Industrieproduktion : Produktion fällt auf Corona-Niveau - Industrieflaute in Deutschland verschärft sich

Kuka Robioter in Produktionshalle

Die europäische Industrie steckt in der Krise – besonders hart trifft es die Autoindustrie, die unter Absatzrückgängen, Lieferkettenproblemen und dem neuen Zollregime leidet.

- © Kuka

Die Sorge vor einer anhaltenden wirtschaftlichen Schwäche beim wichtigsten Handelspartner Österreichs, Deutschland, wächst. Im Juni schrumpfte die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe um 1,9 Prozent gegenüber dem Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte. Damit fiel der Ausstoß auf das niedrigste Niveau seit Beginn der Corona-Pandemie – vor mehr als fünf Jahren.

Zwar legten die Exporte im Juni überraschend um 0,8 Prozent zu, gestützt durch höhere Nachfrage aus der EU und China. Doch diese Erholung reichte bei weitem nicht aus, um das kräftige Importplus von 4,2 Prozent auszugleichen. Der Außenhandel bleibt damit eine Belastung für Europas größte Volkswirtschaft – anstatt wie gewohnt als Wachstumsmotor zu wirken.

Noch düsterer fällt der Blick auf die Industrie aus: „Angesichts der schwachen Auftragseingänge gibt es keinen Grund zur Hoffnung, dass die Industrie nach zwei Jahren Rezession bald aus der Flaute kommt“, warnt DIHK-Konjunkturexperte Jupp Zenzen. Im zweiten Quartal 2025 schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt nach einem positiven Jahresauftakt um 0,1 Prozent.

Ein Ende der Abwärtsdynamik ist nicht in Sicht: Das Neugeschäft der Industrie sank im Juni erneut – um 1,0 Prozent, und damit bereits den zweiten Monat in Folge. Viele Ökonomen schließen nun nicht mehr aus, dass Deutschland erneut in eine technische Rezession rutscht – mit spürbaren Folgen für die gesamte europäische Wirtschaft.

Industrieflaute, Exportdruck, Rüstungsboom: In unserem Daily Briefing erfahren Sie werktäglich, wie sich Europas Schlüsselindustrien unter geopolitischem Druck neu sortieren – von Stahl bis Waffen, von Auto bis Hightech.

US-Zölle setzen deutscher Exportwirtschaft weiter zu – Experten warnen vor langfristiger Schwäche

Die ohnehin angespannte Lage der deutschen Industrie dürfte sich durch die neuen US-Zölle weiter verschärfen. Seit Donnerstag gelten auf EU-Exporte in die USA Abgaben von 15 Prozent, zuvor lag der Satz noch bei zehn Prozent – vor Trumps Amtsantritt sogar im unteren einstelligen Bereich.

„Mit den aktuellen Zöllen dürfte es nun nicht besser werden“, kommentiert Ökonom Jens-Oliver Niklasch von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Zwar blieben die USA im Juni wichtigster Absatzmarkt deutscher Exporteure, doch der Trend zeigt klar nach unten: Die Ausfuhren in die Vereinigten Staaten sanken um 2,1 Prozent auf 11,8 Milliarden Euro – der dritte Rückgang in Folge und der niedrigste Wert seit Februar 2022, wie das Statistische Bundesamt mitteilte.

Ein Teil der bisherigen Nachfrage war offenbar vorgezogen worden – aus Angst vor höheren Zöllen. Doch dieser Effekt verpufft nun. Für die kommenden Monate und Jahre rechnen Volkswirte mit deutlich stärkeren Bremsspuren im US-Geschäft.

„Wichtiger ist die wahrscheinliche langfristige Schwäche des US-Geschäfts“, warnt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Seine Prognose: Die preisbereinigten Exporte in die USA könnten innerhalb von zwei Jahren um 20 bis 25 Prozent einbrechen – mit potenziell spürbaren Folgen für viele deutsche Industrieunternehmen.

>>> Unser US-Zölle-Ticker 2025 hält Sie über Handelskonflikte, neue Abgaben und die Folgen für Europas Wirtschaft auf dem Laufenden

US-Zölle, starker Euro, schwacher Konsum: Mittelstand warnt vor Exportkrise

Deutschlands Hidden Champions geraten unter Druck: Der deutsche Mittelstand – lange Rückgrat des Exportbooms – könnte laut Experten zu den Hauptverlierern der neuen US-Zölle zählen. „Der deutsche Mittelstand könnte ein Opfer der US-Zölle werden“, warnt ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski.

Gerade kleine und spezialisierte Unternehmen, oft weltweit führend in Nischenmärkten, haben im Vergleich zu Großkonzernen weniger Spielraum, ihre Produktion ins Ausland zu verlagern.

Hinzu kommt eine weitere Belastung: Der Euro hat gegenüber vielen wichtigen Währungen zugelegt – nicht nur gegenüber dem US-Dollar. Das verteuert deutsche Produkte zusätzlich und macht sie auf dem Weltmarkt weniger wettbewerbsfähig.

„Daher erscheint es höchst unwahrscheinlich, dass der Export bald wieder ein wesentlicher Wachstumstreiber für die deutsche Wirtschaft sein könnte“, sagt Brzeski.

Da auch der Binnenkonsum weiter schwächelt, ruhen viele Hoffnungen nun auf der Politik. Doch selbst hier dämpfen Ökonomen die Erwartungen. Zwar plant die Bundesregierung milliardenschwere Investitionen, doch deren Wirkung wird frühestens 2026 erwartet.

Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer rechnet für das kommende Jahr mit einem BIP-Wachstum von 1,4 Prozent – „aber nur, weil die Bundesregierung ihre Ausgaben massiv erhöhen wird, ohne allerdings einen Neustart in der Wirtschaftspolitik zu wagen“, so Krämer. Für 2025 erwarten Expert:innen maximal ein Mini-Wachstum, nachdem die Wirtschaft 2023 und 2024 bereits geschrumpft ist.

Die sinkende Industrieproduktion im Juni unterstreicht die aktuelle Schwäche: Besonders stark war der Rückgang im Maschinenbau (-5,3 %), in der Pharmaindustrie (-11,0 %) und in der Nahrungsmittelbranche (-6,3 %). Lediglich Energieerzeugung (+3,1 %) und Bauproduktion (+0,7 %) konnten leicht zulegen.

>>> Schaeffler unter Strom – und Druck: Der Autozulieferer rutscht in die Verlustzone, streicht Jobs und treibt den Umbau voran.

Wirtschaftsministerium sieht Zolleffekt – Industrie spürt Nachwehen früherer Vorziehexporte

Auch das deutsche Wirtschaftsministerium sieht die aktuelle Schwäche der Industrieproduktion im Kontext der jüngsten Handelsentwicklungen:

„Die schwache Entwicklung der Industrieproduktion im zweiten Quartal dürfte teilweise Ausdruck einer Gegenbewegung zu den Vorzieheffekten im Zusammenhang mit den angekündigten Zollerhöhungen sein,“ erklärte das Ministerium am Donnerstag in Berlin.

Die Aussicht auf höhere US-Zölle habe zum Jahresbeginn vermehrt Vorziehexporte ausgelöst, was die Zahlen kurzfristig gestützt habe. Nun jedoch fehlen diese Sondereffekte, insbesondere im exportintensiven produzierenden Gewerbe – und die tatsächliche Lage zeigt sich in aller Deutlichkeit: gedämpft, schwach, orientierungslos.

Deutschlands Schwäche trifft auch Österreich – indirekt, aber spürbar

Für Österreich bleibt die Konjunkturabkühlung in Deutschland nicht ohne Folgen. Als mit Abstand wichtigster Handelspartner ist die Bundesrepublik zentral für heimische Exporte, insbesondere im Maschinenbau, in der Metallverarbeitung und bei Zulieferungen für die Automobilindustrie.

Wenn in Deutschland die Industrieproduktion sinkt, Vorzieheffekte verpuffen und Zölle das US-Geschäft belasten, trifft das auch viele österreichische Betriebe, die tief in grenzüberschreitende Wertschöpfungsketten eingebunden sind.

Zudem verstärken die sinkende Nachfrage und die Währungsentwicklung den Druck auf die Exportpreise – eine Belastung vor allem für den stark exportorientierten Mittelstand. Mittelständler in Oberösterreich, der Steiermark oder Tirol, die bisher vom globalen Handel profitiert haben, stehen zunehmend unter Druck.

Kurzfristig dürften auch österreichische Industrieaufträge unter dem schwachen Ausblick für Deutschland und den USA leiden. Ein echter konjunktureller Aufschwung im Inland wird damit umso wichtiger – doch dieser lässt bisher auf sich warten.

>>> Voestalpine unter Druck: Gewinnrückgang, US-Zölle und Energiepreise setzen dem Stahlriesen zu – nun drohen auch Personalmaßnahmen.