Salzgitter steigt ins Panzerstahl-Geschäft ein – und rüstet sich für hohe Margen

Eine glühende Bramme rollt aus der Warmbandstraße im niedersächsischen Salzgitter. Dass sie einmal Teil eines Kampfpanzers werden könnte, war lange undenkbar. Heute ist es Realität. Seit Juli besitzt die Salzgitter AG die Zulassung der Bundeswehr für den Werkstoff Secure 500 – und wagt damit den Schritt in eines der sensibelsten Felder der Stahlproduktion: Panzerstahl.

Ein Nischenmarkt mit dicken Margen

Der Markt für Panzerstahl ist winzig, aber hochprofitabel. In ganz Europa werden derzeit nur rund 600.000 Tonnen sogenannter Sicherheitsstähle verkauft, fast ausschließlich vom schwedischen Spezialisten SSAB unter dem Markennamen „Armox“. Ob Leopard, Puma oder Boxer – nahezu alle Panzerproduzenten hängen an diesem einen Lieferanten. Mit der Wiederbewaffnung Europas wächst jedoch der Druck: Laut einer Studie von Oliver Wyman soll sich der Bedarf bis 2030 mehr als verdoppeln, bis 2032 sogar auf zwei Millionen Tonnen steigen.

Im Vergleich zu den 400 Millionen Tonnen herkömmlichen Stahls, die Europa jedes Jahr herstellt, bleibt das Segment klein. Doch Brancheninsider sprechen von Gewinnspannen von bis zu 40 Prozent – während viele Standardprodukte aktuell kaum kostendeckend verkauft werden können.

Langer Weg zur Zulassung

Im deutschsprachigen Raum gelten nur die Salzgitter AG und die Dillinger Hütte als technisch in der Lage, Panzerstahl herzustellen. Doch zwischen Können und Dürfen klafft eine Lücke. Für Rüstungsstahl sind aufwendige Zulassungsverfahren nötig, die Jahre dauern können und enge Kooperationen mit Militär und Behörden verlangen. Bei Salzgitter hat der Prozess fast drei Jahre beansprucht – inklusive eigener Beschussanlagen, um die Qualität nachzuweisen.

Entscheidend ist auch das Vertrauen der Branche. SSAB genießt mit „Armox“ seit Jahrzehnten den Status einer etablierten Marke. Salzgitter will sich nun Schritt für Schritt eine ähnliche Reputation aufbauen.

Produktion im Harz

Gefertigt wird der neue Stahl bei der Tochter Ilsenburger Grobblech GmbH, wo rund 700 Beschäftigte arbeiten. In den vergangenen Jahren investierte der Konzern dort 200 Millionen Euro in eine hochmoderne Wärmebehandlungsanlage. Durch Erhitzen und schnelles Abschrecken erhält der Stahl die nötige Härte und Zähigkeit, um als Panzerstahl zertifiziert zu werden. Perspektivisch soll auch das Stammwerk in Salzgitter in die Produktion einsteigen.

Noch spielt Grobblech im Gesamtkonzern eine Nebenrolle, es macht weniger als zehn Prozent des Umsatzes aus. Doch Panzerstahl könnte diese Sparte zu einem neuen Wachstumstreiber machen. Für 2024 will Salzgitter erstmals ein klares Umsatzziel im Rüstungsbereich festlegen.

Signal an die Börse

Anleger reagierten bereits positiv. Nach Bekanntgabe der Bundeswehr-Zulassung legte die Salzgitter-Aktie im Juli um 20 Prozent zu und hat das höhere Kursniveau seitdem gehalten. Vom Nebengeschäft könnte Panzerstahl so zur neuen Ertragsstory des Traditionskonzerns werden – und für Salzgitter beginnt damit ein Kapitel, das weit über die klassische Stahlproduktion hinausgeht.