KV-Verhandlungen 2025 : Teuer, teurer, Österreich: Industrie warnt vor Lohnspirale

2021 wurden in Österreich 7,88 Millionen Tonnen Rohstahl erzeugt. Das war ein Anstieg von über einer Million im Vergleich zum Vorjahr.

Funkenflug unter Kostendruck: Die Industrie kämpft mit steigenden Lohn- und Energiekosten.

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Die Uhren ticken: In wenigen Wochen starten die Kollektivvertragsverhandlungen im Metallerbereich – und selten zuvor war die Ausgangslage so angespannt. Auf der einen Seite stehen Beschäftigte, die ihre Kaufkraft sichern wollen. Auf der anderen Seite Unternehmen, die unter massiv gestiegenen Kosten ächzen und ihre Wettbewerbsfähigkeit bedroht sehen. Österreich hat im internationalen Vergleich längst die höchsten Lohnstückkosten, die Inflation liegt über jener der Nachbarn – und die Geduld in den Chefetagen wird spürbar dünner. Das Industriemagazin hat führende Stimmen aus der Industrie eingefangen: Ihre Botschaft ist eindeutig – ohne Kurswechsel droht der Standort aus dem Gleichgewicht zu geraten.

Schwarzl: „Mehrere Nullrunden wären notwendig“

Helmut Schwarzl in seiner Funktion als Spartenobmann der Industrie in der Wirtschaftskammer Niederösterreich, warnt vor überzogenen Lohnforderungen. „Eigentlich wären mehrere Jahre mit Nullrunden notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen“, betont Schwarzl. Österreich sei im internationalen Vergleich längst „zurückgefallen“: Die Lohnkosten seien im Vergleich zu Deutschland und Italien massiv gestiegen, die heimische Industrie liege inzwischen sogar an der Spitze bei den Lohnstückkosten. Zwar sei klar, dass Nullrunden in der Realität schwer durchsetzbar seien, doch jeder weitere Spielraum bei den Gehältern werde kritisch. „Die Inflation bekommen wir so nicht in den Griff – die Lohn-Preis-Spirale wirkt längst mit voller Wucht“, erklärt Schwarzl. Ein Großteil der Teuerung sei inzwischen hausgemacht, vor allem in den dienstleistungsnahen Bereichen, wo die Kostensteigerungen direkt lohngetrieben seien. Während die Inflation in Deutschland und Italien bereits unter Kontrolle sei, liege Österreich weiterhin deutlich darüber.

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Spartenobmann Schwarzl: "Nullrunden wären nötig, um die Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen." - © Josef Bollwein | www.flashface.com

VDMA Österreich: „Ein Teufelskreis steigender Kosten“

Auch für den VDMA Österreich ist die Entwicklung der Lohnkosten längst mehr als eine kurzfristige Herausforderung, sie wird zur strukturellen Gefahr. „Wir drehen uns in einem Teufelskreis aus steigenden Kosten, sinkender Wettbewerbsfähigkeit und dem Druck zur Verlagerung“, warnt Rudolf Vogl. Investitionen in Automatisierung könnten die Spirale zwar eine Zeit lang abfedern, doch die Rechnung sei klar: Je teurer der Standort werde, desto leichter falle es Konzernen, Arbeitspakete in Länder mit geringeren Kosten zu verschieben. Vogl sieht darin ein alarmierendes Signal für die gesamte Industrie – denn ohne Kurswechsel drohe Österreichs industrielle Basis schleichend erodiert zu werden.

Rudolf Vogl, Vorstandsmitglied VDMA Österreich, warnt vor einem Teufelskreis aus steigenden Kosten.

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Blum: Optimistisch trotz steigender Kosten

Trotz aller Widrigkeiten bleibt Blum optimistisch – und bemüht sich, in den Debatten rund um Standortkosten und Regulierung einen sachlichen Ton beizubehalten. Der Vorarlberger Unternehmer verweist darauf, dass sein Betrieb mit Anpassungen über natürliche Fluktuation und enger Zusammenarbeit mit Lieferanten bislang ohne harte Einschnitte ausgekommen ist. Gleichzeitig macht er keinen Hehl daraus, dass steigende Rohstoffpreise, massiv höhere Lohnkosten und zusätzliche bürokratische Auflagen den Spielraum zunehmend einschränken. Besonders kritisch sieht er, dass außereuropäische Wettbewerber von dieser Regulierungspflicht ausgenommen sind und damit einen Kostenvorteil genießen. „Wir brauchen faktenbasierte, gute Lösungen – auf europäischer wie nationaler Ebene“, betont Blum. Populismus und klassenkämpferische Töne seien Gift für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und für die Tradition der Sozialpartnerschaft, die Österreich bislang stark gemacht habe. „Ohne die EU können wir morgen gleich zusperren“, mahnt er.

"Wir werden auch noch übermorgen hier sein." Philipp Blum, geschäftsführender Gesellschafter Blum

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HAI: Sorge vor neuen Belastungen in KV-Verhandlungen

Beim Aluminiumhalbzeugehersteller HAI spürt man die Belastungen der letzten Jahre deutlich: 250 Stellen, davon 100 im Innviertel, mussten abgebaut werden. Zwar hat die Diversifizierung in vielen Märkten geholfen, doch die massiv gestiegenen Lohnkosten setzen das Unternehmen zusätzlich unter Druck. Gerade im Hinblick auf die kommenden KV-Verhandlungen gilt die Sorge, dass weitere Kostensteigerungen die ohnehin schmalen Margen weiter aushöhlen. Viele Betriebe arbeiten derzeit noch Aufträge ab, die mit deutlich niedrigeren Inflationsannahmen kalkuliert wurden – ein strukturelles Problem für die gesamte Industrie. Klar ist: Ohne Entlastung bei den Kosten wird es für die Branche immer schwieriger, die Wettbewerbsfähigkeit zu halten und zugleich in Innovationen wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit zu investieren.

"Wir haben 17 Prozent Teuerung an der Backe." Rob van Gils, CEO HAI

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Kaum Spielraum bei den Kollektivvertrags-Verhandlungen

Ob Schwarzl, Vogl, Blum oder van Gils – in allen Stimmen schwingt die gleiche Sorge mit: Die steigenden Lohnkosten gefährden Österreichs industrielle Wettbewerbsfähigkeit. Die kommenden KV-Verhandlungen werden damit zur Nagelprobe für die Sozialpartnerschaft. Zwischen dem legitimen Anspruch auf Kaufkraftsicherung und der wirtschaftlichen Realität der Betriebe gilt es nun, eine Balance zu finden, die den Standort nicht weiter schwächt, sondern seine Zukunft sichert.