Buderus: 300 Jahre Stahlgeschichte in Hessen gehen zu Ende
Fast drei Jahrhunderte lang stand Buderus Edelstahl für Stahl aus Wetzlar. Doch nun ist Schluss: Der traditionsreiche Standort fährt bis Ende Oktober 2025 die Produktion herunter, zum Jahresende sollen die Hochöfen endgültig erlöschen. Rund 450 der derzeit 1.120 Beschäftigten verlieren ihren Arbeitsplatz – das Ende einer Ära der hessischen Industriegeschichte.
Verkauf an Georgsmarienhütte
Das Warmwalzwerk und die mechanische Bearbeitung von Buderus mit etwa 600 Mitarbeitern gehen an die Georgsmarienhütte-Gruppe (GMH). Der drittgrößte deutsche Stahlhersteller beschäftigt rund 6.000 Menschen und erzielte zuletzt 2,3 Milliarden Euro Umsatz. Doch die Übernahme hat klare Grenzen: An der eigentlichen Stahlproduktion von Buderus hat GMH kein Interesse.
Ein Grund dafür: Auch im eigenen Haus wackelt der Hochofen. „Wir kommen jeden Tag dem Abgrund näher“, warnte Geschäftsführerin Anne-Marie Großmann bereits Anfang des Jahres. Die Energiekosten der Gruppe haben sich seit 2019 von 37 auf 84 Millionen Euro verdoppelt – eine Last, die selbst ein Milliardenkonzern nicht unbegrenzt tragen kann.
Von der Rettung zur Krise
Für die Region ist der Name Großmann untrennbar mit der Stahlgeschichte verbunden. Jürgen Großmann, Vater der heutigen Chefin, rettete das Werk Anfang der 1990er-Jahre aus der Klöckner-Insolvenz – damals für symbolische zwei Mark. Tausende Arbeitsplätze und das industrielle Rückgrat einer ganzen Region blieben so erhalten. Heute kämpft die nächste Generation mit ganz ähnlichen Existenzfragen.
Schmiede für die Rüstungsindustrie
Nicht alles an Buderus verschwindet. Die Gesenkschmiede bleibt beim Finanzinvestor Mutares, der sie in die neu geschaffene FerrAl United Group einbringt. Dort setzt man auf das wachsende Geschäft mit der Verteidigungsindustrie. Gefertigt werden Antriebs-, Getriebe- und Achskomponenten, die auch für militärische Fahrzeuge genutzt werden können.
Mutares hat mit dieser Strategie bereits Erfolg: Nach der Übernahme von Steyr Motors in Österreich wurden neue Kunden im Defence-Bereich gewonnen – der Börsengang des einstigen Sorgenkindes entwickelte sich zum gefeierten Höhenflug.
Symbol für den Strukturwandel
Mit der Stilllegung des letzten Hochofens in Hessen verschwindet nicht nur ein traditionsreicher Name, sondern ein ganzes Kapitel Industriegeschichte. Buderus steht exemplarisch für eine Entwicklung, die viele Regionen trifft: Selbst jahrhundertealte Industrien sind nicht immun gegen explodierende Energiekosten, geopolitische Umbrüche und den Wandel der globalen Märkte.