Bereich zu den tragenden Säulen des Konzerns.
Doch genau dieser Pfeiler gerät zunehmend ins Wanken. Der Rückenwind ist abgeflaut, und die gesamte Automobilbranche in Europa steht unter massivem Druck: Nachfrage und Margen sinken, Energiepreise steigen, der Wettbewerbsdruck aus China wächst. Der Strukturwandel zur Elektromobilität erfordert hohe Investitionen, von denen auch die Zulieferer betroffen sind. Unternehmen wie Bosch, ZF und Continental streichen tausende Stellen. Auch Thyssenkrupp spürt den Gegenwind: „Die Aussichten für die globale Automobilindustrie bleiben schwach“, erklärte Spartenchef Volkmar Dinstuhl. Zusätzliche Unsicherheit bringt das erratische Zollregime der US-Regierung.
Die Krise der Autobranche setzt auch der Automotive-Sparte von Thyssenkrupp zu: Im vergangenen Geschäftsjahr verzeichnete das Segment einen Umsatzrückgang um 11 Prozent auf 7,5 Milliarden Euro. Die Mitarbeiterzahl blieb mit rund 31.600 nahezu konstant. Der Gewinn sank von 266 Millionen Euro im Vorjahr auf 245 Millionen Euro. Im ersten Quartal 2024/25 verschärfte sich der Abwärtstrend: Der Auftragseingang sank um 12 Prozent, der Umsatz um 10 Prozent – und der bereinigte Gewinn brach dramatisch um 75 Prozent auf gerade einmal 12 Millionen Euro ein.
Bereits im März zog Thyssenkrupp erste Konsequenzen: 1.800 Stellen wurden gestrichen, ein Einstellungsstopp verhängt. Kurz darauf der nächste Schlag: Das Federnwerk in Hagen macht dicht. Die Produktion wird schrittweise eingestellt, bis 2026 soll der Standort komplett abgewickelt sein – rund 300 Jobs fallen weg, nur ein Bruchteil der Belegschaft bleibt. Im Mai kündigte der Konzern weitere Kürzungen in Baden-Württemberg an: An den Standorten Heilbronn, Weinsberg, Leingarten und Mühlacker werden bis zu 230 Arbeitsplätze gestrichen.
Die Einschnitte im Automotive-Segment dürften damit noch längst nicht abgeschlossen sein. Angesichts des Konzernumbaus und der Ankündigung von CEO Miguel López, jede Sparte auf den Prüfstand zu stellen, gelten weitere Kürzungen als wahrscheinlich – auch im einstigen Umsatzbringer droht der Rückbau.
Die Entwicklung im Automobilbereich steht exemplarisch für die Krise des Gesamtkonzerns: Einstige Kernbereiche verlieren an Schlagkraft, während der Umbau immer radikalere Züge annimmt.
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