Energiekrise : Gas: Der Plan, mit dem die Industrie durch den nächsten Winter kommen soll

Gasspeicher der OMV: Derzeit sind in den österreichischen Gasspeichern rund 25 TWh Gas eingespeichert. Das entspricht laut Energieministerium dem Verbrauch von fast vier durchschnittlichen Monaten. Aktuell liegt der Gasspeicher-Füllstand bei rund 26 Prozent, bis zum nächsten Winter ist ein Anstieg auf 80 Prozent geplant.
- © YouTube/ OMVÖsterreich wappnet sich weiter gegen einen Ausfall russischen Gases. Am Donnerstag hat der Nationalrat eine Regelung beschlossen, wonach der Staat Versorger mit der Vorhaltung und Speicherung von Erdgas beauftragen kann. Industriebetrieben, die Gas einspeichern, werden Sicherheiten gegeben. Die Industrie soll auch im Krisenfall über ihre Gasreserven selbst verfügen können. Erst wenn es die Systemstabilität erfordert, greift der Staat gegen eine Entschädigung auch auf diese Reserven zu. Die Regelungen im einzelnen:
Die Bundesregierung hat am Mittwoch im Ministerrat ein weitreichendes Maßnahmenpaket zur Befüllung der Erdgasspeicher beschlossen. Ungenutzte Gas-Speicherkapazitäten müssen abgegeben werden und der strategisch wichtige Gasspeicher Haidach in Salzburg soll nach Möglichkeit noch heuer an das österreichische Gasnetz angeschlossen werden. Weiters soll die strategische Gasreserve um 7,4 Terawattstunden (TWh) auf 20 TWh aufgestockt werden.
Durch die Aufstockung der Gasreserve wäre der Gasverbrauch von zwei Wintermonaten abgedeckt. Die zusätzliche Gasmenge der strategischen Reserve soll unter Berücksichtigung der Verfügbarkeit am Markt aus nicht-russischen Quellen stammen. "Die Maßnahme wird die Abhängigkeit von russischem Gas deutlich reduzieren", sagte Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) nach dem Ministerrat. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) betonte, man müsse die Resilienz des Standortes Österreich erhöhen und Wachstum generieren.
Österreich ist derzeit bei Gas zu 80 Prozent von Russland abhängig, durch die Aufstockung der strategischen Gasreserve mit nicht-russischem Gas soll der russische Anteil laut Gewessler um 10 Prozentpunkte auf 70 Prozent sinken. Diese Maßnahme wird über den Verordnungsweg erfolgen, eine entsprechende Verordnung werde sie dem Hauptausschuss des Nationalrates "rasch" vorlegen, sagte sie.
Außerdem sollen sämtliche Gasspeicher in Österreich an das österreichische Leitungsnetz angeschlossen werden. Derzeit ist der große Gasspeicher Haidach nur an das deutsche Netz angeschlossen. Ein Teil des Speichers wird von der Gazprom-Germania-Tochter Astora genutzt. Weil Gazprom Germania unter deutscher staatlicher Verwaltung steht, wird dieser Teil befüllt. Der andere Teil steht der Gazprom-Tochter GSA zur Verfügung und ist derzeit leer.
Die RAG Austria AG ist technischer Speicherbetreiber des Gasspeichers Haidach und betreibt auch zehn weitere Speicheranlagen in Österreich. "Durch die heutigen Meldungen wurde nun formell ein Netzanschluss des UGS Haidach direkt in Österreich in die Diskussion gebracht", heißt es von der RAG auf Anfrage der APA. "Die RAG Austria AG hat bereits mit einer entsprechenden Projektierung begonnen und ist selbstverständlich bemüht, diese Pläne rasch in Umsetzung zu bringen." Das wäre noch in diesem Jahr möglich, die Kosten werden auf 10 Mio. Euro geschätzt - wer diese Kosten tragen wird, sei allerdings noch nicht geklärt.
Ob das in Haidach eingespeicherte Gas dann primär für Österreich genutzt werden soll statt für Deutschland, sei keine Entscheidung der RAG. "Woher es kommt und wohin es fließt liegt nicht in unserem Einflussbereich. Die Vermarktung der Speicherkapazitäten (wohin das Gas geliefert wird) obliegt im Fall vom Speicher Haidach den Vermarktern Astora und GSA."
Lesen Sie hier: Der Notfallplan Gas. Was passiert wann?
Nicht an des heimische Gasnetz angeschlossene Speicher in Österreich müssen innerhalb von vier Monaten ab Inkrafttreten einen Antrag auf Netzzugang und Netzzutritt stellen. Darüber hinaus werden Gasspeichernutzer künftig verpflichtet, ungenutzte Speicherkapazitäten anzubieten oder zurückzugeben. Dies ermögliche es anderen Unternehmen, darauf zuzugreifen und die Speicher zu befüllen, hieß es. Bleiben Speicherkapazitäten systematisch ungenutzt, so sind diese durch das Speicherunternehmen nach vorhergehender schriftlicher Ankündigung zu entziehen.
Gasversteigerung im Energielenkungsfall?
Derzeit sind in den österreichischen Gasspeichern rund 25 TWh Gas eingespeichert. Das entspricht laut Energieministerium dem Verbrauch von fast vier durchschnittlichen Monaten. Aktuell liegt der Gasspeicher-Füllstand bei rund 26 Prozent, bis zum nächsten Winter ist ein Anstieg auf 80 Prozent geplant. Wirtschaftsforscher mahnen neben der nunmehr gesetzlichen Regelungen weitere Maßnahmen an. Etwa bei der Verteilung im Energielenkungsfall.
Für den Wirtschaftssektor bringen die Forscher zwei Debattenbeiträge ein: Ein hybrides Allokationsverfahren und einen reinen Versteigerungsmechanismus. Ersteres identifiziert zunächst Güterklassen mit unterschiedlicher Priorität und setzt innerhalb dieser Klassen dann einen Versteigerungsmechanismus ein, der einerseits die Erdgasintensität und andererseits die Substituierbarkeit der Güter berücksichtigt. Die zweite Variante stellt das gesamte Erdgaskontingent zur Versteigerung, ohne dass eine Priorisierung zur Anwendung kommt.
Grundsätzlich geben die Autoren zu bedenken: "Die konkrete Ausgestaltung des Auktionsdesigns ist nicht trivial, da Interdependenzen zwischen den Unternehmen zu berücksichtigen sind." Für eine praktische Implementierung seien vertiefte Analysen notwendig, mit den Vorbereitungen sollte "jedenfalls ehestmöglich begonnen und unterschiedliche Szenarien berücksichtigt werden, etwa abhängig von der Frage, ob Gashandel weiterhin möglich sein wird".
Zu den Anreizsysteme für Verbrauchsreduktionen nennen die Forscher auch hier zwei Beispiele als Debatten-Anstoß. Die erste Option ist ein Bonussystem für eine nachgewiesene Verbrauchsreduktionen. Das zweite Beispiel die Einführung von spezifischen Tarifstrukturen - sprich mit integrierten Anreizen zu Verhaltensänderungen sowohl der konsumierten Mengen als auch hinsichtlich einer zeitlichen Anpassung des Verbrauchs an die aktuelle Netzauslastung.
Ein Vertragsmodell wäre beispielsweise die Akzeptanz einer limitierten Bezugsmenge wenn gleichzeitig ein begünstigter Tarif angeboten wird. Die Limitierung kann über eine mechanische Maßnahme stattfinden. Die administrative Umsetzung wäre jedoch im Vergleich zum oben beschriebenen Bonusmodell aufwendiger. Bei einer unilateralen Steuerung der Mengen bei Abnehmern nach einem definierten Ausmaß bei energieintensiven Geräten wäre die Installation entsprechender Steuerungselemente erforderlich sowie auch ein datenschutzkonformer Umgang mit den erforderlichen Informationen notwendig.

Spar-Aufrufe für die Bevölkerung ab Herbst?
Österreich sollte zur Sicherung der Erdgasversorgung außerdem Sparaufrufe auch für Haushalte vornehmen. Dafür sprach sich Wifo-Ökonom Jürgen Janger am Donnerstag aus. Sowohl für Unternehmen als auch Haushalte sollte es Bonusmechanismen für eine Gasverbrauchsreduktion geben. Auch Tarife, die zum Sparen animieren, sollte man sich überlegen.
Bereits für den kommenden Herbst sollte es "fertige Modelle" sowie geeignete Mechanismen und Anreize zum Sparen geben, forderte Janger im Ö1-"Morgenjournal" des ORF-Radio. Das könne im Herbst helfen, sollte es zu einer Gasknappheitssituation kommen.
Ob sich alle nötigen Gas-Vorkehrungen bis Herbst ausgehen, hänge in Wahrheit gar nicht an Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne), so der Wifo-Chef: "Sie hat jetzt die Vorkehrungen getroffen, damit das regulatorisch funktionieren kann, aber das Gas muss nach Österreich kommen. Wenn morgen der Gashahn abgedreht wird oder wenn eine Leitung zerstört wird auf dem Weg von Russland nach Österreich, dann wird das schwer. Der Ersatz durch Flüssiggas ist nicht leicht zu beschaffen. Das müsste ja über Italien gehen oder über Flüssiggasterminals aus Westeuropa. Das ist gar nicht einfach." Natürlich sei da auch "ein Run eingetreten", da alle Ersatz für russisches Gas bräuchten: "Das macht es schwer - das macht es auch teuer", so Felbermayr.
Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahre verlangt länderübergreifende Lösungen für den Aufbau von Gas-Infrastruktur, um verflüssigtes Erdgas (LNG) nach Österreich bringen zu können - und er will dazu einen Alpe-Adria-Infrastruktur-Gipfel initiieren, um dem Energieproblem beizukommen, wie er laut "SN", "Kurier" und "Presse" (Donnerstag) sagt. Der WKÖ-Chef denkt dabei an eine Eine "Alpen-Adria-Gasstrategie" gemeinsam mit Kroatien und Italien, wo es Gas-Terminals gebe.
Eine Alpe-Adria-Pipeline betreffe nicht nur uns, sondern auch die Länder, die bisher mit russischem Gas durch Österreich versorgt wurden. Daher brauche es ein gemeinsames Verständnis und einen Plan von Italien, Österreich und den Tschechen, Slowaken und Ungarn, wird Mahrer zitiert. Italien sei schon informell auf Österreich zugekommen, man könne etwa die Alpe-Adria-Pipeline nutzen.
