Managementtipp : Fünf Gewohnheiten erfolgreicher Geostrategen

International Container Cargo ship in the ocean, Freight Transpo

Globale Unternehmen sehen sich zunehmend ernsthaften Herausforderungen im Zusammenhang mit Lieferketten, Reputation und Regulatorik gegenüber.

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Die Erwähnungen politischer Risiken in öffentlichen Berichten von Unternehmen stiegen im Jahr 2022 um erstaunliche 600 % und sind seither auf hohem Niveau geblieben. Globale Unternehmen sehen sich zunehmend ernsthaften Herausforderungen im Zusammenhang mit Lieferketten, Reputation und Regulatorik gegenüber – ausgelöst durch ein sich wandelndes geopolitisches Umfeld.

Laut aktueller EY-Parthenon Studie berichteten mehr als 60 % befragter Führungskräfte weltweit von direkten, negativen Auswirkungen geopolitischer Entwicklungen auf ihre Geschäftsabläufe und Lieferketten. Gleichzeitig gaben 57 % an, dass ihrer Organisation erheblicher Reputations- oder Compliance-Schaden entstanden sei. Industriepolitik, Handelsbarrieren, Sanktionen und divergierende regulatorische Ansätze beeinflussen Unternehmensentscheidungen zunehmend.

Alle befragten Führungskräfte bestätigten, dass Geopolitik strategische Veränderungen in ihren Unternehmen ausgelöst habe, insbesondere bei der Gestaltung der Lieferketten. Die Zahl der Unternehmen, die als „Geostrategen“ gelten – also geopolitische Risiken proaktiv und ganzheitlich adressieren – ist seit 2021 um 50 % gestiegen. Dennoch bestehen weiterhin Herausforderungen: Ein Drittel der Führungskräfte wurde in den letzten zwei Jahren von den meisten politischen Risiken überrascht, über drei Viertel gaben an, mindestens die Hälfte der Zeit von geopolitischen Entwicklungen überrascht worden zu sein. Trotz des gestiegenen Bewusstseins weisen nur 45 % der Unternehmen eine klare Zuständigkeit für Geostrategie zu.

Viele Unternehmen haben begonnen, geostrategische Kompetenzen aufzubauen, doch deren Umsetzung verläuft uneinheitlich. Unternehmen, die geostrategisches Denken auf allen Entscheidungsebenen verankern, sind widerstandsfähiger und wettbewerbsfähiger. Diese proaktiven Organisationen – sogenannte Geostrategen – ergreifen systematischere und umfassendere Maßnahmen. Konkret lassen sich fünf Schlüsselgewohnheiten erfolgreicher Geostrategen identifizieren:

1. Lieferketten an geopolitische Realitäten anpassen
Da fast zwei Drittel der Unternehmen von politischen Risiken negativ betroffen sind, ist die Anpassung der Lieferketten zu einer strategischen Priorität geworden. Geostrategen führen diese Veränderungen an müssen. Sie starten mit einer Analyse der politischen Risikolage, um besonders gefährdete Bereiche zu adressieren und fundierte Maßnahmen ergreifen zu können - – etwa die Suche nach alternativen Lieferanten, Produktneugestaltung oder Diversifizierung der Vertriebsmodelle.

2. Politische Risikoanalyse in Investitionsentscheidungen integrieren
Geostrategen integrieren politische Risikoanalysen in strategische Investitionsentscheidungen. Sie zeigen eine höhere Bereitschaft zu Fusionen und Übernahmen und führen Transaktionen eher durch. Alle befragten Geostrategen führen eine Due-Diligence-Prüfung politischer Risiken bei Transaktionen durch. Diese Voraussicht unterstützt fundierte Entscheidungen und reduziert teure Verzögerungen, insbesondere bei Veräußerungen und grenzüberschreitenden Geschäften.

3. Auf das Unerwartete vorbereitet sein
Politische Risiken überraschen Führungskräfte häufig. Die Unvorhersehbarkeit wird durch globale Unsicherheiten –etwa Kriege oder instabile Wahlen – verschärft. Unternehmen müssen daher zwei zentrale Fähigkeiten stärken: die Überwachung politischer Risiken und die Szenarienplanung. Monitoring ermöglicht die Echtzeit-Erkennung neuer Bedrohungen, während Szenarienanalysen helfen, in unsicheren Zeiten verschiedene Zukunftsszenarien durchzuspielen.

4. Vorstände regelmäßig einbeziehen
Aufsichtsräte beschäftigen sich zunehmend mit politischen Risiken – aktuell liegt der Anteil bei 76 %. Die häufigsten Maßnahmen umfassen die Bewertung geopolitischer Risiken im Hinblick auf bestehende Strategien sowie Briefings durch Risiko- oder Public-Affairs-Teams. Allerdings diskutiert nur ein Drittel der Aufsichtsräte regelmäßig geopolitische Risiken – was angesichts des heutigen dynamischen Umfelds unzureichend ist. Häufigere und vertiefte Diskussionen auf Vorstandsebene sind für eine wirksame Überwachung entscheidend.

5. Das richtige Team aufbauen
Ein effektives Management geopolitischer Risiken erfordert einen koordinierten, funktionsübergreifenden Ansatz. Seit 2025 sind in den meisten Unternehmen funktionsübergreifende Kommitees anstatt ausgewählter Geschäftsbereiche für die Geostrategie verantwortlich, was Zusammenarbeit und breitere Beteiligung fördert. Die Anzahl involvierter Funktionen hat sich deutlich erweitert: Rechtsabteilungen und Compliance-Officer spielen mittlerweile zentrale Rollen – angesichts der komplexen und sich wandelnden Sanktions-, Rechts- und Regulierungslandschaft.

Geostrategie in der Praxis – fortlaufend und dynamisch

Geostrategie ist keine einmalige Initiative, sondern ein fortlaufender, agiler Prozess, der ständiger Weiterentwicklung bedarf. Führungskräfte müssen sich fragen: Haben wir eine wirksame Strategie, um Risiken zu minimieren und Chancen in einem geopolitisch herausfordernden Umfeld zu nutzen?

Unternehmen, die in starke geostrategische Fähigkeiten investieren, erkennen Risiken früher, treffen schnellere Entscheidungen und stärken ihre organisatorische Resilienz. Sie gehen über bloße Reaktion hinaus und antizipieren Entwicklungen – und verschaffen sich damit mitunter einen strategischen Vorteil. Der Aufwand lohnt sich: Unternehmen mit robuster Geostrategie sind agiler, besser informiert und erfolgreicher in einer komplexen und sich schnell wandelnden Welt.

Autoren:

Famke Krumbmüller leitet die EY Geostrategic Business Group in Europa. Davor war sie für die politische Risikoabteilung eines von ihr gegründeten Unternehmens in Paris verantwortlich und bei der renommierten Eurasia Group in London tätig. 

Als Senior Consultant berät Anna-Carina Hamker EY-Kunden zur Frage, wie geopolitische Entwicklungen ihr Geschäftsmodell beeinflussen. Davor war sie bei der Eurasia Group in London tätig. 

Klaus Haberfehlner ist Partner bei EY-Parthenon in Wien, Leiter der Strategieberatung und verantwortet für EY den Industriesektor in Europa. Er blickt auf langjährige Erfahrung in der internationalen Strategieberatung zurück und begleitet Kunden bei strategischen Neuausrichtungen, Restrukturierungen und Wertschöpfungsprojekten.
 

Lesetipp:

The five habits of successful Geostrategists | EY - Global