Industrieforum Standort : Industrieforum: Österreichs Industrie unter Druck, aber nicht ohne Chancen
Auf dem Podium sprachen Andreas J. Ludwig, Mitglied des Executive Boards der Management Trust Holding AG, Martin Ohneberg, CEO und Eigentümer der HENN Connector Group sowie Präsident des Aufsichtsrates der Verbund AG, Cord Prinzhorn, Aufsichtsratsvorsitzender der Semperit AG und der Prinzhorn Holding GmbH, und Anna Stürgkh, Abgeordnete zum Europäischen Parlament. Moderation: Bernhard Morawetz, Herakles Management.
- © Joseph KrpelanAuf dem Podium sprachen Andreas J. Ludwig, Mitglied des Executive Boards der Management Trust Holding AG, Martin Ohneberg, CEO und Eigentümer der HENN Connector Group sowie Präsident des Aufsichtsrates der Verbund AG, Cord Prinzhorn, Aufsichtsratsvorsitzender der Semperit AG und der Prinzhorn Holding GmbH, und Anna Stürgkh, Abgeordnete zum Europäischen Parlament.
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Im Zentrum der Diskussion standen die Herausforderungen, mit denen die Industrie in Österreich und Mitteleuropa aktuell konfrontiert ist. Mehrere der Sprecher beschrieben die wirtschaftliche Lage als angespannt, teilweise sogar als kritisch. Vor allem die Kombination aus hohen Energiepreisen, steigenden Lohnkosten, massiver Bürokratisierung und unzureichender Investitionsdynamik beschäftigt die Unternehmen. Dr. Ludwig betonte, dass die industriellen Kernbranchen weiterhin das Rückgrat der österreichischen Volkswirtschaft darstellen. Allerdings gehe die reale Wertschöpfung seit Jahren zurück. Die Industrie erlebe einen Einbruch, der in seiner Dimension den Covid Jahren ähnele, jedoch ohne äußeren Schock.
Cord Prinzhorn unterstrich, dass die internationale Konkurrenzfähigkeit europäischer Industrien durch strukturelle Verschiebungen herausgefordert wird. Die Qualität der europäischen Anlagenbauer und Zulieferer habe historisch einen Vorteil geschaffen. Dieser Vorsprung schrumpfe jedoch, weil asiatische Wettbewerber technologisch aufgeholt haben und ihre Produkte zu deutlich geringeren Kosten anbieten. Er verwies auf Beispiele wie Hydrauliksysteme oder Spritzgussanlagen, die heute in vergleichbarer Qualität aus China erhältlich sind und den Kostendruck erheblich erhöhen.
Besonders sichtbar werde dies bei kapitalintensiven Industrien. Während früher vor allem Arbeitskosten den Ausschlag gaben, entscheiden heute Kapitalzugang, Skalierbarkeit und Innovationsgeschwindigkeit. Viele europäische Unternehmen verlieren im globalen Wettbewerb nicht wegen mangelnder Ideen, sondern wegen fehlendem Risikokapital und zu langsamen Rahmenbedingungen. Prinzhorn verwies darauf, dass selbst innovationsstarke Firmen in der Wachstumsphase häufig ins Ausland abwandern, weil die Bewertungen in Europa signifikant niedriger seien.
Einigkeit herrschte am Podium darüber, dass Bürokratie und Regulatorik zu den größten Bremsklötzen zählen. Intensive Berichtspflichten, schwerfällige Genehmigungsprozesse und ein komplexes regulatorisches Umfeld nehmen Unternehmen unternehmerische Freiheit und Handlungsfähigkeit. Diese strukturelle Belastung sei aus Sicht der Sprecher ein wesentlicher Faktor für den Rückgang von Investitionen im Inland.
„Die Industrie ist das Rückgrat unserer Volkswirtschaft, aber die reale Wertschöpfung bricht seit Jahren dramatisch ein.“Andreas J. Ludwig
Für die europäische Ebene setzte Anna Stürgkh wichtige Akzente. Sie warnte davor, Klimapolitik und Industriepolitik gegeneinander auszuspielen. Viele Probleme seien nicht auf ökologische Ziele zurückzuführen, sondern auf mangelhaft formulierte Gesetze. Sie verwies darauf, dass effiziente und vereinfachte Regulierungen möglich sind, wenn man politische Zielsetzungen klar strukturiert. Zugleich sieht sie erhebliche ungenutzte Chancen in der Stärkung des europäischen Binnenmarktes. Der Binnenmarkt sei in mehreren Bereichen, insbesondere Dienstleistungen und digitalen Geschäftsmodellen, noch immer fragmentiert. Die Reduktion regulatorischer Barrieren könne laut Studien des Internationalen Währungsfonds eine Entlastung von bis zu vierzig Prozent bewirken. Zudem betonte Stürgkh die Bedeutung neuer Exportmärkte und nannte insbesondere das Mercosur Abkommen als große Chance für Österreichs Industrie.
Morawetz brachte die zentrale Frage in die Runde, welche Industrien in Österreich künftig eine Zukunft haben und welche Schritte notwendig werden, um die heimische Wertschöpfung zu sichern. Die Antwort der Experten fiel differenziert aus. Nicht einzelne Branchen, sondern Unternehmerinnen und Unternehmer seien der entscheidende Faktor. Erfolgreiche Unternehmen gebe es in fast jeder Industrie, scheiternde ebenso. Entscheidend sei die Fähigkeit des Managements, in Innovation zu investieren, Automatisierung voranzutreiben und globale Wertschöpfungsketten strategisch zu nutzen. Gleichzeitig müsse der Staat die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen so gestalten, dass Investitionen wieder attraktiver werden.
„Wir ruhen uns auf den Lorbeeren aus. China produziert heute gleich gut, aber um ein Vielfaches günstiger. Das ist eine echte Disruption.“Cord Prinzhorn
In der abschließenden Diskussion wurde die Frage nach Protektionismus kontrovers bewertet. Während einige Stimmen vor einer zunehmenden Abschottung warnten, verwiesen andere auf die Notwendigkeit, europäische Interessen klarer zu positionieren. Konsens herrschte darüber, dass Europa mittelfristig einen integrierten Kapitalmarkt benötigt, um innovationsfähige Unternehmen im globalen Wettbewerb zu halten. Ohne eine solche Struktur drohe Europa, sowohl bei Zukunftstechnologien als auch bei industrieller Produktion weiter zurückzufallen.
Das Herakles x Tengler Industrieforum 2025 zeigte, wie dringend eine breit geführte Debatte über Wettbewerbsfähigkeit, Standortpolitik und strategische Industrieentwicklung geworden ist. Die Diskussion im Palais Berg machte deutlich, dass Österreich über starke industrielle Wurzeln und unternehmerisches Potenzial verfügt. Gleichzeitig wurde klar, dass Reformen, Investitionen und ein gemeinsames wirtschaftspolitisches Narrativ notwendig sind, um den Industriestandort abzusichern und zukunftsfit zu machen.
Herakles Management und Tengler Consulting kündigten an, die Gesprächsreihe fortzusetzen und den Dialog zwischen Wirtschaft, Politik und Kapitalmarkt weiter zu vertiefen.