Hintergrund : Voestalpine startet in Texas mit den ersten Tests

Direktreduktionsanlage Texas
© Voestalpine

Der Bau der riesigen Direktreduktionsanlage der Voestalpine in den USA schreitet zügig voran. "Bei allen wesentlichen Kenndaten liegen wir im Terminplan", sagt Wolfgang Eder, Konzernchef des Linzer Stahlherstellers.

Ein Anlagenbau der Superlative

Die Direktreduktionsanlage ist ein Bau der Superlative: "Ein hochkomplexes Ding auf vier Quadratkilometern", wie es Eder bei einem gemeinsamen Auftritt mit der US-amerikanischen Botschafterin Alexa Wesner in Wien formuliert hat. Der Linzer Konzern schafft in Texas mit einer Investition von 550 Millionen Euro eine Jahreskapazität von zwei Millionen Tonnen heiß brikettierten Eisenschwamms (hot briquetted iron, HBI) - ein Vormaterial für die Stahlproduktion.

Es ist die größte jemals getätigte Investition eines österreichischen Unternehmens und eine der größten Einzelinvestitionen eines ausländischen Unternehmens in den USA. Geplant sind auf dem Areal 150 neue Arbeitsplätze - eine angesichts der enormen Investition überraschend kleine Zahl. Die Mannschaft sei inzwischen nahezu komplett, heißt es bei der Voestalpine. Zugleich beziffert der Konzern die Wertschöpfung - für Texas und für den Zeitraum der kommenden zehn Jahre - mit "bis zu 600 Millionen US-Dollar".

US-Botschafterin Wesner: "Der freundlichste Ort für Investitionen"

Das war sowohl für Präsident Barack Obama als auch für Außenminister John Kerry Grund genug, in ihren Reden namentlich auf das Linzer Unternehmen einzugehen. Als Wolfgang Eder kürzlich in Wien den aktuellen Zwischenstand der Errichtung präsentierte, nahm auch die amerikanische Botschafterin Alexa Wesner daran teil und hielt ein Statement - eine alles andere als gewöhnliche Geste.

Wesner verwies auf die niedrige Arbeitslosigkeit, die Rechtssicherheit und das anhaltende Wachstum ihres Landes - und auch darauf, dass im Vorjahr kein Land der Welt so viele Investitionen aus dem Ausland vorweisen konnte wie die USA: "Wir sind der freundlichste Ort der Welt für Investitionen." Der Besuch von Barack Obama auf der heute beginnenden Hannover Messe und weitere Veranstaltungen wie "InvestUSA" im Juni sollen diese Entwicklung weiter stärken.

Tatsächlich brachte die umstrittene Fördermethode des Fracking den USA billiges Gas und Öl - und leitete eine Kehrtwende in der Jahrzehnte anhaltenden Phase der massiven Deindustrialisierung ein. Seit drei Jahren steigen die Investitionen in die Industrie wieder - allerdings von einem sehr bescheidenen Niveau aus, was beim Jubel über die Reindustrialisierung des Landes selten erwähnt wird. So beträgt der Industrieanteil an der Wertschöpfung in den USA gerade einmal zwölf Prozent. Zum Vergleich: In Österreich erwirtschaftet die Industrie 19 Prozent des BIP, in Deutschland 23 Prozent.

Expansion in den USA - Reduktion der Umsatzanteile in Europa

Der Kurs der Voestalpine steht jedenfalls fest: Weitere Expansion im nordamerikanischen Raum. "Wir werden den sicheren Hafen USA in Zukunft noch stärker nutzen", wie Konzernchef Eder erklärt.

Während die Voestalpine heute 73 Prozent ihres Umsatzes in der Europäischen Union und zehn Prozent in Österreich erwirtschaftet, soll der Anteil in den nächsten drei Jahren auf knapp 60 Prozent sinken. Gleichzeitig wollen die Oberösterreicher dann über 40 Prozent außerhalb Europas umsetzen - und dabei spielt der nordamerikanische Markt eine Schlüsselrolle.

In Kanada, den USA und Mexiko strebt Wolfgang Eder eine Verdreifachung des Konzernumsatzes an, von einer Milliarde Euro heute auf drei Milliarden Euro bis 2020. Bereits jetzt beschäftigt das Unternehmen in Nordamerika 2.860 Mitarbeiter, die meisten davon in den USA. Ob Zufall oder nicht: In der Steiermark hat die Voestalpine soeben 800 Beschäftigte zur Kurzarbeit angemeldet. Der wichtigste Grund dafür sei die aktuelle Flaute des Ölsektors, wie es hieß. Doch man wolle die Beschäftigten auf jeden Fall halten.

Oberösterreicher in Nordamerika breit aufgestellt

In Nordamerika ist die größte Sparte der Voestalpine die Special Steel Division, welche die Ölmultis und die Luftfahrtindustrie beliefert.

Das bisher größte Unternehmen des Konzerns auf dem Kontinent ist Nortrak, mit sieben Standorten und rund 1000 Mitarbeitern Marktführer und mit Abstand größter Anbieter für Weichensysteme und Kreuzungssysteme in Nordamerika.

Und im Bereich Metal Forming Division ist gerade eine große Fabrik für höchstfeste Leichtbau-Karosserieteile in Cartersville im Bau. Ein Teil daraus, nämlich die erste phs-Ultraformanlage, will die Voestalpine jetzt im Juni in Betrieb nehmen.

Doch die Direktreduktionsanlage in Texas wird wohl in Zukunft eine Sonderstellung einnehmen - unter den Standorten wie auch in der Gesamtstrategie. Mehr dazu auf der nächsten Seite.

In diesen Tagen finden auf dem riesigen Areal der Voestalpine im Süden von Texas die letzten Schritte bei der Montage der Anlage statt - Rohrleitungen, Elektrik, Fördertechnik. Bereits jetzt führen Techniker die ersten Tests durch, im Sommer soll dann der erste Hochlauf des neuen Werkes erfolgen. "Wir gehen davon aus, im Verlauf der kommenden Sommermonate mit der Anlage in Betrieb gehen zu können. Ab dem Herbst können wir dann voraussichtlich voll produzieren", sagt Konzernchef Wolfgang Eder.

Wesentlich an der Errichtung der Anlage beteiligt ist die Firma Primetals Technologies. Der in London ansässige Anlagenbauer ist ein Gemeinschaftsunternehmen von Siemens, Mitsubishi Heavy Industries und der japanischen Industriekonzerne Hitachi und IHI Corporation.

Ein eigener Tiefseehafen und der Reduktionsturm als das Herzstück

Das Areal in der Nähe des Ortes Corpus Christi verfügt über einen eigenen Tiefseehafen mit drei riesigen Kränen. Der Kai des Hafens ist schon betriebsbereit. Später soll die Anlage auch mit Meereswasser gekühlt werden. Im Moment wartet die Mannschaft auf das erste Frachtschiff aus Brasilien, das in wenigen Tagen 120.000 Tonnen Erzpellets nach Texas bringen soll. Dieses Material ist für den ersten Probelauf im Sommer bestimmt.

Das Herzstück der gesamten Anlage ist sicher der 137 Meter hohe Reduktionsturm, in dem der Sauerstoffgehalt der Eisenerz-Pellets mittels Erdgas zu Eisenschwamm reduziert und dann zum heiß brikettierten Eisenschwamm verdichtet wird. Diese Briketts (hot briquetted iron, HBI) sind das zentrale Vormaterial für die Stahlproduktion, und bei ihrer Herstellung wird Erdgas anstatt Koks verwendet. "Wir transferieren also den energieintensiven Teil nach Texas", erklärt Eder.

Die wichtigsten Gründe für den Bau haben mit Europas Wirtschaftspolitik nichts zu tun

Dabei profitiert die Voest vor allem vom billigen Fracking-Gas und der Nähe zu großen Abnehmern in Nordamerika. Auch die relative Nähe zum Erzlieferanten Brasilien, der über den Seeweg erreichbar ist, ist von zentraler Bedeutung.

Dies sind die entscheidenden Gründe für die riesige Investition der Voestalpine in Texas. Auch wenn Wolfgang Eder zur Begründung immer wieder die von der Politik verursachten Nachteile Europas und vor allem Österreichs anführt - der wichtigste Faktor für den Schritt nach Texas hat mit der Standortpolitik Europas nichts zu tun. Denn Fracking ist in Europa wegen der völlig unterschiedlichen Geologie niemals im selben Umfang machbar wie in Nordamerika. Abgesehen davon, dass die Prärien des Mittleren Westens etwas anders besiedelt sind als die Landstriche an der Donau oder am Niederrhein.

Großteil der geplanten HBI-Produktion ist schon jetzt verplant

Allerdings betont die Voestalpine, dass die Produktion von HBI dezidiert die heimischen Standorte stärken wird. So ist die Anlage auf eine Jahreskapazität von zwei Millionen Tonnen HBI ausgelegt. Davon werden künftig rund 800.000 Tonnen, also 40 Prozent, an die österreichischen Produktionsstandorte in Linz und Donawitz verschifft.

Der Rest geht in den internationalen Verkauf - und den größten Teil davon hat die Voestalpine schon jetzt vergeben. So bekamen die Oberösterreicher erst vor wenigen Tagen mit dem mexikanischen Stahlhersteller Tyasa wieder einen Großkunden, der für mehrere Jahre hunderttausende Tonnen Eisenschwamm geordert hat. Damit sind laut Unternehmensangaben insgesamt rund 80 Prozent der künftigen Produktionskapazität von Eisenschwamm schon vor der Inbetriebnahme vergeben. ////

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