Führung in Zeiten des Wandels : Leadership im Wandel: Wie Führung neu gedacht werden muss

Für Ernst Kreuzer, Honorarprofessor an der TU Graz und Leiter des Programms „Lifelong Learning“, ist Leadership ein kontinuierlicher Lernprozess mit anderen - aber auch mit sich selbst.

Was bedeutet Führung in einer Welt, die sich rasch und radikal verändert? Angesichts geopolitischer Spannungen, digitaler Disruption und eines tiefgreifenden gesellschaftlichen Wertewandels stehen Führungskräfte heute mehr denn je vor der Aufgabe, Orientierung zu geben – nicht allein durch Entscheidungen, sondern vor allem durch eine klare Haltung. Diese zentrale Erkenntnis prägte das jüngste Next Level Event, bei dem Expert:innen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik zukunftsweisende Leadership-Modelle diskutierten.

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Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen aktuelle Fragen zur Zukunft universitärer Weiterbildung, zum strukturellen Wandel in Unternehmen und zur gelebten Vielfalt in der Führungskultur. Die Diskussion zeigte eindrücklich: Moderne Führung muss weit über Hierarchien hinausdenken.

Führung ist kein Titel mehr. Sie ist auch kein Privileg der obersten Hierarchieebenen. Was heute zählt, ist nicht Macht, sondern Haltung. Nicht Status, sondern Verantwortung. Diese zentrale Botschaft zog sich wie ein roter Faden durch das INDUSTRIEMAGAZIN-Event. Und eines wurde deutlich: Die Zeiten des „Command and Control“ sind vorbei. Führung ist heute kollaborativ, dezentral und geprägt von Unsicherheit. Was es braucht, ist nicht nur Expertise, sondern emotionale Intelligenz – die Fähigkeit, mit Wandel umzugehen, Orientierung zu geben und unterschiedliche Perspektiven produktiv zu integrieren.

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Führung ist keine Position – sondern Verantwortung

Ernst Kreuzer, Honorarprofessor an der TU Graz und Leiter des Programms „Lifelong Learning“, setzte mit seinem Impuls einen kraftvollen Akzent. Seine Kernbotschaft: Leadership beginnt nicht erst im Chefsessel – sie entsteht dort, wo Menschen Verantwortung übernehmen. Für andere, für Systeme, für das größere Ganze. Damit trifft er den Nerv der Zeit.

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Kreuzers Ansatz ist pragmatisch, sein Denken systemisch. Statt auf lineare Lebensläufe setzt er auf Vielfalt, statt auf Hierarchie auf Verantwortung. Und seine Worte haben Gewicht: Als Leiter des Programms „Lifelong Learning“ an der TU Graz hat er ein Bildungsmodell etabliert, das konsequent auf die Anforderungen einer sich wandelnden Arbeitswelt reagiert.

 

Als Leiter des Programms „Lifelong Learning“ an der TU Graz hat Ernst Kreuzer ein Bildungsmodell etabliert, das konsequent auf die Anforderungen einer sich wandelnden Arbeitswelt reagiert.
Patchwork-Karrieren sind die neue Normalität.
Ernst Kreuzer

Kreuzers eigener Werdegang spiegelt diese Haltung wider: Naturwissenschaftler, Technikexperte, Betriebswirt – sein Lebenslauf liest sich wie ein interdisziplinäres Mosaik. Und genau darin sieht er eine der wichtigsten Führungsqualitäten der Zukunft: „Patchwork-Karrieren sind die neue Normalität“, sagt er. „Was zählt, ist nicht der klassische Aufstieg, sondern die Fähigkeit, Brücken zu bauen – zwischen Disziplinen, zwischen Theorie und Anwendung, zwischen Mensch und Technologie.“

 

Learning on Demand statt Weiterbildung von der Stange

Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, setzt die TU Graz in der universitären Weiterbildung auf ein konsequent modulares Konzept. Programme wie Green & Digital Transformation oder Leadership & Digitale Transformation kombinieren Online-Phasen, Präsenzmodule und konkrete Transferprojekte im Unternehmen. Damit findet Lernen nicht nur im Hörsaal statt – sondern genau dort, wo es zählt: am Arbeitsplatz.

Diese neue Form des Lernens verankert Leadership-Kompetenzen direkt im beruflichen Alltag und ermöglicht nachhaltige Transformation. Denn echte Führung zeigt sich nicht in Titeln, sondern im Handeln – in der Fähigkeit, Verantwortung zu übernehmen, Menschen zu verbinden und Orientierung in unsicheren Zeiten zu bieten.

Die Idee dahinter: Bildung soll so flexibel wie möglich, aber so verbindlich wie nötig sein. Die Programme ermöglichen es, einzelne Module im „Lego-Baukasten“-Prinzip zu belegen, bis hin zum vollständigen MBA. Damit lassen sich gezielte Kompetenzaufbauten für ganze Teams ermöglichen – von einzelnen Fachkräften bis zu C-Level-Executives.

Gerade im Bereich digitaler Transformation sei es entscheidend, eine kritische Masse an Know-how im Unternehmen zu schaffen, so Kreuzer. Nicht eine Digitalbeauftragter kann den Wandel tragen – die gesamte Organisation muss mitziehen. Weiterbildung müsse daher als strategisches Werkzeug verstanden werden, nicht als punktuelle Maßnahme.

 

Es reicht nicht, digitale Tools zu bedienen. Wir müssen verstehen, wie sie funktionieren – und was sie mit unserer Arbeitswelt machen.
Ernst Kreuzer

Kreuzers Bildungsverständnis geht jedoch weit über unternehmensinterne Programme hinaus. Angesichts der gesellschaftlichen Herausforderungen – Klimawandel, Digitalisierung, demografischer Wandel – fordert er eine gesamtgesellschaftliche Initiative. Ein Grundkurs für alle Bürger:innen, der technologische, ethische und wirtschaftliche Bildung miteinander verknüpft.

„Es reicht nicht, digitale Tools zu bedienen. Wir müssen verstehen, wie sie funktionieren – und was sie mit unserer Arbeitswelt machen.“ Dieser Appell richtet sich nicht nur an Führungskräfte, sondern an Politik, Bildungssystem und Zivilgesellschaft. Denn nur durch breiten Zugang zu Bildung kann ein verantwortungsvoller Umgang mit Technologie gelingen.

Lernen ist für Kreuzer nicht nur eine Frage der Qualifikation, sondern eine Frage der Souveränität – ein demokratisches Gut, das allen zustehen muss.

 

Female Leadership ist kein Soft-Thema

Ein weiteres zentrales Thema der Veranstaltung: Diversität und Inklusion. Christine Marek, ehemalige Staatssekretärin und erfahrene Führungskraft, machte deutlich: „Diversity ist kein weiches Thema. Es ist eine wirtschaftliche Notwendigkeit.“

Trotz zahlloser Studien, die die positiven Effekte vielfältiger Teams belegen, tun sich viele Organisationen schwer, diese Erkenntnisse in konkrete Maßnahmen zu überführen. Oft fehlen nicht der Wille, sondern die Strukturen: mangelnde Kinderbetreuung, starre Arbeitszeitmodelle oder stereotype Rollenerwartungen.

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Christine Marek: "Diversity ist kein weiches Thema. Es ist eine wirtschaftliche Notwendigkeit.“

Marek betont: Unternehmen müssen die Bedingungen schaffen, unter denen Frauen – und generell Menschen mit unterschiedlichen Lebensrealitäten – ihr Potenzial entfalten können. Dazu gehören flexible Arbeitszeiten, ortsunabhängiges Arbeiten, Teilzeitoptionen auch für Führungskräfte und eine Kultur, die Lebensphasen respektiert.

Ihr Appell: Diversität muss systemisch gedacht und aktiv gestaltet werden – nicht als „Frauenthema“, sondern als Zukunftsfrage für Unternehmen und Gesellschaft.

Programme wie „Zukunft Frauen“ oder firmeneigene Mentoring-Modelle helfen beim Kulturwandel, stoßen aber oft an unsichtbare Barrieren. Es sei nicht Aufgabe der Frauen, sich anzupassen – sondern der Unternehmen, passende Rahmenbedingungen zu schaffen.

 

Hybrid, kollaborativ, empathisch: Die neue Führungspraxis

Ein weiteres spannendes Panel brachte die Praxisperspektive eines global agierenden Unternehmens ein. Sebastian Mörth, Director Public Affairs bei Intuitive, einem führenden Medizintechnikunternehmen, sprach über die Herausforderungen hybrider Arbeitsmodelle. Seine Beobachtung: „Die Kaffeemaschinen-Kommunikation fällt weg. Was bleibt, ist Leadership durch Klarheit, Empathie und digitale Präsenz.“

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Die Pandemie hat gezeigt: Führung ohne physische Präsenz erfordert neue Kompetenzen – etwa digitale Empathie, vertrauensbasierte Kommunikation und die Fähigkeit, auch in virtuellen Räumen Nähe und Verbindlichkeit zu erzeugen.

Mörth sieht in der Schweiz eine fortschrittlichere Haltung gegenüber Weiterbildung. Dort sei sie Teil der Kultur – in Österreich hingegen werde sie oft als „Störung des Tagesgeschäfts“ empfunden. Sein Plädoyer: Weiterbildung muss in den Arbeitsalltag integriert und als selbstverständlicher Bestandteil beruflicher Entwicklung gesehen werden.

 

Leadership ist ein kontinuierlicher Lernprozess mit anderen, aber vor allem mit sich selbst.
Ernst Kreuzer

Führung ist ein Lernprozess – mit sich selbst

Was zieht sich als roter Faden durch alle Diskussionen? Es ist die Erkenntnis, dass Führung neu gedacht werden muss – nicht nur als individuelle Fähigkeit, sondern als strukturelles und kulturelles System. Führung ist heute multiperspektivisch, partizipativ und prozessorientiert.

Dazu braucht es:

  • eine neue Haltung, die Verantwortung über Status stellt;
  • Strukturen, die Diversität ermöglichen statt behindern;
  • eine Kultur, die Lernen und Veränderung nicht nur zulässt, sondern fördert.

Führungskräfte sind nicht mehr alleinige Entscheider:innen, sondern Gestalter:innen von Rahmenbedingungen, in denen andere ihr Potenzial entfalten können. Oder wie es eine Teilnehmerin formulierte: „Leadership ist kein Status, sondern eine Haltung.“ Leadership ist keine fertige Fähigkeit – es ist ein Prozess. Ein Weg. Ein kollektives Lernen im Angesicht einer komplexen Welt. Und dieser Prozess hat längst begonnen.

 

NEXT LEVEL Leadership: Future Skills statt Buzzwords: Das braucht Leadership heute wirklich

Weiterbildung für die grüne und digitale Transformation

Was ist das Programm?

Das Weiterbildungsprogramm "Lifelong Learning" an der Technischen Universität Graz wurde unter der Leitung von Hon.-Prof. Ernst Kreuzer entwickelt. Es richtet sich an Fach- und Führungskräfte, die sich gezielt für die Herausforderungen einer digitalisierten und nachhaltigen Wirtschaft qualifizieren möchten.

Die Grundidee:

Lernen soll flexibel, individuell und praxisnah sein. Das Programm basiert auf einem modularen Baukastensystem – ähnlich einem „Lego-Prinzip“ – bei dem einzelne Weiterbildungsmodule kombiniert und bis zum vollwertigen MBA ausgebaut werden können.

Zielgruppe:

Führungskräfte und Fachkräfte aus Industrie, Technik und Wirtschaft, die den Wandel aktiv gestalten wollen.

Format:

Berufsbegleitendes, modular aufgebautes Weiterbildungsprogramm mit mehreren Einstiegsmöglichkeiten – vom Einzelmodul bis zum Executive MBA.

Inhalte:

  • Digitale Transformation: Strategien, Technologien, Geschäftsmodelle
  • Grüne Transformation: Nachhaltigkeit, CO₂-Reduktion, Energieeffizienz
  • Leadership: Agiles Führen, Change Management, Kommunikation

Lernmodell:

Drei Phasen:

  • Online-Vorbereitung (zeit- und ortsunabhängig)
  • Präsenzmodule mit Expert:innen und Peer-Learning
  • Transferprojekte im Unternehmen zur direkten Anwendung

Besonderheiten:

  • Flexible Kombination von Modulen
  • Individuelle Lernpfade je nach Zielsetzung
  • Ideal für Einzelpersonen und firmeninterne Weiterbildungsteams

Kontakt:

TU Graz Life Long Learning
Münzgrabenstraße 36/I, 8010 Graz
E-Mail: [email protected]
Web: www.tugraz.at/go/lifelonglearning

NEXT LEVEL: Leadership - Führung neu gedacht: Ernst Kreuzer, Leiter Lifelong Learning der TU Graz, Christine Marek, Programmleiterin Zukunft.Frauen, Sebastian Mörth, Director Policy & Public Affairs bei Intuitive und Beatrice Schmidt, Geschäftsführerin WEKA Industrie Medien, über die Anforderungen an moderne Führungskräfte.