Industrielle Automatisierung : Bin Picking Forum 2025: Experten zeigen, wie Robotik wirklich funktioniert

Die deutsche Spezialist für industrielle Bildverarbeitung, Optonic, lädt zum Bin Picking Forum nach Oberösterreich
- © OptonicRoboter, die automatisch Bauteile aus chaotisch gefüllten Kisten entnehmen – das klingt nach Science-Fiction aus dem Lehrbuch der Industrieautomatisierung. In Wirklichkeit ist Bin-Picking alles andere als trivial. Zwar begegnet man solchen Szenarien schon seit Jahren in Imagevideos, Produktbroschüren oder auf Technikmessen – dort sehen die Anwendungen meist mühelos und glatt aus.
Doch der Schein trügt. In der industriellen Praxis zeigt sich schnell: Was auf dem Papier einfach wirkt – Kamera, Roboter, Software, Greifer – ist in der Realität oft eine komplexe Herausforderung. Standardlösungen, die „out of the box“ funktionieren sollen, stoßen häufig an ihre Grenzen.
Glänzende, unförmige oder winzige Bauteile bringen klassische Erkennungsalgorithmen an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit. Universelle Greifer passen nicht zur Teilevielfalt und Taktzeiten sind in vielen Betrieben ein kritischer Faktor. Dazu kommt: Die Integration in bestehende Anlagen und IT-Infrastrukturen kostet Zeit, Geld – und oft auch Nerven.
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Bin Picking Forum 2025: Roboter-Event lädt zum Mitmachen mit eigenen Werkstücken ein
In den letzten Jahren ist erkennbar, dass Standard-Bin-Picking-Lösungen in vielen Szenarien an ihre Grenzen stoßen – besonders bei schwierigen Oberflächen oder komplexen Teilegeometrien. Deshalb setzen immer mehr Unternehmen auf maßgeschneiderte Lösungen, bei denen alle Komponenten – von der Kamera über die Greiftechnik bis zur Software – exakt aufeinander abgestimmt werden. Genau hier setzt das Bin Picking Forum 2025 an: eine Plattform, die weit mehr ist als eine klassische Industriemesse.
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In der Forschung wird zunehmend untersucht, wie kollaboratives Picking – also das gemeinsame Arbeiten von Mensch und Roboter – dazu beitragen kann, Ausfallraten zu senken und die Flexibilität zu erhöhen. Im Rahmen des Forums soll nicht nur über solche Entwicklungen diskutiert werden, sondern sie sollen auch in der Praxis erlebbar sein: die Live-Tests mit echten Bauteilen erlauben unmittelbare Einsicht in die Leistungsfähigkeit der Systeme unter echten Bedingungen.
Das Bin Picking Forum findet am 15. und 16. Oktober 2025 in Gurten (Oberösterreich) statt, organisiert von Optonic, Boost Automation und Fill Maschinenbau. Veranstaltungsort sind der Future Dome und die Hallen von Fill Sondermaschinen im Gelände von Fill Maschinenbau.
Ein zentrales Merkmal der Veranstaltung: Besucher werden ausdrücklich eingeladen, eigene Werkstücke mitzubringen. So können sie direkt vor Ort testen, ob die Kombination aus Kamera-, Roboter-, Greif- und Softwarekomponenten in ihrer individuellen Anwendung funktioniert – ein konsequenter Schritt weg von Hochglanzpräsentationen hin zu realen Praxislösungen. Ein zentrales Ziel ist es, alle beteiligten Disziplinen zusammenzubringen – Kamerahersteller, Greiftechnikexperten, Roboterintegratoren, Softwareentwickler, und Sicherheitstechnikunternehmen. Dadurch können Besucher an nur einem Ort kompetente Ansprechpartner für nahezu jede Fragestellung rund ums industrielle Bin-Picking treffen.
📦 Was ist Bin-Picking?
Bin-Picking bezeichnet das automatische Entnehmen von Teilen aus unsortierten Kisten oder Behältern mithilfe von Robotern. Dabei kommen typischerweise 3D-Kameras, Erkennungssoftware, Greifertechnik und Roboterarme zum Einsatz. Ziel ist es, einzelne Objekte trotz unstrukturierter Lage präzise zu erkennen, korrekt zu greifen und weiterzuverarbeiten – zum Beispiel in Fertigungslinien oder Montageprozessen.
🔧 Bestandteile eines Bin-Picking-Systems:
- 3D-Kamera zur Erfassung der Position und Orientierung der Teile
- Matching-Software zur Erkennung und Auswahl geeigneter Greifpunkte
- Greifer (oft individuell angepasst) zum sicheren Aufnehmen des Teils
- Roboterarm zur Durchführung der Bewegung
- Schnittstellen zur Anlagen- und IT-Integration
⚙️ Herausforderungen:
- Glänzende, reflektierende oder transparente Oberflächen
- Überlappende oder verdrehte Bauteile
- Kleine oder komplexe Geometrien
- Hohe Anforderungen an Taktzeit und Prozesssicherheit
✅ Vorteile:
- Reduktion manueller Arbeit
- Höhere Prozesssicherheit und Wiederholgenauigkeit
- Effizientere Nutzung von Ressourcen
- Flexibilität bei wechselnden Teilegeometrien (bei entsprechender Anpassung)
Bin-Picking ist ein zentraler Baustein für die automatisierte Produktion in der Industrie 4.0 – jedoch nur dann erfolgreich, wenn alle Komponenten präzise aufeinander abgestimmt sind.
Entscheidender Unterschied: Was das Bin Picking Forum so besonders macht
INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Winter, Sie sind einer der Organisatoren des jährlich stattfindenden Bin Picking Forums. Was ist das Besondere an dieser Veranstaltung – und wie unterscheidet sie sich von klassischen Messen?
Manfred Winter: Uns war es besonders wichtig, ein Event mit echtem Nutzen zu schaffen. Die zentrale Frage lautet: Welche Komponenten brauche ich, und wie funktioniert die Anlage für meine individuelle Anwendung? Deshalb haben wir Experten aus allen relevanten Disziplinen eingeladen – Roboterhersteller, Greif- und Saugsystem-Spezialisten, Experten für funktionale Sicherheit und natürlich auch uns als Kameralösungspartner. Alles an einem Ort. So können Besucherinnen und Besucher mit nur einem Besuch viele Fragen beantworten. Wir laden sogar dazu ein, eigene Teile mitzubringen. Diese können wir dann live auf dem Forum testen und gemeinsam prüfen, welche Komponenten und Einstellungen für ihre Anwendung die besten sind.
INDUSTRIEMAGAZIN: Sie haben es gerade schon angesprochen – was versteht man eigentlich unter Bin Picking, also der automatisierten Teile-Entnahme?
Manfred Winter: Unsere Aufgabe ist es, mit 3D-Kameras die Teile zuverlässig zu erkennen – robust gegenüber Umwelteinflüssen – und mit unserer Software den Roboter so zu steuern, dass er den richtigen Griffpunkt findet. Damit stellen wir die sichere Entnahme des Teils sicher, inklusive integrierter Bahnplanung. Das ist unser Beitrag: Bildverarbeitung und Software.
INDUSTRIEMAGAZIN: Warum entwickeln Sie Ihre Kameralösungen nicht gemeinsam mit einem Roboter- oder Greiferhersteller als Komplettsystem?
Manfred Winter: Tatsächlich sind die Anforderungen extrem vielfältig. Jede Produktionsumgebung ist anders. Manche Kunden geben vor, welche Roboterhersteller sie einsetzen dürfen. Andere haben klare Vorgaben bei Greifern – ob Sauger, Magnetgreifer oder mechanische Greifer. Hinzu kommen Aspekte wie Taktzeit, Genauigkeit oder die Art, wie Teile angeliefert werden. Deshalb setzen wir auf einen modularen Baukasten. Wir bringen unsere Stärken im Bereich Kamera und Software ein und kombinieren diese mit den Kompetenzen der jeweiligen Hersteller. So entsteht eine individuelle Lösung, die wirklich in die Produktionsumgebung des Kunden passt.
INDUSTRIEMAGAZIN: Welche Kernanwendungen sind beim Bin Picking besonders häufig?
Manfred Winter: Sehr oft geht es um schwerere Teile – ab etwa fünf oder sechs Kilogramm. Wenn ein Werkstück dieser Größe einmal pro Minute manuell eingelegt werden muss, summiert sich das über einen Arbeitstag auf mehrere Tonnen. Das ist nicht nur körperlich belastend, sondern auch ineffizient. Genau solche Aufgaben lassen sich hervorragend automatisieren: Die Teile können zuverlässig erkannt, sicher gegriffen und korrekt in den Prozess eingeführt werden.
INDUSTRIEMAGAZIN: Ein großes Thema in der Industrie ist die Digitalisierung. Welche Rolle spielt sie beim Bin Picking?
Manfred Winter: Das wird tatsächlich immer wichtiger. Viele Kunden wünschen sich Nachverfolgbarkeit. Das heißt: Teile, die gegriffen werden, sollen nicht nur entnommen, sondern gleichzeitig auch dokumentiert werden – zum Beispiel mit Seriennummer, Zeitpunkt oder sogar Qualitätsdaten. Da wir das Teil ohnehin automatisiert in der Hand haben, können wir mit Zusatzsensoren Informationen wie Seriennummern auslesen und direkt in ein IT-System hochladen. Dort können diese Daten gespeichert und auch Jahre später noch für Qualitätssicherung oder Rückverfolgbarkeit genutzt werden.
INDUSTRIEMAGAZIN: Gibt es noch einen Punkt, der Ihnen am Bin Picking Forum besonders wichtig ist?
Manfred Winter: Ja, mir ist es wichtig, dass bei aller Professionalität der Genuss nicht zu kurz kommt. Wir haben uns für das Forum auch kulinarische Highlights überlegt. Ich lade alle ein, das selbst zu entdecken – ich freue mich schon sehr darauf.
Kamera-Experte mit Erfahrung: Wie Optonic Robotik und Automatisierung neu denkt
Die Optonic GmbH mit Sitz in Freiburg, Deutschland, wurde 2020 gegründet und ist auf industrielle Bildverarbeitung spezialisiert. Das Unternehmen entwickelt 2D- und 3D-Kamerasysteme sowie die dazugehörige Software, die vor allem in der Robotik und Automatisierung eingesetzt werden. Grundlage ist langjährige Erfahrung: Optonic entstand aus der Zusammenarbeit von Experten, die bereits zuvor in der Kameratechnik tätig waren, und bringt nach eigenen Angaben rund 40 Jahre Know-how in die neue Firma ein.
Ein Schwerpunkt liegt auf modularen Systemen, die sich je nach Anwendung erweitern lassen. So hat das Unternehmen mit der sogenannten N-Serie Kameras auf den Markt gebracht, die eine höhere Auflösung bieten und dabei flexibel an unterschiedliche Produktionsumgebungen angepasst werden können.