Industriekongress 2025 : IFN-Chefin Klinger: "Eine unendliche Anzahl an Paragrafen"

Anette Klinger IFN

IFN-Chefin Klinger: "Kein klassischer Konzern, sondern Netzwerk"

- © Matthias Heschl

Klimaschutz, Wettbewerbsfähigkeit, wirtschaftliche Resilienz – drei Ziele, die in der Industrie oft auseinanderdriften. Anette Klinger, geschäftsführende Gesellschafterin der IFN-Holding (Internationales Fensternetzwerk), zeigt, wie sich dieser Spagat in der Praxis bewältigen lässt.

Die IFN-Holding mit Sitz in Traun ist in dritter Generation familiengeführt und bündelt unter ihrem Dach neun unterschiedliche Unternehmen mit jeweils eigenständigem Marktauftritt und Vertriebsstruktur. Herzstück bleibt die Marke Internorm – deren Fenster werden ausschließlich in Österreich produziert. Weitere Produktionsstandorte betreibt IFN in der Slowakei, Dänemark, Finnland und seit kurzem auch in Litauen.

Die Besonderheit: IFN versteht sich nicht als klassischer Konzern, sondern als „Netzwerk“, so Klinger. Ein Bild, das an eine Familie erinnert, in der man voneinander lernt und gemeinsam besser wird. Dieses Netzwerk stützt sich auf ein europaweites System von qualifizierten Handwerkspartnern – insbesondere im DACH-Raum und in Nordeuropa.

Wettbewerbsnachteil?

Dass Nachhaltigkeit zunehmend zum Wettbewerbsfaktor wird, steht für Klinger außer Frage. Doch während Europa mit „einer unendlichen Anzahl an Paragrafen“ und strengen Berichtspflichten eine Vorreiterrolle einnimmt, sieht sie darin auch ein strukturelles Problem: „In Europa dominiert das Misstrauen. Jede Vorschrift wird bis ins letzte Detail geregelt – und wer dagegen verstößt, riskiert Strafen in der Höhe eines Prozentsatzes vom Konzernumsatz.“

Der Vergleich mit den globalen Mitbewerbern fällt aus ihrer Sicht ernüchternd aus. Die USA setzen mit dem Inflation Reduction Act auf massive Förderungen für grüne Technologien. Gleichzeitig sorge der bevorstehende US-Wahlkampf für Unsicherheit: „Was man hört, ist, dass man Nachhaltigkeit in Gesprächen mit Investoren gar nicht mehr erwähnen soll.“ In China hingegen sei Nachhaltigkeit zum industriepolitischen Kernziel geworden – mit spürbaren Folgen für Europas Photovoltaik- und Wechselrichterhersteller.

„Wir sind keine Insel“

Klinger fordert einen Realismus, der Europas Rolle im weltweiten Wettbewerb stärker berücksichtigt. „Europa will beim Thema Clean-Tech führend sein – Politiker verwenden da oft Superlative. Aber wir müssen uns ehrlich fragen: Was passiert rund um uns? Wer setzt tatsächlich um?“ In puncto Geschwindigkeit und Umsetzungskraft sei China aktuell klar vorne.

Dabei sieht sie durchaus Innovationskraft und Hebelwirkung in Europa – etwa in der Gebäudehülle: Fenster könnten heute so gebaut werden, dass Räume praktisch keine Heizenergie mehr benötigen. „Aber wir misstrauen dieser Kraft. In Europa agieren wir oft ideologisch.“Ein Beispiel: Internorm produziert bereits seit 1994 ausschließlich bleifreies PVC. Die neue EU-Verordnung schreibt nun Recyclingquoten für Blei vor – was bedeutet, dass das Unternehmen künftig bleihaltiges Material beimischen müsste, um die Quote zu erfüllen. „Das ist paradox“, so Klinger.

Generationenprinzip 
IFN verfolgt eine generationenübergreifende Unternehmensführung. Die vierte Generation – „talentierte, potenzielle Nachfolger“ – befinde sich bereits in Ausbildung. Diese langfristige Perspektive unterscheidet sich radikal von der kurzfristigen Logik vieler börsennotierter Unternehmen. „Wenn ich in Generationen denke, komme ich automatisch zu anderen Schlussfolgerungen. Da rückt Nachhaltigkeit plötzlich in den Mittelpunkt.“

Die IFN-Strategie ruht auf dem Grundsatz des „enkeltauglichen Wirtschaftens“ – ein Begriff, den Klinger aus dem Wertefundament ihres Großvaters ableitet. „Leben und leben lassen – damit sind wir 94 Jahre gut gefahren.“ Die Zukunft werde zeigen, ob sich Europas industriepolitische Ausrichtung in Richtung eines flexiblen, mittelstandsfähigen Modells entwickle – oder in eine „Omnibus-Richtlinie“, bei der alle in denselben Bus steigen müssen, ob Reisebus oder Kleintransporter.

Anette Klinger plädiert für eine europäische Industriepolitik mit Augenmaß: weniger Detailregulierung, mehr Vertrauen in die unternehmerische Umsetzung und eine stärkere Berücksichtigung der globalen Rahmenbedingungen. Nachhaltigkeit könne sehr wohl ein Wettbewerbsvorteil sein – wenn man sie langfristig, pragmatisch und innovationsgetrieben denkt.

Industriekongress 2025, Tag 2: Hier können Sie den Kongress-Tag nachschauen.