Konzernführung : Siemens: Aufsichtsrat stürzt Konzernchef Peter Löscher
Nach einer heißen Schlacht muss sich Siemens-Chef Peter Löscher geschlagen geben und seinen Posten räumen. Die Entscheidung hinterlässt einen gewaltigen Scherbenhaufen, den Löschers Nachfolger nun beiseiteräumen muss. Nach aller Voraussicht wird der gewiefte Finanzvorstand Joe Kaeser diese schwierige Aufgabe übernehmen. Ein Neuanfang ist das zwar nicht. Aber eine pragmatische Lösung, mit der nach dem Chaos der vergangenen Tage und Wochen wieder Ruhe ins Unternehmen gebracht werden soll. Die Aufsichtsräte dürften deshalb kaum eine andere Wahl gehabt haben. Hier eine Zeitleiste mit Löschers bisher größten Erfolgen und Schwierigkeiten als Siemens-Chef. Cromme und Aufsichtsrat auf Rauswurf verständigt Hinter dem Kontrollgremium liegen hitzige Debatten am heißesten Wochenende des Jahres. Nach Marathon-Beratungen, bei denen es Hin und Her gegangen sein soll, verständigten sich die Aufseher am späten Samstagabend schließlich mehrheitlich auf den Rauswurf Löschers und Kaeser als neuen starken Mann an der Siemens-Spitze. Die Fäden hielt dem Vernehmen nach dabei Siemens-Chefaufseher Gerhard Cromme in der Hand, der Löscher selbst einst zu Siemens geholt hatte und lange Zeit als sein wichtigster Fürsprecher galt. Er sei mit dem klaren Willen nach München gereist, den gebürtigen Villacher zum Rücktritt zu zwingen, so die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung". Machtgerangel im Vorstand Für Cromme, der seit seinem Rückzug vom Aufsichtsrats-Chefposten beim Stahlkonzern ThyssenKrupp selbst als geschwächt gilt, dürfte es auch um das eigene Renommee gegangen sein. Als oberster Siemens-Aufseher ist er verpflichtet, Schaden von dem Konzern abzuwenden. Das fiel zuletzt ohnehin schwer: Wieder und wieder war von Pleiten, Pech und Pannen bei Siemens, von einem Machtgerangel im Vorstand und kassierten Gewinnzielen zu lesen. Deshalb musste Cromme nun die Reißleine ziehen. Siemens setzt wieder auf einen "Siemensianer" In der Not setzt der Aufsichtsrat nun wieder auf ein Eigengewächs an der Konzern-Spitze: Finanzvorstand Joe Kaeser wird auf vielen Baustellen wirbeln müssen, um wieder Ruhe in das Unternehmen mit seinen weltweit 370.000 Beschäftigten zu bringen. Dabei dürfte er deutlich mehr Rückhalt haben, als der Kärntner Löscher, der als erster Manager von außen 2007 auf den Siemens-Chefposten gekommen war und mit Siemens nie richtig warm geworden sein soll. Hier ein Portrait des Topmanagers Löscher.Rasch muss Kaeser nun dafür sorgen, dass teure Probleme-Projekte wie die Verzögerungen bei der Anbindung von Nordsee-Windparks und die verspätete Lieferung von ICE-Zügen an die Deutsche Bahn in die Spur kommen und nicht länger wie Mühlsteine auf den Bilanzen des Konzerns lasten.Aber auch das Milliarden-Sparprogramm "Siemens 2014" hängt nun in der Luft: Verknüpft war damit das Gewinnziel fürs kommende Jahr, dessen Streichung am vergangenen Donnerstag jetzt zu Löschers Rauswurf geführt hatte. Kaeser, so berichtet die "Börsen-Zeitung", habe schon vor Monaten vor Defiziten des Programms gewarnt. Als neuer Chef wird er also wohl nachsteuern müssen. Zumal er von der Konjunktur derzeit keine große Hilfe erwarten kann. Siemens überprüft sein China-GeschäftIn wichtigen Märkten wie China verlangsamt sich das Wachstum derzeit. Deshalb stehe das China-Geschäft von Siemens jetzt auf dem Prüfstand, berichtete die "WirtschaftsWoche" vorab. Siemens will sich dazu - wie zu so vielen Themen an diesem heißen Wochenende - nicht äußern.Besiegelt wird der Umbruch an der Siemens-Führungsspitze am kommenden Mittwoch (31. Juli), wenn der Aufsichtsrat bei seiner nächsten regulären Sitzung die Personalien beschließen will. Gleich am Folgetag muss Kaeser dann wieder ausrücken: Dann steht die Vorlage der Quartalszahlen an, die nach Medienberichten durchwachsen ausgefallen werden. (dpa-AFX/APA/pm) Nächste Seite: Die aktuellen Probleme und Baustellen bei Siemens >>
Mit der Lieferung von ICE-Zügen an die Deutsche Bahn ist Siemens seit langem in Verzug. Das Projekt hakt an der Zulassung durch die Behörden. Verzögerungen bei der Anbindung von Windparks in der Nordsee kosten Siemens seit gut eineinhalb Jahren viel Geld. Siemens hatte die Belastungen in den vergangenen gut eineinhalb Jahren zuletzt auf gut 680 Millionen Euro beziffert. Der Ausflug ins Solargeschäft mit der Übernahme des israelischen Solarunternehmens Solel endet verlustreich. Siemens muss die Sparte schließen. Auch von der Konjunktur bekommt Siemens derzeit keinen Rückenwind. So bereitet das nachlassende Wachstum in wichtigen Schwellenländern wie China dem Unternehmen Sorgen. Mit dem Milliarden-Sparprogramm "Siemens 2014" wollte der Konzern wieder auf Kurs kommen. Doch nun lässt sich die darin vorgesehene Zielrendite von mindestens zwölf Prozent im operativen Geschäft nicht mehr erreichen, wie der scheidende Konzernchef Peter Löscher kürzlich bestätigte. (dpa/apa/pm)