Interview : Berndorf-Boss Zimmermann: "Ich bin die Antenne"

Berndorf Zimmermann
© Berndorf

Herr Zimmermann, Sie werden im April 69. Nach Ihrem operativen Rückzug vor acht Jahren bekleiden Sie nur noch den Aufsichtsratsvorsitz der Berndorf AG und sind Aufsichtsratsmitglied bei SBO. Wie viel Zimmermann steckt denn noch in Ihren Unternehmen?

Norbert Zimmermann Das frage ich mich auch immer wieder. Aus dem operativen Geschäft habe ich mich mit dem Wechsel in den Aufsichtsrat konsequent herausgehalten. Wenn ich von Zeit zu Zeit in Berndorf bin, kennen mich die jungen Leute wahrscheinlich nicht mehr. Es wurden nicht, wie seinerzeit bei den Geschäftsstellen von Julius Meinl, Bilder des Seniors in unseren Betrieben aufgehängt. Mit der Aufsichtsratsrolle nimmt natürlich meine physische Präsenz im Unternehmen ab. Meine Tochter hat mittlerweile viele Aufgaben von mir übernommen. In den Gesprächen mit dem Vorstand und unseren Führungskräften bringe ich mich im Hintergrund aber noch voll ein. Da steckt also doch noch ausreichend Zimmermann drinnen.

Machen Ihnen die Zahlen Ihrer Unternehmen – Stichwort Ölpreiskollaps – Sorgen?

Zimmermann In Berndorf werden wir 2015 etwas schwächer abschneiden als 2014, aber immer noch sehr gut. SBO ist operativ schwarz. Das Nettoergebnis ist durch Firmenwertabschreibungen aber rot. Die Berndorf-Welt ist als Konglomerat sehr verlässlich unterwegs und produziert Jahr für Jahr zufriedenstellende Gewinne. Die SBO ist unser börsennotiertes Rennpferd, das in guten Jahren wirklich extrem gut verdient, in einem Zyklustal aber schlechte Ergebnisse liefert.

Berndorf hat sich mit acht Divisionen stark diversifiziert. Die Spannbreite reicht vom Bandbereich über den Bäderbau bis zu Automotive und Mechatronik. Wie weit sind Sie in Akquisitionsentscheidungen noch involviert?

Zimmermann Es ist mir wichtig, bei strategischen Entscheidungen noch präsent zu sein. Meine Rolle dabei ist aber mehr die des Coaches als des Alleinentscheiders. Entscheiden muss die Unternehmensführung. Ich interessiere mich für neue Technologien und Trends, z. B. Themen wie 3D-Drucken oder das "Selfdriving Car", die dann im Vorstand diskutiert werden. Ich sehe mich als eine Antenne im Unternehmen.

Bleiben wir bei einem Beispiel: 2014 wurde das bayrische Unternehmen Venturetec Mechatronics mehrheitlich übernommen, das mit 130 Mitarbeitern mechatronische Schleifringsysteme zur Datenübertragung entwickelt. Die Produkte werden in der Medizintechnik und Luftfahrt eingesetzt. Welche Rolle spielten Sie bei der Übernahme?

Zimmermann Der Vorschlag kam von Peter Pichler und Franz Viehböck.Natürlich setze ich mich dann mit dem Projekt auseinander. Und da kam ein Grundsatz der Familie zum Tragen: Es war für uns immer Prinzip, dass die Unternehmen nichts mit Militär und Waffen zu tun haben. Es wurde heftig diskutiert, dass der Defense-Bereich bei Venturetec ein nennenswertes Geschäftsvolumen ausmachte. Die Ansage war eindeutig: "Wir machen Venturetec, aber aus dem Militärbereich gehen wir bis zu einem bestimmten Datum raus." Ich möchte nicht eines Tages vor meinen Enkeln stehen, die mir sagen: "Opa, du hast mit deinem Tun beigetragen, dass Menschen getötet werden können."

Gibt es eine übergeordnete Strategie, die Sie mit der Berndorf-Gruppe verfolgen?

Zimmermann Strategie und Zufall geben einander immer die Hand. Aber wir versuchen, den Zufall so klein wie möglich zu halten. Im Jahr der Währungskrise 1993 bin ich mit Peter Pichler, meinem langjährigen Kollegen und aktuellen CEO, zusammengesessen und wir haben ein Bild entworfen, wie Berndorf im Jahr 2000 aussehen wird. Es sollte ein anderes Unternehmen werden – mit verringerter Abhängigkeit von unserer Cashcow, der Division Band, wir wollten stärker diversifiziert sein und uns über die Kernkompetenz Metallverarbeitung definieren. 2004 hat sich die Berndorf-Führung einige Male bei Zwettl für ein Wochenende getroffen und wir haben über die Zukunft nachgedacht. Dort ist auch mein Zeitplan entstanden, dass ich 2008 in den Aufsichtsrat wechsle und dass Berndorf zu dem Zeitpunkt netto schuldenfrei sein soll. Ich wollte einmal in meinem Leben erleben, dass unsere Firma keine Schulden mehr hat. 2008 war Berndorf tatsächlich schuldenfrei, was sich in den Krisenjahren 2009 und 2010 als Segen erwies. Denn viele Unternehmen haben während der Boomzeit 2005, 2006, 2007 mit hohen Multiples akquiriert, was dann in der Krise 2009 extrem problematisch war. Berndorf hat dies nicht gemacht, weil es das "netto schuldenfrei"-Ziel für 2008 gab.

Ihr persönlicher Wunsch hat alle Wachstums-Begehrlichkeiten vom Tisch gewischt?

Zimmermann Es war, um es auf Englisch zu formulieren, "right for the wrong reason". Aber es zeigt, dass wir bei unseren Plänen und Strategien bleiben, auch wenn manchmal tagesaktuelle Ereignisse dagegen sprechen. Den Fremdfinanzierungsstopp haben wir später übrigens wieder aufgehoben.

Wie hat sich Ihr Leben nach dem Ausstieg aus dem Vorstand verändert?

Zimmermann Es gibt mehr Zeit für mich. Ich bin früher hundert Tage im Jahr gereist, durch die ganze Welt. Gegen Flughäfen hat sich eine "Allergie" entwickelt, sie haben mir mit den Kontrollen und Strapazen physisch und mental wehgetan. Das wollte ich einfach nicht mehr. Ich bin definitiv kein Stress-Junkie.

Was bedeutet für Sie der Begriff Eigentümerverantwortung?

Zimmermann (überlegt) Eigentümerverantwortung ist eine wertschätzende Haltung gegenüber den Menschen, die in unseren Betrieben arbeiten und die unsere Geschäftsfreunde sind. Ich bin zuletzt mit meiner Tochter, einer langjährigen Mitarbeiterin und meiner ehemaligen Sekretärin zum Mittagessen in die Kantine gegangen und wir haben viele Menschen getroffen, die noch in meiner Zeit eingestellt wurden. Das war so ein Moment, der uns wieder daran erinnert hat: "Für all die Leute und ihre Familien sind wir verantwortlich."

Soll das heißen, Ihre Unternehmen kommen ohne Kündigungen aus?

Zimmermann Sagen wir so: Wir bauen keine Mitarbeiter ab, nur um die Rendite zu optimieren. Aber wenn es unumgänglich ist, verschließen auch wir uns nicht der Realität. Das wäre gefährlich. Wir hatten in Houston und in England jeweils zwei SBO-Werke – relativ große Betriebe – die fast das Gleiche gemacht haben. Die haben wir parallel laufen lassen, solange wir über ausreichende Auslastung verfügten. Aber wir haben immer den Plan B im Kopf gehabt: Wenn es einmal enger wird, ist das ein Potenzial, das wir mobilisieren müssen. Unter den aktuellen Bedingungen ist das dann passiert.

Wo ist der Unterschied zum "hire and fire"-Mainstream?

Zimmermann Lassen Sie mich ein Beispiel bringen: Wir nützen in der SBO alle Möglichkeiten, um die zyklischen Entwicklungen vorwegzunehmen. So haben wir mit dem Betriebsrat Arbeitszeitmodelle entwickelt, die den Auf- und Abbau großzügiger Arbeitszeitguthaben erlauben. Im Vorjahr haben wir die Arbeitszeitguthaben gegen die Krise einsetzen können. Jetzt investieren wir in die Mannschaft, auch wenn es uns Geld kostet, um sie zu halten. Es gehört zu den Führungsaufgaben von Managern, sich frühzeitig auf schwache Wirtschaftsphasen vorzubereiten und für die richtigen Maßnahmen zu sorgen.

Der Geschäftsgang der SBO ist unmittelbar mit dem Ölpreis verbunden. Was sind da Ihre Erwartungen?

Zimmermann Wir haben im SBO-Aufsichtsrat Ende 2014 die gleiche Frage diskutiert. Ein Optimist hat die Wende bereits Ende 2015 erwartet. Meine Prognose steht noch immer: Mitte 2016 kommt die Umkehr. Gerald Grohmann, der CEO von SBO, war hier deutlich vorsichtiger und stellte auf 2017 ab. Er geht davon aus, dass 2016 ein ganz schwieriges Jahr wird. Und es gab andere Ölspezialisten, die auf 2020 tippten. Ich war im ersten Quartal 2014 noch Mitglied des OMV-Aufsichtsrates, als ein hoher Ölpreis völlig selbstverständlich war. Und ich erinnere mich an Stimmen, die den Vorstand kritisch hinterfragt haben, weil er „nur“ mit 100 Dollar Ölpreis in die Budgets gegangen ist. Kein Mensch konnte sich vorstellen, dass der Ölpreis einmal so deutlich darunter liegt. Aber gehen Sie davon aus, dass alles, was jetzt geschätzt ist, auch falsch ist. Die Situation wird sich überraschend und plötzlich ändern. Die Frage ist nur wann. Wir haben schon vor einem Dreivierteljahr die Devise ausgegeben, dass sich das Unternehmen auf eine längere Durststrecke einzustellen hat. Die SBO ist cashmäßig so stark, "dass Saudi-Arabien sicher vor uns die Luft ausgeht." Und das ist eine ziemliche Ansage. Die Kunst ist, rechtzeitig die Bremse zu ziehen, aber auch rechtzeitig wieder Gas zu geben.

Wie ist das zu verstehen?

Zimmermann Die Unternehmen müssen fähig sein, 2016 oder 2017 wieder Gelegenheiten am Markt wahrzunehmen, und zwar rechtzeitig. Viele sind da immer zu spät. Die OMV hat auf den Preissturz zwar ein Fitnessprogramm angekündigt, das in der Führungsdiskussion untergegangen ist. Wir haben in der SBO da schon unsere Kostensenkungsprogramme durchgezogen und Liquidität gebunkert.

War es richtig, Gerhard Roiss an der Konzernspitze abzuberufen und den Vorstand neu zu ordnen?

Zimmermann Nicht zu diesem Zeitpunkt.

Warum?

Zimmermann Die Ablöse des OMV-Generals und das Ausscheiden anderer Vorstandsmitglieder just zu diesem Zeitpunkt war gefährlich. Roiss hat sich ja nichts zu Schulden kommen lassen. Ihm allein eine falsche Strategie vorzuwerfen, ist ein völliger Unsinn, denn die Strategie ist vom gesamten Vorstand getragen, einstimmig im Aufsichtsrat beschlossen und mit allen Eigentümern abgestimmt worden.

Wie hätten Sie es gemacht?

Zimmermann Die Ölbranche lernt nicht. Sie ist immer wieder von zyklischen Preisbewegungen überrascht. Dabei gehören die zum Geschäft. Auch diesmal wird es wieder zu einer Marktstabilisierung kommen. Wenn der Preis so weit unter dem Budgetierungsansatz liegt, ist es richtig, mit der Produktion und den Kosten runterzufahren. Aber man muss in Infrastruktur und Management darauf vorbereitet sein, anstelle der derzeit geplanten 300.000 Fass wieder ein höheres Produktionsziel anzupeilen, eben wie es ursprünglich geplant war. Jetzt E&P-Assets (Exploration and Production) in politisch sicheren Ländern zu verkaufen und auf eine rein defensive Strategie zu setzen, ist falsch. Das ist selbstverordnete Stagnation.

OMV-Chef Seele meint, alternative Energie sei wichtig, aber das Thema sollten berufenere Unternehmen vorantreiben. Er verabschiedet sich damit aus dem nachhaltigen Energiegeschäft. Teilen Sie seine strategische Beurteilung?

Zimmermann Da höre ich einen Widerspruch heraus, denn wenn die OMV ein Öl- und Gasunternehmen bleiben will, kann sie doch nur auf E&P-Wachstum mit optimaler Ausnützung der Zyklen setzen. Wenn sich die OMV nicht mit erneuerbarer Energie beschäftigt und im E&P-Bereich stagniert, was will sie in zehn oder 15 Jahren machen? Teuer zukaufen von jenen, die es jetzt besser machen?

Macht man bei der OMV jetzt auch Dinge richtig?

Zimmermann Das zu beurteilen, ist erst in ein paar Jahren möglich. Aus der SBO weiß ich, dass ein frühzeitiger Sparkurs im Down des Zyklus Panikstrategien nicht notwendig macht. In der OMV werden jetzt die ersten Maßnahmen sichtbar. Bei Petrol-Ofisi wird nun der Retourgang eingelegt. Das ist jedenfalls richtig. Ein Jahr früher wäre auch besser gewesen. Es wird spannend, wer in der heutigen Situation ein türkisches Tankstellenunternehmen kauft.

Rainer Seele sucht nach dem Kassensturz starke Partner. Kann die Gazprom einer sein?

Zimmermann Man sollte Russland nicht schlecht reden. Es ist gut, dass Gazprom und die OMV bereits lange Jahre miteinander verbunden sind. Ob es gescheit ist, weitere 24,9 Prozent in ein sibirisches Öl-Gas-Feld zu investieren, will ich nicht beurteilen. Wenn die OMV die Rolle des Finanziers und Miteigentümers mit Abnickfunktion einnimmt, dann ist das Engagement aber riskant. Dies würde die Positionierung als passiver Zuschauer der Branche auf Jahre hin zementieren. Bleibt ja noch die Frage, was Gazprom dafür will? Baumgarten, Schwechat – all dies scheidet ja nach den Worten des OMV-CEO als Verhandlungsobjekt aus.

Was bleibt jetzt?

Zimmermann Wenn die OMV eine Öl- und Gasfirma bleiben möchte, dann muss sie im attraktivsten Bereich Präsenz zeigen. Das ist der E&P-Bereich, auch wenn es da aktuell aus bekannten Gründen überhaupt nicht läuft. Wenn der Ölpreis wieder auf entsprechende Höhen zurückkehrt, dann ist es notwendig, dass eine Ölfirma Öl und Gas produziert und nicht als Händler oder Finanzinvestor agiert. Wer sich wie die Lemminge verhält, gehört immer zu den Verlierern. Die nun präsentierte neue OMV-Strategie ist langfristig zu defensiv angelegt.

Was ist genau Ihr Vorwurf?

Zimmermann Kein Vorwurf, aber eine Beobachtung. Man hätte bereits vor mehr als einem Jahr spürbar Kosten senken und Problem-Assets verkaufen müssen. Aber da hatten die Eigentümer, der Aufsichtsrat und der Vorstand offenbar andere Sorgen. Die OMV war noch vor zehn Jahren ein Trendsetter. Die Akquisition von Petrom und das Schmieden des Borealis-Konzerns machten das Unternehmen zu einem bedeutenden Faktor in der Branche. Die OMV hat mit ihrem gut aufgestellten internationalen Team alle Voraussetzungen, diese Bedeutung zu verteidigen.

Zur Person

Norbert Zimmermann (69) ist Kernaktionär der Berndorf-Gruppe und der Schoeller Bleckmann Oilfield Equipment. Der gebürtige Vorarlberger, einst Schilehrer, studierte in Wien Welthandel und übernahm 1988 in einem Management Buyout die Berndorf Metallwarenfabrik und Mitte der 90er-Jahre Teile des Ölfeldausrüsters SBO. 2008 wechselte Zimmermann in den Aufsichtsrat. Tochter Sonja übernimmt sowohl bei Berndorf als auch bei der SBO sukzessive seine Agenden. Der Ex-OMV-Aufsichtsrat gilt als versierter Kenner der Ölbranche.