Nach der drohenden Insolvenz : Varta am Scheideweg: Gläubiger entscheiden über Schicksal des Batterieherstellers

Varta-Werk im deutschen Ellwangen

Varta-Zentrale im deutschen Ellwangen

- © Wikipedia

Der schwäbische Batteriehersteller Varta befindet sich laut Insidern weiterhin in schwierigen Verhandlungen mit einigen seiner Gläubiger über Anpassungen seines Sanierungsplans. Ein Teil der Schuldscheingläubiger hat Nachbesserungen zu ihren Gunsten gefordert, woraufhin Varta bereits zweimal Änderungen am Konzept vorgenommen hat, so berichteten zwei mit der Angelegenheit vertraute Personen gegenüber Reuters am Freitag.

>>> Varta-Sanierung: Porsche und Tojner setzen auf radikalen Schuldenschnitt

Jetzt liegt es an den Gläubigern: Sie haben bis Montag Zeit, dem angepassten Vorschlag zuzustimmen, erklärte einer der Insider. Varta selbst wollte sich zu den laufenden Verhandlungen nicht äußern.

Nie mehr die wichtigsten News aus Österreichs Industrie verpassen? Abonnieren Sie unser Daily Briefing: Was in der Industrie wichtig wird. Täglich um 7 Uhr in Ihrer Inbox. Hier geht’s zur Anmeldung!

Ist das Sanierungsverfahren gefährdet?

Sollten die Gläubiger den Vorschlag ablehnen, könnte dies das Sanierungsverfahren von Varta nach dem StaRUG-Gesetz, das eine Restrukturierung vor einer möglichen Insolvenz ermöglicht, gefährden. Um dies zu vermeiden, soll ein Überbrückungskredit helfen, erklärte ein Insider.

>>> Varta-Rettung: Michael Tojner macht Ex-Vorstand verantwortlich und lehnt Hedgefonds-Plan ab

Die Schuldscheindarlehen-Gläubiger, die mit einem Gesamtvolumen von 250 Millionen Euro die größte Gruppe bilden, spielen eine zentrale Rolle in diesen Verhandlungen. Zu ihnen gehören auch britische Hedgefonds wie der als besonders aggressiv bekannte Whitebox. Im Rahmen des neuen Vorschlags müssten diese Gläubiger auf weniger Geld verzichten, was jedoch dazu führen würde, dass Varta mit einer höheren Schuldenlast zurückbleibt als ursprünglich mit Banken und einem Teil der Gläubiger vereinbart. Bei einem späteren Verkauf von Varta könnten sie jedoch finanziell profitieren, wenn sie bereit sind, zusätzliches Fremdkapital bereitzustellen. Die Aktionäre hingegen würden wie geplant leer ausgehen.

Varta, dessen Hauptsitz in Ellwangen liegt, geriet durch einen riskanten Expansionskurs und fehlgeschlagene Investitionen in Schwierigkeiten und musste in das StaRUG-Verfahren einsteigen. Mitte August wurde nach langen Verhandlungen eine Einigung erzielt: Der Sportwagenhersteller Porsche und der Varta-Großaktionär Michael Tojner stellen gemeinsam 60 Millionen Euro an frischem Kapital bereit. Im Gegenzug sollen die Gläubiger auf mehr als die Hälfte ihrer Forderungen verzichten. Es ist auch möglich, dass später ein dritter Investor hinzukommt.

Sicherung der Finanzierung bis 2027 angestrebt

Wenn das Sanierungskonzept wie geplant umgesetzt wird, soll die Finanzierung von Varta bis Ende 2027 gesichert sein. Nach der Durchführung aller Kapitalmaßnahmen werden MT InvestCo und Porsche jeweils 32 Prozent der Anteile an Varta besitzen, während die übrigen Investoren gemeinsam 36 Prozent halten. Laut Mitteilung werden die Anteile zunächst rechtlich gleichmäßig von MT InvestCo und Porsche gehalten, „wobei bei der Ausgestaltung darauf geachtet würde, dass weder MT InvestCo noch Porsche noch beide gemeinsam die Kontrolle hätten.“

Porsche hatte bereits zuvor bekannt gegeben, dass es die Mehrheit an Vartas Tochtergesellschaft V4Drive Battery übernehmen möchte. Gleichzeitig erklärte sich Porsche bereit, „mit weiteren Partnern“ an der finanziellen Neuausrichtung der Varta AG mitzuwirken und plant, 30 Millionen Euro zu investieren. In der V4Drive Battery konzentriert Varta sein Geschäft auf großformatige Lithium-Ionen-Rundzellen, die unter anderem im Hybridantrieb des Porsche 911 Carrera GTS zum Einsatz kommen.

Bisheriges Umstrukturierungskonzept reicht nicht aus

Ein Unternehmenssprecher stellte auf Anfrage klar, dass in der Verwaltung vermutlich ein moderater Stellenabbau erfolgen wird. Im Gegensatz dazu werden im gewerblichen Bereich weiterhin neue Mitarbeiter gesucht. Wie sich dies insgesamt auf die Belegschaft auswirken wird, ist derzeit noch unklar. Bereits im Frühjahr 2023 hatte Varta im Rahmen eines Sparprogramms angekündigt, weltweit etwa 800 Stellen abzubauen, davon etwa 390 in Deutschland.

>>> Cyberangriff bei Varta: Produktion noch immer gelähmt

Der Batteriehersteller befindet sich schon seit einiger Zeit in einer schwierigen Lage. Die Nachfrage nach Lithium-Ionen-Knopfzellen, die unter anderem in Kopfhörern zum Einsatz kommen, ist stark schwankend. Darüber hinaus hat Varta mit intensiver Konkurrenz aus China und anhaltenden Lieferkettenproblemen zu kämpfen. Im Februar wurde das Unternehmen Opfer eines Hackerangriffs, der die Computersysteme lahmlegte und über Wochen hinweg die Produktion beeinträchtigte. Im April musste Varta einräumen, dass das bisherige Umstrukturierungskonzept nicht ausreicht, um das Unternehmen bis Ende 2026 wieder auf einen profitablen Kurs zu bringen. Im Juni senkte Varta aufgrund der anhaltend schwachen Nachfrage seine Umsatzerwartungen für 2024. Der Umsatz für dieses Jahr wird nun zwischen 820 und 870 Millionen Euro erwartet, während zuvor mindestens 900 Millionen Euro prognostiziert wurden.

In den ersten neun Monaten des Jahres 2023 erwirtschaftete Varta rund 554 Millionen Euro Umsatz. Aufgrund des Hackerangriffs sind aktuellere Geschäftszahlen derzeit nicht verfügbar. Ergebnisse für das erste Quartal 2024 werden am 30. August erwartet, während der Geschäftsbericht für das Jahr 2023 Ende Oktober veröffentlicht werden soll.

Varta ist längst kein Wachstums- sondern ein Sanierungsfall. Nach dem wirtschaftlichen Höhenflug der 2010er Jahre geht es bei Varta derzeit bergab. Die Cash Cow Apple hat sich bei den Airpods um eine Diversifizierung der Lieferantenquelle umgesehen und im September 2022 wurde klar, dass für die zweite Generation der Airpods Pro der koreanische Hersteller Samsung‬ an Bord ist. Das Problem für Varta: Abseits von den Spitzenlösungen, bewegt sich Varta im Mikrobatteriebereich auf einem chinesisch dominierten Markt mit niedrigen Margen und hohem Wettbewerb. Auch das Zukunftsgeschäft Elektromobilität war für Varta wenig zukunftsträchtig: Die Bauarbeiten einer am Hauptstandort geplanten Fabrik für die schnell ladbaren Batterypacks V4 Drive wurde Ende 2022 gestoppt