Smart Glasses : Datenbrille in der Industrie: der Durchblick, den wir brauchen?

Aktive Mitgliedschaft erforderlich
Das WEKA PRIME Digital-Jahresabo gewährt Ihnen exklusive Vorteile. Jetzt WEKA PRIME Mitglied werden!

Sie haben bereits eine PRIME Mitgliedschaft?
Bitte melden Sie sich hier an.
„Ich arbeite nie wieder ohne das Zeug.“ Euphorisch sind die Enduserberichte, die von Arbeitsersparnis und Usability sprechen. Der Einsatz von Datenbrillen in der Industrie ist ein breites Feld, das höhere Produktivität in der Inspektion und Reparatur verspricht.
Und das Versprechen wird gehalten, denn die Zeitersparnis gepaart mit der hohen Qualität des digitalen Prozesses ist enorm. Das Geheimnis des Erfolges liegt im Mix zwischen den verschiedenen Technologien und Projektanforderungen, weiß Thomas Riedl, Co-founder und Geschäftsführer von Nagarro.
Ein wichtiges Feature der Datenbrillen ist das freihändige Arbeiten, das durch Sprachbefehl gesteuerte Smart Glasses möglich gemacht wird. Funktionalitäten wie gemeinsame Videocalls, eingespielte Montageanleitungen, Fotos durch Sprachbefehl und Speech-to-Text verfeinern die Anwendungsmöglichkeiten und bringen Effizienz und vereinfachte Prozesse.
Lesen Sie auch: Wie Datenbrillen das Projektgeschäft des Anlagenbauers Andritz auf einen neuen Exzellenzlevel heben.
Für die Überprüfung der Sendemasten von A1 fand man beispielsweise eine Lösung, um die technischen Teams durchgängig in der Wartung zu unterstützen. So wurde jeder Außendiensttechniker mit einer Smart Glass ausgestattet, in diesem Fall Vuzix Smart Glass.
Der Mitarbeiter vor Ort verbindet sich mit Experten im Büro, die Wartung wird gemeinsam durchgeführt und wenn nötig auch gleich gemeinsam an einer Lösung gearbeitet. Die oft mehrfachen Montage- und Abnahmefahrten der diversen Mitarbeiter werden eingespart. Defekte an den Sendemasten, die nicht gleich behoben werden können, werden mit hochwertigem Foto- und Videobeweisen dokumentiert. Und man digitalisierte die Dokumentation der Wartung, die nicht mehr auf Unmengen von Papier erfolgen musste.
Diese Daten fließen in die Analyse vergangener Probleme ein und helfen zukünftige Lösungen und Prozesse für ähnliche Probleme zu entwerfen. Wichtigster Business Nutzen: Dank des Zusammenspiels der Datenbrille mit weiteren Technologien werden Wartungspläne in einem Viertel der Zeit genehmigt. “Wir haben hier ein Pionierprojekt am Start, eines der Best Practices im Umgang mit neuen Workflows im Zeitalter der Digitalisierung”, sagt Reinhard Faber, Abteilungsleitung Network Access bei A1 Telekom Austria AG.
Einfache Usability – schnelle Implementierung
Im Durchschnitt brauchen Techniker nur drei Tage Schulung, um den Umgang mit den Smart Glasses zu beherrschen, erklärt der Nagarro SE Geschäftsführer. Der Proof-of-Concept, von der Entscheidung bis zur Implementierung, wurde in nur acht Wochen durchgeführt. Die Wearable-Technologie lieferte zudem auch unter schwierigen Wetterbedingungen wie Wind und Regen gute Ergebnisse.
Lesen Sie auch: "Die Usability bei Datenbrillen ist entscheidend"
„Wir arbeiten in jedem Fall agil, auf diese Art können wir in kurzer Zeit digitale Produkte und Services entwickeln“, erklärt Riedl die Arbeitsweise des Transformationsunternehmen mit 8.400 MitarbeiterInnen in über 25 Ländern.
Auch die ÖBB-Postbus setzt mittlerweile auf die smarten Brillen und stellte auf Assisted Reality um. Sie erwirbt jedes Jahr hunderte von neuen Bussen und ersetzt bestehende Busse. Die Anschaffung und der Austausch der Fahrzeuge bedarf einer gründlichen Inspektion, einem Prüfungsbericht und einer etwaigen Mängeldokumentation. Die Inspektoren der Postbusse waren früher mit Taschenlampen, Papierformularen, Bleistift und Kamera ausgestattet. „Innerhalb von nur fünf Monaten stellten wir gemeinsam den Prozess von der Verwendung von Papierformularen und unterschiedlichsten Geräten zur Erfassung von Bildern und Videos auf Assisted Reality-Technologie um“, sagt Thomas Riedl. Mit dem Smart Glass kann der Fahrzeuginspektor freihändig Audio- und Video-Aufzeichnungen zu den Mängeln dokumentieren und diese Bilder dem Bericht hinzufügen.
Zur Verwaltung der erfassten Informationen wurde zudem eine webbasierte App entwickelt. Die Inspektoren scannen die Daten via QR-Code von der Web-App auf das Smart Glass und synchronisieren die Arbeitsaufträge zwischen den beiden Applikationen. Im Anschluss führen sie die Fahrzeug-Inspektion mit der Smart Glass offline durch. Dadurch muss keine permanente Internetverbindung vorhanden sein.
30% Zeitersparnis bei Abnahme und Inspektion
Während der Abnahmebericht früher mehrere Stunden dauerte, kann er nun dank Smart Glass Datenerfassung auf Knopfdruck erstellt werden. Mit dem Ergebnis von 30 % Zeitersparnis pro Abnahme werden 1/3 mehr Busabnahmen pro Jahr durchgeführt. „Die Prüfung und Abnahme der Postbusse durch die Inspektoren wurde durch den Einsatz von Smart Glasses massiv vereinfacht und verkürzt“, freut sich Christian Studnicka, Abteilung Fahrzeugtechnik, ÖBB-Postbus. Auch in Zusammenarbeit mit der Energie Burgenland AG (EB) schuf man eine skalierbare Lösung, erläutert Riedl. Energie Burgenland betreibt Windparks mit insgesamt über 220 Windrädern von unterschiedlichen Herstellern. Die Windturbinen werden zweimal im Jahr inspiziert. Durch die Umstellung auf die Anwendung von Smart Glasses in Kombination mit mobiler App konnte man den Inspektionsprozess pro Windkraftanlage um 30 % beschleunigen.
Brille ist nicht gleich Brille
Sowohl bei Postbus als auch bei Energie Burgenland hatte man sich für RealWear HMT-1® entschieden. „Wir verwenden bei jedem Projekt eine Brille, die den jeweiligen Anforderungen entspricht.“, so Riedl. Vor allem die Enduser, die mit dem Gerät arbeiten, werden einbezogen. Manche Benutzer bekamen durch das Tragen von Brillen Kopfschmerzen, HMT1 ist zwar schwerer, es gibt aber die Möglichkeit, die Brille in die Schutzhelme zu integrieren, das hat den Tragekomfort erheblich verbessert, erklärt der Nagarro Geschäftsführer. Zusätzlich ergab sich eine bessere Eignung im Außenbereich beispielsweise bei Sonneneinstrahlung oder der Unterdrückung von Windgeräuschen, sowie bei der Mikrofon- und Videoqualität. Bei einem Indoor-Einsatz hat man wieder andere Anforderungen.
Wie wichtig das richtige Gerät ist, weiß auch Nils Berger, Geschäftsführer von Viewpointsystems. Das Wiener Deep-Tech-Unternehmen entwickelt und produziert international ausgezeichnete Smart Glasses, die auf Eye Tracking basieren. Die Datenbrillen werden von B2B-Kunden weltweit für Remote Support und Fernwartung, für Trainings und Dokumentationen sowie für Forschung und Analyse eingesetzt. Basis für die verwendete Technologie war ein Forschungs- und Beratungs-Spin-off der Universität für Bodenkultur Wien. Dort führte man mehr als zwei Jahrzehnte lang wissenschaftliche Eye Tracking-Studien mit Fokus auf Unfallprävention im Bereich Verkehr und Mobilität. Mittlerweile beschäftigt Viewpointsystem 60+ MitarbeiterInnen aus über 20 Nationen. Alle Produktionsschritte werden unter einem Dach realisiert - von der Forschung & Entwicklung über das Hard- und Software-Engineering, Design, Rapid Prototyping und der Durchführung einzelner Produktionsschritte bis hin zur Endmontage der Smart Glasses.
Entdecken Sie jetzt
- Lesen
- Videos
-
Podcasts
- DeepSeek bricht Open AI & Gemini Dominanz: Eine gute Nachricht für SAP (und die Industrie) | IM 05.02.2025
- Volkswagen: Chinesische Autohersteller wollen überzählige VW-Fabriken übernehmen | INDUSTRIEMAGAZIN 29.01.2025
- KTM setzt Rotstift an: Motorradproduktion im Ausland, Entlassungen, Mattighofen verkleinert |IM News 27.01.2025
„Wir haben das menschliche Blickverhalten digitalisiert.“
Nils Berger, CEO von Viewpointsystem GmbH
„Wir arbeiten in jedem Fall agil, auf diese Art können wir in kurzer Zeit digitale Produkte und Services entwickeln.“
Thomas Riedl, CEO und Co-Founder Nagarro SE
Digitale Augen mit menschlichen Zügen
Mit der Entwicklung der Technologieplattform „Digital Iris“ ist es möglich, die Wahrnehmung des Trägers mit einer smarten Brille in Echtzeit zu identifizieren. „So ist es uns gelungen menschliche Blickverhalten zu digitalisieren“, sagt Berger. Der Fokus des Trägers wird ohne zusätzliche Infrastruktur gestreamed und es kann bidirektional kommuniziert werden. Der Experte an einem anderen Standort kann über einen Link im Browser quasi durch die Augen des Trägers in Echtzeit auf die Situation schauen. Er sieht, worauf der Träger fokussiert ist, das erleichtert ihm zu verstehen, welches Problem es gibt und ob der Anwender auf die richtige Thematik schaut.
Remote kann man ein Foto aus diesem Stream zu machen, etwas hineinzeichnen und zurückschicken. So werden in schwierigen Situationen die Interpretationsmöglichkeiten auf null reduziert, weil der Experte immer sieht, ob der Anwender auf das Richtige schaut. Er kann ihn beispielsweise anleiten, von der Sicherung, auf die er schaut, vier nach rechts zu zählen und dort das Kabel zu fixieren, erklärt Nils Berger.
Auch im Trainingsbereich findet das neueste Produkt, die VPS 19, einen effizienten Einsatzbereich. Der Trainer kann ständig sehen, wohin der Trainee gerade schaut, die Anwendung vereinfacht den Prozess maßgeblich, da Erklärungsverluste wegfallen – eingesetzt beispielsweise bei der ÖBB Infra für Trainings von Mitarbeitern im Verschub, bei Takeda Austria oder Vamed AG. Indessen wachsen diie Technologien zusammen – der Einsatz von Drohnen integriert mit der Nutzung der Smartglasses, Big Data und AI wird der nächste Optimierungsschritt, weiß Thomas Riedl, Nagarro CEO. Gegen Ende der Dekade werden die ersten Smart Glasses Konkurrenz zu Handys machen – sieht Viewpointsystemschef Nils Berger den nächsten Quantensprung in den Anwendungen.