Cellforce-Pleite: Wie Porsche seine Batteriestrategie begräbt
Der kleine Ort Kirchentellinsfurt bei Reutlingen in Baden-Württemberg – einst das Herz der Elektrovision des schwäbischen Sportwagenbauers. Das Herzstück der Elektrostrategie der Schwaben, ein Leuchtturmprojekt im Volkswagen-Konzern.
Heute droht der Ort, zum Mahnmal für Europas gescheiterte Batterieträume zu werden. Als Porsche 2021 die Mehrheit an dem jungen Batterie-Start-up Cellforce übernahm, waren die Pläne nichts weniger als visionär: High-Performance-Zellen aus deutscher Fertigung, maßgeschneidert für Sportwagen wie den Taycan – und für den Motorsport.
Die Zauberformel klang simpel: Silizium-Anoden für mehr Energiedichte und kürzere Ladezeiten, verpackt in flachen „Kissenzellen“ statt in herkömmlichen Rundzellen.
Doch was in der Theorie nach einem technologischen Durchbruch aussah, entwickelte sich in der Praxis zur Quadratur des Kreises. An starken Partnern mangelte es nicht: BASF für das Kathodenmaterial, Group14 aus den USA – ein Weltmarktführer für Siliziumtechnologie –, dazu die Maschinenbauer Dürr und Trumpf für die Produktionstechnik.
Schon damals war klar: Cellforce sollte kein Massenhersteller sein. Eher eine Manufaktur für Spitzenleistung – mit gerade einmal 100 Megawattstunden Jahreskapazität, genug für rund 1.000 Fahrzeuge. Ein technologisches Alleinstellungsmerkmal, kein Volumenprojekt.
Doch die großen Versprechen der Silizium-Anode scheiterten am Alltag: Silizium dehnt sich beim Laden aus – um bis zu 300 Prozent. Andere Hersteller mischen deshalb nur kleine Mengen in ihre Graphit-Anoden. Porsche aber wollte das Vollgas-Experiment – und zahlte dafür teuer.
Jahre der Pilotfertigung brachten vor allem eines: hohe Ausschussraten. Mal setzte man auf Kissenzellen, dann auf prismatische Formate, später auf Rundzellen – nur um am Ende wieder bei den Kissenzellen zu landen. Jeder dieser Wechsel bedeutete neue Maschinen, neue Lieferketten, neue Verzögerungen. Ergebnis: Prototypen ja, Serienprodukte nein.
Zwischenzeitlich wuchsen die Ambitionen. Aus der kleinen Manufaktur sollte plötzlich eine „Mini-Gigafactory“ werden: Man diskutierte sogar schon den Standort, der in Zukunft Silizium-Batterien für 150.000 bis 200.000 Fahrzeuge pro Jahr in Serie produzieren sollte. Die Realität holte die Schwaben schnell ein.
Im April 2025 zog Porsche die Reißleine: Cellforce wird nicht mehr eigenständig fortgeführt. Die Suche nach Investoren begann. BMW schickte Vertreter nach Kirchentellinsfurt, auch Unternehmen aus der Rüstungsindustrie zeigten Interesse – die einen an E-Auto-Zellen, die anderen an Batterie-Technik für Drohnensysteme. Doch aus Gesprächen wurde kein Geschäft.
Gleichzeitig rutschten die Zahlen ab: Elektroverkäufe blieben hinter den Erwartungen zurück, der Umsatz sank, der Gewinn brach um über 90 Prozent ein.
Im Halbjahresbericht stand es schwarz auf weiß: 295 Millionen Euro Abschreibung allein 2025, insgesamt 1,3 Milliarden Euro Sonderaufwendungen seit 2021.
Für Porsche ist das ein herber Schlag. Denn mit Cellforce verabschiedet sich nicht nur ein Prestigeprojekt, sondern auch der Traum, den Elektrosportwagen das perfekte Herz zu verpassen – maßgeschneidert, schwäbisch präzise. Im Hochleistungssegment, wo man gerne technologische Alleinherrschaft reklamiert, ist diese Abhängigkeit von koreanischen und cheinesischen Zulieferern bitter – fast so bitter wie ein Boxenstopp zu früh.