Arbeitsplatzevaluierung : Unternehmen unter Zugzwang

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© olly - Fotolia

Die Dame kommt, um zu bleiben. In den nächsten Wochen wird eine Arbeitspsychologin beim Kugellagerhersteller SKF in Steyr damit beginnen, die Arbeitsbedingungen ganz genau unter die Lupe zu nehmen. Im Fokus der Mitarbeitergespräche: mögliche Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit der Mitarbeiter. Nicht, dass ein Job bei SKF emotional belastender wäre als anderswo. Eher im Gegenteil: Wie in vielen großen Industriebetrieben Österreichs wird der psychische Aspekt bei den Steyrern längst als Teil der Mitarbeitergesundheit verstanden. Dementsprechend ist der Arbeitsauftrag der Psychologin auch kein Schnellschuss. Sie soll sich in einem Testbereich des Unternehmens sukzessive eine Gesamtsicht verschaffen, „und wenn es sich bewährt, dann rollen wir die Methodik auf das gesamte Unternehmen aus“, erklärt HR-Manager Gerald Traunmüller.

„Schwarz auf Weiß“

Mit der Novellierung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) wurde erstmals klar definiert, dass auch der Aspekt der psychischen Belastung ein Teil der Arbeitnehmergesundheit ist. Das war zwar schon immer so gemeint – doch vielen Unternehmen war es offenbar nicht klar genug. Für große Unternehmen wie SKF ändert dies wenig. In diesen Sphären müssen die HR-Abteilungen meist nur das schon lange gepflegte Procedere an die neuen Anforderungen adaptieren. Ziemlich dunkel dürfte es jedoch im Bereich der KMU aussehen. In vielen Unternehmen ist schon die Arbeitsplatzevaluierung hinsichtlich physischer Aspekte ungenügend – von psychischen Belastungen ganz zu schweigen. „Manche Firmen wollen wohl gar nicht so genau wissen, welche Maßnahmen nötig wären“, vermutet SKF-Mann Gerald Traunmüller. „Mit der Evaluierung bekommen sie es jetzt Schwarz auf Weiß.“

„Jeder konnte es wissen“

Ein entsprechender Leitfaden von Ministerium, Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung erging bereits im vergangenen August an die heimischen Firmen – „Jeder konnte es also wissen“, kommentiert Arbeitsrechtsexpertin Ingrid Korenjak von der Kanzlei Doralt Seist Csoklich (DSC). „Jetzt darauf zu hoffen, die Arbeitsinspektoren würden dem Unternehmen schon erklären, was zu tun sei, ist keine gute Idee. Das Arbeitsinspektorat ist kein Beratungsgremium für die inhaltliche Gestaltung dieser Konzepte.“ Bei Verstößen gegen das Gesetz drohen Verwaltungsstrafen, die im Wiederholungsfall zu höheren Strafen führen.

Den Aspekt der Strafe will Elsbeth Huber, Abteilungsleiterin im Arbeitsinspektorat, nicht im Vordergrund sehen. „Wir sind im Rahmen unserer Besichtigungen auch in der Beratung stärker geworden“, sagt sie gegenüber INDUSTRIEMAGAZIN. „Uns ist natürlich klar, dass man bei diesem Thema nicht von heute auf morgen etwas verändern kann – hier geht es nicht um Sofortmaßnahmen, sondern um Konzepte.“

Konzepte, die im Idealfall über das Erfordernis des ASchG hinausgehen. In der Steel Division der Voestalpine etwa laufen schon lange Projekte zur Verbesserung der psychosozialen Belastungen, wie Unternehmenssprecher Peter Felsbach erzählt: In Kooperation mit dem Arbeitsinspektorat entwickelte das Unternehmen einen Evaluierungsprozess, der nicht nur die gesetzlichen Vorgaben erfüllt, sondern auch mit einer unternehmensinternen Initiative verzahnt ist, die ursprünglich auf die Burnout-Prophylaxe abzielte. Qualifizierter Input. Genau dieser Ansatz könnte der Hebel sein, zögernden Unternehmen das Thema schmackhaft zu machen, meint Herbert Kling, Geschäftsführer des Online-Marktforschungsinstituts Meinungsraum.at: „Für den Arbeitgeber bedeutet die Arbeitsplatzevaluierung auch die Möglichkeit, einen qualifizierten Input zu erhalten, etwa bezüglich überflüssiger Arbeitsabläufe – die ja per definitionem zu psychischen Belastungen führen können.“ Darüber hinaus könne man die ohnehin notwendige Evaluierung mit einer Mitarbeiterbefragung kombinieren und somit aus der rechtlichen Not eine betriebswirtschaftliche Tugend machen.

Mittelweg

Interessanterweise drehte sich die Debatte in den vergangenen Wochen und Monaten vor allem um das Instrumentarium der Evaluation. Arbeitsmedizinerin Elsbeth Huber bedauert, dass dadurch der eigentliche Sinn der Gesetzesnovelle teilweise in den Hintergrund zu geraten drohte.

Das ASchG definiert zwar anhand einer ÖNORM, welche Messverfahren im Rahmen der Arbeitsplatzevaluierung zum Einsatz kommen dürfen – und schließt damit „selbstgestrickte“ Befragungen aus –, doch es bleibt immer noch eine breite Palette an standardisierten schriftlichen Befragungen, Gruppengesprächen, Einzelinterviews, Beobachtungsverfahren und anderen. Dass dabei ein Mittelweg gefunden werden muss, liegt auf der Hand: „Einerseits muss die Evaluierung so gestaltet werden, dass die Anonymität gewahrt bleibt, andererseits sollen aus den Ergebnissen ja konkrete Maßnahmen ableitbar sein“, schildert Gerald Traunmüller das Dilemma.

Kommunikationsprojekt

Doch abseits der Methodenfrage: „Eine solche Befragung ist ein Kommunikationsprojekt“, sagt Kling. „Es muss frühzeitig und umfassend kommuniziert werden: Warum geschieht es? Was passiert mit den Daten? Ist die Anonymität gesichert? Und welche Maßnahmen sind denkbar?“

Kommunikation scheint jedoch nicht nur innerbetrieblich schwierig. „Das Jahr 2013 war zwar reich an Veranstaltungen, aber ziemlich arm an Informationen“, bemängelt Gerald Traunmüller, „und ich habe vor allem den Eindruck, dass die einzelnen Arbeitsinspektoren noch unterschiedliche Ansichten über Details des Evaluierungsprozesses vertreten.“