Abwasserbehandlung in der Industrie : Mehr Sauerstoff, mehr Leistung: Wie können Industrieabwässer effizienter gereinigt werden?

Large blue water pipes are supplying a modern water treatment plant

Industrielle Kläranlagen stehen unter wachsendem Druck – technisch, wirtschaftlich und regulatorisch. 

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Warum industrielle Abwasserbehandlung an ihre Grenzen stößt

In vielen Industriegebieten betreiben Unternehmen eigene Kläranlagen oder leiten ihre Produktionsabwässer – teils vorbehandelt – in zentrale Reinigungsanlagen ein. Je nach Standortstruktur entstehen komplexe Mischfrachten mit schwankender Zusammensetzung. Dies stellt eine große Herausforderung für Planung und Betrieb dar, insbesondere bei chemisch belasteten oder schwer abbaubaren Inhaltsstoffen.

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Industrielle Kläranlagen stehen dabei zunehmend unter erhöhtem Druck: Einerseits erreichen viele Systeme ihre betrieblichen und hydraulischen Kapazitätsgrenzen. Andererseits verschärfen neue gesetzliche Vorgaben die Anforderungen an Ablaufwerte, Energieeffizienz und Überwachungspflichten – etwa durch die EU-Richtlinie 2024/3019, die seit Ende 2024 in Kraft ist und derzeit in nationales Recht überführt wird.

Zusätzlich erschweren hohe Temperaturen, toxische Substanzen oder salzhaltige Zuläufe die Stabilität der biologischen Reinigungsstufe. Konventionelle Verfahren mit Umgebungsluft stoßen hier oft an ihre Grenzen. Um die Leistungsfähigkeit abzusichern, setzen viele Betreiber auf technische Alternativen – etwa den gezielten Eintrag von Reinsauerstoff.

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Sauerstoff statt Luft – Prinzip, Wirkmechanismus und Vorteile

Bei herkömmlichen Verfahren wird Umgebungsluft – mit rund 21 % Sauerstoffanteil – mechanisch eingebracht, was hohe Fördervolumina und entsprechend viel Energie erfordert. Bei sauerstoffgestützten Verfahren hingegen wird hochreiner Sauerstoff direkt ins Belebungsbecken eingebracht.

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Die erhöhte Verfügbarkeit fördert die Aktivität aerober Mikroorganismen und stabilisiert die biologische Reinigungsleistung – auch bei Lastspitzen. Gleichzeitig sinkt der Energiebedarf, da bei Reinsauerstoff geringere Gesamtvolumina gefördert werden müssen, um die erforderliche Sauerstoffmenge bereitzustellen.

Im Vergleich zur Belüftung mit Umgebungsluft steigt die Effizienz – bei gleichem Reaktorvolumen. Das reduziert Prozessinstabilitäten, verbessert die Ausnutzung vorhandener Infrastruktur und erleichtert die Einhaltung anspruchsvoller Ablaufwerte.

Reinsauerstoffverfahren im Vergleich: Potenziale und Grenzen in der Industrie

Reinsauerstoffsysteme gelten als praxisbewährte Option für Industriekläranlagen, die unter wechselnden Frachten oder steigenden Anforderungen stehen. Der Sauerstoffeintrag erfolgt gezielt und bedarfsgerecht – insbesondere bei biologisch sensiblen oder stark belasteten Abwässern.

Ein Beispiel ist das von Messer Austria entwickelte BIOX-Verfahren, das feinblasige Dosierung mit automatisierter Regelung kombiniert. Ziel ist es, die Reinigungsleistung gezielt zu steigern – ohne bauliche Erweiterungen. Eingesetzt wird das System unter anderem in der Chemieindustrie und an Standorten mit komplexer Abwasserzusammensetzung.

Im Unterschied zu Verfahren wie Membranfiltration oder elektrochemischer Oxidation optimieren Reinsauerstofflösungen die biologische Stufe, statt Stoffe zu trennen oder zu zerstören. Ihr Vorteil liegt in der Nachrüstbarkeit, dem geringen Platzbedarf und der gezielten Wirkung – nicht in universeller Einsetzbarkeit.

Industrielle Abwasserbehandlung in der Praxis: Einsatzbereiche und Erfahrungswerte

Die Einführung neuer Technologien in Industriekläranlagen erfolgt meist aus konkretem Bedarf – etwa zur Leistungssteigerung oder zur Einhaltung strengerer Einleitwerte. Reinsauerstoffsysteme haben sich dabei als flexible Lösung erwiesen, insbesondere dort, wo biologische Prozesse in bestehenden Anlagen an Leistungsgrenzen geraten.

Erfahrungen von Messer Austria zeigen, dass sich Systeme wie BIOX in bestehende Becken integrieren lassen – über automatisiert geregelte Injektoren, auch im laufenden Betrieb. So können Reinigungsleistung und Prozessstabilität erhöht werden – ohne bauliche Maßnahmen.

Typische Einsatzbereiche sind Clusterstandorte mit wechselnden Zuläufen, thermisch belastete Abwässer oder Standorte mit hohem Salzgehalt. Auch temporäre Lösungen – bei saisonalen Spitzen oder während Sanierungsphasen – lassen sich über mobile Einheiten umsetzen.

Technologiebewertung in der industriellen Abwasserbehandlung: Energie, Emissionen und Investitionen im Fokus

Technologieentscheidungen in der industriellen Abwasserbehandlung beruhen selten allein auf der Reinigungsleistung. Aspekte wie Energieeffizienz, Emissionsminderung, Flächenverfügbarkeit und Investitionssicherheit sind oft ausschlaggebend. Reinsauerstoffsysteme schneiden hier gut ab – insbesondere im laufenden Betrieb.

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Sie benötigen weniger Energie als klassische Belüftungssysteme und reduzieren Emissionen wie Methan oder Schwefelwasserstoff. Dank ihres modularen Aufbaus lassen sie sich flexibel integrieren – meist ohne größere Umbaumaßnahmen.

Zwar verursacht die Sauerstoffversorgung laufende Kosten, diesen stehen jedoch messbare Vorteile bei Effizienz, Prozessstabilität und Zukunftsfähigkeit gegenüber – gerade im Hinblick auf verschärfte Umweltvorgaben.

Fazit & Ausblick: Handlungsspielräume für Betriebe und Betreiber

Industrielle Kläranlagen stehen unter wachsendem Druck – technisch, wirtschaftlich und regulatorisch. Reinsauerstoffsysteme bieten in diesem Kontext eine praxistaugliche Möglichkeit, die biologische Abwasserbehandlung gezielt zu stabilisieren und zu erweitern. Sie lassen sich in bestehende Anlagen integrieren, senken den Energiebedarf und unterstützen die Einhaltung künftiger Umweltauflagen.

Entscheidend bleibt eine standortspezifische Bewertung – dort, wo biologische Prozesse an ihre Grenzen stoßen, können sauerstoffgestützte Lösungen wie das BIOX-Verfahren eine wirtschaftlich und ökologisch sinnvolle Option sein.