Wirtschaftskrise Bewältigung : Netzwerkforscher Katzmair: "Jeder Erfolg produziert eine Pfadabhängigkeit"

Harald Katzmair FAS Research

"Wenn wir kleine Lösungen finden und diese multiplizieren, erreichen wir Veränderung." Harald Katzmair, Gründer und Direktor FAS Research

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INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Katzmair, Österreichs Wirtschaft durchlebt - durchaus im europäischen Trend - eine rezessive Phase. Wie kommen wir da wieder heraus?

Harald Katzmair:
Diese rezessive Situation, die wir jetzt vorfinden, ist nicht nur eine ökonomische Rezession. Sie ist auch eine Rezession des Mindsets und der Vorstellungskraft, wie es weitergehen kann. Zugleich darf man nicht vergessen, dass eine Krise immer ein Ergebnis von zuvor erzielten Erfolgen ist. Man steckt in einer Krise, weil man etwas getan hat, was lange sehr erfolgreich war. Jeder Erfolg produziert eine Pfadabhängigkeit. Man macht so lange weiter, wie es geht, bis es eben nicht mehr geht. Deshalb sind Krisen letztlich etwas ganz Natürliches. In Unternehmen, Volkswirtschaften und auch im persönlichen Leben. Es ist völlig normal, dass es immer einen Punkt gibt in den Zyklen, wo man den Pfad, das Betriebssystem wechseln muss.

Wie gelingt das?


Katzmair:
Wir stehen vor großen ökonomischen, ökologischen und Identitätskrisen. Die Inflation und die Kaufkraftverluste sind nur ein Teil des Problems. Wir müssen uns fragen, wer wir als Nation und als Gesellschaft sein wollen. In Österreich zum Beispiel sehen wir einen Identitätsverlust, sei es im Skisport oder in der Ingenieurkunst. Wir müssen uns neu definieren und neue Geschichten über uns selbst erzählen.

Natürlich ist diese Krise auch ein Ergebnis von Geschäftsmodellen und Wertschöpfungsarchitekturen, die auf eine Welt treffen, die sich massiv verändert hat. Wir haben es in China mit vollständig integrierten Konzernen zu tun, wo von der Mine in Afrika bis zum Chip die gesamte industrielle Wertschöpfungskette integriert ist und das auch noch von der kommunistischen Partei gesteuert und subventioniert wird. Umgekehrt sehen wir in den USA eine Börsensituation, wo über die Finanzmärkte Kapital beschafft werden kann, das es ermöglicht, über Jahre Verluste zu machen, ohne Gewinne erwirtschaften zu müssen. Das sind Modelle, die nicht den Gesetzen der normalen Marktwirtschaft unterliegen.

Müssen wir uns mehr an anderen orientieren?

Katzmair: Was auffällt, ist natürlich das Erstaunen, dass andere Länder in bestimmten Bereichen bessere, zumindest auf eine effizientere Art und Weise Autos bauen können als wir. Oder, was das Engineering im Manufacturing-Bereich angeht, einige Schritte voraus sind. Irgendwann drehen sich die Dinge um, und dann muss man anfangen, von anderen zu lernen. Der Inflation Reduction Act der Amerikaner ist ein offenkundiges Erfolgsmodell. Das gilt auch für China, wo sie mit Sonderindustriezonen experimentieren. Wichtig ist aber, dass wir uns nicht zu sehr mit den anderen vergleichen, sondern mit dem, der wir gestern waren.

Wie gelingt Veränderung nachhaltig?


Katzmair:
Veränderungen passieren oft in kleinen Schritten, in Form von 3-Prozent-Lösungen. Wenn Systeme instabil werden, sind sie offen für Beeinflussung. In solchen Momenten können kleine Lösungen große Wirkung entfalten. Das ist die Zeit, in der wir aktiv werden müssen. Wenn Systeme instabil werden, werden sie empfänglich für Veränderungen. Und das sehen wir gerade. Wir sind in einem Moment des Bruchs, sowohl ökonomisch als auch psychologisch. Das ist auch eine Chance. Wenn wir kleine Lösungen finden und diese multiplizieren, erreichen wir Veränderung.

In den nächsten Jahren werden wir eine neue Generation von Führungskräften erleben, die anders arbeiten wird. Müssen die es richten?


Katzmair:
Die Generation Y, also die jetzt nachrückende Generation, wird eine zentrale Rolle spielen. Sie wird mit den Herausforderungen umgehen müssen, die die Boomer-Generation hinterlässt.

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Aber sie bringt auch neue Denkmodelle und Ansätze mit, die uns helfen werden, Lösungen zu finden. Dass wir diese Generation stärken und ihr den Rücken freihalten, wird Teil des Erfolgs sein.