Der Absturz von Porsche

Am 29. September 2022 herrschte Euphorie: Porsche-Chef Oliver Blume und Finanzvorstand Lutz Meschke feierten einen der größten Börsengänge der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Der neue Stern am Kapitalmarkthimmel sollte nicht nur glänzen – er sollte Anlegern zugleich eine Ferrari-Saga und eine Tesla-Erfolgsgeschichte versprechen.

Schon wenige Monate nach dem Debüt rollte Porsche direkt in den DAX. Der Kurs sprang von 82 auf fast 120 Euro. Ferrari konnte da ruhig rot bleiben – solange Porsche auf den Anzeigetafeln grün leuchtete und im Rückspiegel ein wenig wie Tesla wirkte.

Begonnen hatte alles einige Jahre vor dem Börsegang, im Herbst 2018. Der Finanzvorstand von Porsche, Lutz Meschke tat etwas, was für einen CFO, zumal eines Tochterunternehmens unvorstellbar ist: Er brachte eigenmächtig einen Börsegang von Porsche ins Spiel – und taxierte den Börsenwert gleich mit: Auf 60 bis 70 Milliarden Euro.

Bei seinem Boss, VW-Chef Diess in Wolfsburg kam das nicht gut an, doch die Eigentümerfamilien Porsche und Piëch spitzten die Ohren. Die wirtschaftliche Logik von „Projekt Phoenix“ habe – so heißt es – Wolfgang Porsche und seinen Cousin Hans-Michel Piëch überzeugt: Ein IPO würde Volkswagen wie Porsche frisches Kapital für Elektrifizierung und Digitalisierung liefern. Die immense Markenstärke von Porsche ließe sich in einen messbaren Marktwert verwandeln. Und der Börsengang würde dem Sportwagenbauer mehr unternehmerische Freiheit für Elektromobilität und Innovationspartnerschaften eröffnen.

Attraktiver Zusatznutzen für die Familien: Die Porsches und Piëchs, die sich in den Nullerjahren mit dem spektakulären Versuch verzockt hatten, den viel größeren VW-Konzern zu schlucken – und nach der Finanzkrise zusehen mussten, wie Volkswagen Porsche übernahm –, würden durch den IPO wieder Eigentümer „ihrer“ Sportwagenfirma.

Die Blaupause lag auf dem Tisch: der Ferrari-IPO von 2015. Damals brachte Fiat Chrysler seine Luxusmarke an die Börse, kassierte 982 Millionen Dollar und steigerte zugleich den Wert des Mutterkonzerns. Der Befreiungsschlag vom spießigen Volumenhersteller ließ den Ferrari-Kurs anschließend stetig steigen.
Der Ferrari-IPO sollte das Modell liefern – die Börsenstory für Porsche sollte Tesla liefern. Die Innovationskraft und die Rentabilität des Autobauer Tesla sollte die Börsestory liefern: 
Der Taycan sollte das bessere Model S sein: 2030 sollten vier von fünf verkauften Porsches rein elektrisch angetrieben werden, gebaut im brandneuen E-Autowerk am Stammsitz in Stuttgart.

Wie Tesla wollte Porsche Batterien selbst entwickeln – nur leistungsfähiger. Dazu kaufte man sich bei Zellfirmen ein, plante eigene Fabriken. Und weil Tesla seine Wagen über Starlink vernetzt, beteiligte sich die Porsche-Mutter Porsche SE kurzerhand an der Münchner Raumfahrtfirma Isar Aerospace.

Doch es sollte alles ganz anders kommen. Heute ist Porsche – ganz im Gegensatz zu Ferrari - nur noch halb soviel Wert wie beim Börsegang.

Ein Premium-Hersteller, der mit 300.000 Stück im Jahr massenkompatibel sein muss funktioniert sowohl im Alltagsgeschäft als auch an der Börse anders als ein Autobauer der jährlich 13.000 Sammlerstücke produziert.

Auch die erhofften Tesla-Parallelen platzten: Der Taycan wurde zum Flop, die Elektrostrategie liegt mit dem Ende von Cellforce in Trümmern.

Die Eigentümerfamilien bekamen mit dem Börsengang, was sie wollten – aber wohl kaum so, wie sie es sich vorgestellt hatten. Heute halten sie strategische Ankerbeteiligungen an zwei schwächelnden Unternehmen.

Wohl auch deshalb hat man längst den Blick auch über den Automotiven Tellerrand gerichtet. Die Porsche SE, die die Beteiligung der Unternehmerfamilien hält sieht sich –um das Risiko zu streuen - längst um andere Handlungsfelder, etwa im Rüstungsbereich um.

Und Lutz Meschke und Oliver Blume, die vor ziemlich genau drei Jahren den Börsegang gefeiert haben? Meschke schied im Februar als Finanzvorstand der Porsche AG aus. Der Mann, der einst mit seinem Vorstoß den Börsegang angestossen hat – und kurz darauf in den Vorstand der Familienholding SE aufgerückt ist bleibt jedoch im Leitungsgremium der Familienholding.

Und auch für VW-Chef Oliver Blume läuft der Countdown: Seine Doppelrolle als Konzernlenker und Porsche-CEO steht vor dem Ende, die Nachfolge ist bereits in Vorbereitung.

Was bleibt, ist die Frage: Ob Porsche noch einmal aufsteigen kann – oder ob Phoenix endgültig Asche bleibt.