Werkstatt für neue Geschäftsmodelle : Erfolgsmodell Venture Studio?

Venture Studios sind die Brücke zwischen disruptiver Idee und skalierbarem Geschäft
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„Ein Venture Studio ist ein organisatorischer Rahmen, der es ermöglicht, mehrere Start-ups parallel aufzubauen, und zwar außerhalb der klassischen Konzern-Governance“, erklärt Georg Frick, Managing Partner V_labs, das Konzept. In dieser„Sandbox“ können Corporate Ventures, unabhängig von den typischen Regularien (etwa in HR, IT oder Compliance) agieren und ihre eigenen Regeln definieren. Im Venture Studio bekommen sie Ausnahmen von der Konzern-Governance und umgehen so das Thema Vollkonsolidierung.
Entscheidungen werden schnell gefällt und kleine, flinke Teams treiben die Umsetzung abseits oft träger Konzernprozesse voran. Gleichzeitig profitieren die Ventures von den Vorteilen der Konzernanbindung. Ressourcen werden geteilt, strategische Zugänge zum Markt eröffnet und Expertise zur Verfügung gestellt. Soweit ist die Idee bereits durch konzernbetriebene Innovation Hubs bekannt. Das Konzept des Venture-Studios erweitert die bestehenden Ideen, um die operative Unterstützung zu bieten. Marketing, Recruiting, Business Development und rechtliche Rahmenbedingungen werden im Studio zur Verfügung gestellt und individuell angepasst.
„So ist es möglich, ein innovatives Portfolio an neuen Ventures, das schnell reagieren, effizient skalieren und gezielt auf neue Geschäftspotenziale ausgerichtet werden kann, zu erstellen“, sagt Frick. Der Aufbau eines solchen Venture-Studios ist allerdings kein Selbstläufer. Es braucht klare Zielsetzungen, erfahrene Teams und ein durchdachtes Set-up, sowohl strategisch als auch operativ. Den Zeitaufwand beziffert Frick mit rund einem Jahr für die Planung, das Staffing, das Aufsetzen der Prozesse wie Steering und Reporting, der Finanzierung und dem rechtlichen Set-up bis zum Go-Live. Nach einem weiteren Jahr ist das Studio im Idealfall mit einem Portfolio von Ventures gefüllt. Agenturen oder spezialisierte Partner wie V-Labs begleiten Unternehmen dabei End-to-End und agieren als verlängerte Werkbank für die operative Unterstützung der Ventures etwa im Business Development, Sales oder Software Development.

Risiko trifft Strategie
„Ein zentraler Lernprozess, den viele Konzerne derzeit durchlaufen, ist das gestiegene Bewusstsein für die Risiken im Corporate Venture Building“, erklärt Georg Frick, das veränderte Bewusstsein um den Aufbau und die Organisation neuer Geschäftsmodelle. Innovationsprojekte, die Einführung und Etablierung von skalierbaren Businesskonzepten sind naturgemäß mit hoher Unsicherheit verbunden – die Erfolgsquote einzelner Ventures ist oft gering. Daher setzen Unternehmen in ihrer strategischen Ausrichtung zunehmend auf Portfolio-Ansätze. Man hofft nicht auf das eine „perfekte Venture“, sondern nutzt systematisch duplizierbare Modelle, bei denen mehrere Start-ups parallel entwickelt und getestet werden. „Der Portfolioansatz minimiert das Gesamtrisiko und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass mindestens eines der Ventures – gemessen an Wertbeitrag oder EBIT-Potenzial – den strategischen und wirtschaftlichen Durchbruch schafft“, sagt Frick.
Innovationsmanagement rückt näher zur VC-Welt
Mit einer wachsenden Zahl von betriebenen Ventures, die Bandbreite bewegt sich von fünf bis zwanzig Corporate Start-ups, erhöht sich die Komplexität im Management. Ein klares Portfolio-Management, einheitliches Reporting sowie strukturierte Unterstützungsangebote, vom Recruiting bis zur operativen Beratung, werden notwendig, um die Effizienz der immer größer werdenden Einheiten im Corporate Venture Building zu gewährleisten. „Die Orientierung ist stärker zu Methoden aus der VC- und Private-Equity-Welt gewandert“, sagt der v_labs Chef. Die Ideenfindung und Umsetzungsmethoden aus dem Innovationsmanagement sind mit den Strukturen, der Risikodiversifizierung und den vordefinierten rechtlichen Rahmenbedingungen des VC-Managements verschmolzen.
Strukturierter Venture-Funnel als Fundament
„Der größte Beitrag zur Transparenz und ein wichtiger Erfolgsfaktor war die Einführung eines strukturierten Venture-Funnels“, sagt Kristian Weymar, Director Venture Development bei Lufthansa Innovation Hub (LHI) Berlin. Für koordinierte Ideensammlung und konsistente Umsetzung setzt der Hub heute auf einen klar definierten Funnel-Prozess mit fünf Phasen: Ideation, Validierung, MVP (Minimal Viable Product), Skalierung und Exit – diese Phasen durchlaufen alle Ventures bei LHI in einer Phase von 6 bis 12 Monaten. „Fail fast“ heißt das Motto. Flankiert werden die Phasen von einem monatlichen Portfolio Day. Dort präsentieren Venture-Teams ihren Fortschritt vor einer Jury. Diese regelmäßige Bewertung bringt nicht nur Transparenz und Kontrolle, sondern sorgt auch dafür, dass erfolglose Ideen frühzeitig gestoppt und Ressourcen gezielt eingesetzt werden. „Der Venture-Funnel ist das Rückgrat im Venture Building“, so Weymar. Seit der Einführungsphase 2022 wird der Prozess strikt eingehalten und bietet so die notwendige Struktur, um der sogenannten „Sandbox“, der Möglichkeit des Ausprobierens, einen Rahmen zu geben.

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Internal Angel – Erfolg durch interne Sponsoren
Strategisch werden die Ventures des LIH mit Unterstützung eines „Internal Angels“ vorangetrieben. „Diese Entwicklung ist ein direktes Ergebnis unserer Lernkurve“, sagt Weymar. In der Anfangsphase wurden viele Projekte ohne Rückkopplung zum Mutterkonzern angestoßen – hier waren die Erfolge ambivalent. Heute ist klar: Durch Einbindung interner Stakeholder entstehen tragfähige, skalierbare Ventures. „Internal Angels“ werden aus dem Konzern für Ventures gewonnen und bringen sich als Sparringspartner, Förderer und Türöffner ein. Die internen Sponsoren sorgen auch für Zugang zu Assets, wie beispielsweise dem Newsletter der Lufthansa Group.
Erfolg wird am Impact gemessen
Individuelle KPIs und datenbasierte Erfolgsmessung der betriebenen Ventures sind das Erfolgsgeheimnis des LHI. Die Wirksamkeit der Initiativen wird unter anderem an dem kommerziellen Impact gemessen, der für die Lufthansa Group generiert wird. Dazu zählen inkrementelle Erlöse ebenso wie Kostenreduktionen und Innovationsbeiträge zum Kerngeschäft. Neben dem kommerziellen Impact geht es auch darum, Ausgründungen zu vollziehen: eigenständige GmbHs mit Beteiligung der Lufthansa, die idealerweise das Potenzial haben, sich am Markt durchzusetzen – im besten Fall bis zum Unicorn. Ein Beispiel für eine erfolgreiche Ausgründung ist etwa der Serviceprovider Cosmos. Das Start-up nutzt Technologien wie Machine Learning, um kontinuierliche Serviceverbesserungen voranzutreiben und Verzögerungen, die durch ineffiziente Prozesse verursacht werden, zu beheben. Eine weitere Ausgründung ist SQUAKE, ein Climate-Tech-Start-up, das Unternehmen dabei unterstützt, CO₂-Emissionen in den Bereichen Travel, Logistik und Mobilität automatisiert zu berechnen und klimawirksam zu kompensieren.
Vielfalt der Innovationsvehikel
Strategisch durchdacht und methodisch breit aufgestellt zeigt sich die Innovationslandschaft des Logistikunternehmens DB Schenker. „Wir sehen eine klare Trennung zwischen der Optimierung bestehender Geschäftsmodelle und dem Aufbau neuer, zukunftsweisender Geschäftsfelder“, sagt Tobias Ledermann, Head of Venture Building bei DB Schenker. Entsprechend unterschiedlich sind die Innovationsstrukturen, die zum Einsatz kommen. Im Unterschied zu klassischen Innovationsformaten wie Labs oder internen Venture-Projekten setzt das Venture Studio von DB Schenker bewusst auf einen marktorientierten Aufbau von Geschäftsmodellen.
„Nur was den Markt und insbesondere externe Investoren überzeugt, wird im Venture Studio weiterentwickelt“, erklärt Ledermann. Die Voraussetzung, externe Investor:innen zu gewinnen, verändert den Prozess von Beginn an: Geschäftsmodelle müssen strukturell tragfähig und skalierbar sein. „Man trifft von der ersten Stunde an ganz andere strukturelle Entscheidungen, weil man weiß, man muss gewissen Kriterien entsprechen, um überhaupt eine Chance auf Finanzierung zu haben“, so Ledermann.
Strategieentscheidung Gründerauswahl
Vor diesem Hintergrund werden andere Gründerpersönlichkeiten angesprochen, die den hohen Anforderungen externer Investor:innen gewachsen sind. „Für unsere Ventures kommen ausschließlich Top-Profile infrage“, sagt Tobias Ledermann. Denn nur diese hätten ausreichende Erfolgschancen bei den anstehenden Finanzierungsrunden. Anders als im klassischen Corporate Venture Building halten diese Gründer:innen überwiegend die Mehrheit am Unternehmen. „Damit schaffen wir starke Anreizmodelle und gewinnen attraktive Profile“, betont Ledermann. Von Beginn an werden dadurch unternehmerische Akzente gesetzt, die sich später in einer deutlich höheren Marktfähigkeit niederschlagen.
Und wenn ein Vorhaben diese Anforderungen nicht erfüllt? „Dann greift der Filter sehr früh – und das ist auch richtig so“, so Ledermann, mindestens die Hälfte aller Ventures ändert in der Entwicklungsphase ihre Inhalte, um dann zum Erfolg zu kommen. Beispiele für Ventures aus dem DB Schenker Venture Studio zeigen die Bandbreite und Marktnähe der entwickelten Geschäftsmodelle: Das LogTech-Start-up Northbound verbessert die Steuerung von Containern entlang der Inbound-Logistikkette, insbesondere zwischen Seehäfen und Lagerhäusern, um Transportwege effizienter und transparenter zu gestalten. RELI berücksichtigt „Echtzeit Risiken“ und bietet so innovative, datengetriebene Versicherungslösungen für den Landverkehr. NxtLog, aus der internen Venture Building Einheit, unterstützt Unternehmen bei der aktiven Auswertung, Steuerung und Reduktion ihrer Transportemissionen.
