Porträt IT:U : IT:U: Die Kunst der Transformation

RITA ? Extended Reality Lab: Im Lernlabor für Extended Reality ?Rita? lernen Studierende, virtuelle Welten zu entwerfen und auf unterschiedlichen Geräten darzustellen. Copyright: IT:U

RITA – Extended Reality Lab: Im Lernlabor für Extended Reality „Rita“ lernen Studierende, virtuelle Welten zu entwerfen und auf unterschiedlichen Geräten darzustellen.

- © Martin Dörsch

Abseits vom gewöhnlichen akademischen Betrieb werden hier neue Wege beschritten. Den digitalen Standort Österreich von einer bescheidenen Position aus, in eine erfolgreiche Zukunft zu führen, ist dabei das erklärte Ziel. Weg, von formelhaften Bekenntnissen zu Innovation und Digitalisierung. Weg, vom Reden – hin zur Umsetzung, lautet die Devise. Eine Universität, die von Grund auf anders denkt und Unternehmen als Partner die Möglichkeit haben, Teil dieses Erfolgsprojektes zu werden. Stefanie Lindstaedt, Gründungspräsidentin der IT:U spricht über Strukturen, Synergien, digitale Transformation und wie die Zukunft aussehen könnte.

Europa unter Druck

Die Ausgangslage ist bekannt: Europas Industrie steht unter massivem Druck. Die üblichen Verdächtigen sorgen für stürmische Zeiten. Hohe Energiekosten, Fachkräftemangel, eine Regulatorik, die oft lähmt statt befähigt. Selbst klassische Produktivitätsschrauben weiterzudrehen würde nicht reichen, um den gewünschten Wachstumspfad wiederzufinden. „Ohne konsequenten Einsatz digitaler Technologien und, vor allem ohne die Nutzung von Künstlicher Intelligenz, bleibt Europa zurück“, ist Stefanie Lindstaedt überzeugt.

Manager of Change 

Genau hier setzt die IT:U an. Statt weiterer hoch spezialisierter Monokulturen in Forschung und Lehre, schafft sie symbiotische Experten: interdisziplinär denkend, technisch versiert, aber ebenso sozial und kritisch geschult. „Ein Typos `Manager of Change` der als Vermittler, Impulsgeber, digitaler Experte und Mediator zwischen den Disziplinen agiert. Mit einem Bein fest in seinem Fachbereich, sei es technisch, sozialwissenschaftlich oder naturwissenschaftlich und mit dem anderen tief verankert in der digitalen Transformation, wie Algorithmen, Daten und KI“, erklärt die Gründungspräsidentin. Diese doppelte Strategie bildet das Fundament, ergänzt durch Fähigkeiten die Unternehmen so dringend brauchen, wie Projektmanagement, kritisches Denken, Führung, Teamfähigkeit. Menschen, die nicht nur in Bits und Bytes denken, sondern Probleme ganzheitlich durchdringen und nicht reflexartig jedes Problem mit KI erschlagen, sondern im Team die intelligenteste Lösung entwickeln.

Am IT:U-Campus im Science Park (Linz-Auhof) werden ab Herbst die ersten Studierenden ihren Master in „Interdisciplinary Computing“ starten.

- © andreas roebl

ROB – Robotics Lab: Im Labor für Robotik „Rob“ lernen Studierende, stationäre und mobile Roboter zu entwerfen, zu bauen, zu steuern und einzusetzen.

- © Martin Dörsch

Projekte statt Vorlesungen

„Vorlesungen vor 500 Leuten entspricht nicht unserer Vorstellung einer modernen Hochschullehre“, erklärt Stefanie Lindstaedt. Stattdessen gibt es projektbasiertes Lernen. Studierende arbeiten in Kleingruppen realen Problemen, eingebracht zum Beispiel von Unternehmen. Dabei geht es meist um komplexe Fragen mit Tiefgang. Wie kann Robotik den gefährlichen Umgang mit Chemikalien in einer Lackiererei sicherer machen? Wie hilft KI, Pflege-Roboter akzeptabel zu gestalten, ohne Angst bei den Menschen auszulösen? Wie lassen sich Datenströme in komplexen Netzwerken so nutzen, dass Klimaschutz und Industrieproduktion kein Widerspruch sind? „Wir verstehen die Lehre an unserer Universität als Labor, als Thinktank, als Experimentierfeld. Jedes Projekt ist eine Generalprobe für die Praxis und gleichzeitig ein Erkenntnisgewinn für die Industrie“, ergänzt Lindstaedt.

Preis der Skepsis 

Geht es um Österreich, regieren hierzulande oftmals die Bedenken. Österreich ist vorsichtig und gleichzeitig misstrauisch gegenüber KI. Zwischen DSGVO-Angst und kulturell bedingter Skepsis regiert oft das Prinzip – lieber nichts tun, bevor etwas schiefgeht. Was auf den ersten Blick nach Verantwortung klingt, entpuppt sich als Innovationsbremse. Unternehmen vermeiden Experimente, Projekte bleiben stecken, Chancen werden verpasst. KI wird oft nicht als Werkzeug gesehen, das Prozesse erleichtern oder neue Geschäftsfelder erschließen kann, sondern als potenzielle Gefahr. „Ein nachvollziehbarer Reflex, der teuer ist. Er kostet nicht nur Wettbewerbsfähigkeit, sondern auch Innovationskraft und Marktanteile“, warnt Lindstaedt. 

„Ohne konsequenten Einsatz digitaler Technologien und ohne die intelligente Nutzung von KI bleibt Europa zurück.“ Stefanie Lindstaedt, Gründungspräsidentin IT:U

- © Antje Wolm

Enormes Potenzial 

Die Vorteile für Firmen liegen auf der Hand. Zugang zu Talenten, die noch während der Ausbildung reale Projekte, Probleme und Fragestellungen durcharbeiten. Ein Thinktank auf Zeit, der im Halbjahres Takt Themen ausleuchtet, die im Alltagsstress oft liegenbleiben. Potenzielle Talente früh kennenzulernen und von Beginn an projektbasiert einzubinden. Die internationale Ausrichtung zieht weltweit Studierende an. Österreichische Unternehmen erhalten so direkten Zugang zu globalen Köpfen. Gelingt es, viele davon im Land zu halten, ist das ein enormer Impuls. 

Learn Labs: Zukunft zum Anfassen

Das Herz der IT:U schlägt in den „Learn Labs“. Hochmoderne Räume, die nicht nach Hörsaal, sondern nach Zukunft klingen. Hier stapeln sich keine Skripte, sondern Technologien: Augmented-Reality-Brillen in allen Varianten, Simulatoren für Fahrszenarien, modernste Controller und Sensorik. „Die Labore sind keine Schaukästen, sondern Arbeitsplätze, an denen Studierende direkt mit den Tools experimentieren, die Industrie und Forschung morgen prägen werden. Unterstützt werden sie dabei von speziell ausgebildeten „Lab Experts“, die nicht nur die Technik pflegen, sondern die Studierenden im praktischen Umgang anleiten. Ergänzt wird das Konzept durch Coaches und Professoren, die das projektbasierte Lernen begleiten und sicherstellen, dass jedes Experiment echte Kompetenzen hervorbringt“, erläutert Stefanie Lindstaedt.

Mehr als nur Ausbildung

Am Ende geht es der IT:U um mehr als nur Ausbildung. Es geht um ein systemisches Verständnis der Welt. Um die Fähigkeit, Klimawandel, Nachhaltigkeit oder Gesundheit nicht isoliert, sondern in ihren Wechselwirkungen zu begreifen. Um das Denken in Netzwerken statt vorgefertigten Mustern. Es geht um eine Kultur, die Technologie nie unreflektiert vorantreibt, sondern immer den Nutzen im Hinterkopf behält.

Einladungen zur Kooperation

Noch ist die Zahl der Plätze mit 40 Studierende im kommenden Wintersemester pro Semester kein. Das Ziel ist aber klar: Bis 2036 will die IT:U auf 6.000 Studierende wachsen. Unternehmen, die sich früh einbringen, können neue Chancen bestmöglich nutzen. Sie gestalten Projekte, lernen Talente kennen, prägen Studieninhalte mit und verankern ihre Themen an einer Hochschule, die nicht nur auf Forschung wartet, sondern auch in der Lehre die Praxis sucht.