Aus der Garage ins Gefecht: Schaeffler will ins Rüstungsgeschäft einsteigen

In wenigen Wochen schließt das einzige österreichische Schaeffler-Werk in Berndorf endgültig seine Pforten. Betroffen sind 450 Beschäftigte, die bislang Radlager und Getriebelager für schwere Nutzfahrzeuge gefertigt haben. Insgesamt streicht der Automobilzulieferer dieses Jahr in Europa rund 5.000 Arbeitsplätze – die Hälfte davon in Deutschland.

Doch beim bloßen Gesundschrumpfen, wie es derzeit die gesamte Autoindustrie betreibt, wollen es Schaeffler-Eigentümer und Aufsichtsratschef Georg Schaeffler und sein CEO Klaus Rosenfeld nicht belassen. Eine strategische Kehrtwende soll den Abschied vom reinen Automobil- und Industriegeschäft einleiten. 

Rosenfeld will den Konzern zukünftig ins Geschäft mit humanoider Robotik steuern – und, vor allem, in die Rüstung einsteigen. Der Farbwechsel im Geschäftsmodell ist damit klar: von Grün in Richtung Olivgrün.

Der Automobil- und Industriezulieferer denkt laut über ein neues Geschäftsfeld nach, das deutlich martialischer klingt als Kupplung, Kurbelwelle oder E-Antrieb: Die Franken prüfen, ob sich ein größerer Einstieg in die Rüstungsindustrie lohnen könnte.

"Wir sind dabei, neue Wachstumsfelder aufzubauen – es geht dabei vor allem um Humanoide Robotik und Verteidigung. Daran wird intensiv gearbeitet“ sagte Schaeffler-Vorstandschef Klaus Rosenfeld in der Vorwoche. 

Bislang sind die militärischen Lieferungen von Schaeffler kaum mehr als eine Randnotz im Geschäftsbericht: ein paar Millionen Euro Umsatz, vor allem mit Präzisionslagern für Flugzeuge – geliefert von den US- und Kanada-Töchtern in Richtung USA. Klassisches Dual-Use-Material also: ein Kugellager dreht sich im Airbus genauso wie im Kampfjet.

Der strategische Schwenk von Grün zu Olivgrün kommt nicht von ungefähr. Schon vor Jahren hatte Rosenfeld betont, dass Schaeffler durchaus über Kompetenzen für Verteidigungssysteme verfügt. Was bisher nur ein Nebensatz war, könnte bald ein neues Kapitel werden.

Schaeffler will dabei mehr sein als der klassische Lagerlieferant. In Zukunft könnte der Konzern Systeme anbieten, bei denen Hardware, Software, Sensorik und Steuerung ineinandergreifen – vom mechatronischen Bauteil bis zur kompletten Funktionslösung. Mit einem Bein in der Robotik, mit dem anderen im Defence-Sektor. 

Der neue Kurs zwingt Schaeffler, die Messlatte bei Qualität, funktionaler Sicherheit und Zuverlässigkeit noch höher zu legen – schließlich gelten in der Rüstung andere Standards als im Mittelklasse-SUV.

Denkbar sind etwa die Lieferung von Wälzlager, Radnaben- oder Achssysteme für Fahrzeuge oder Miniatur-Präzisionslager für Turbinen, Steuerungseinheiten oder Waffensysteme. Denkbar auch hochtemperaturbeständige Lager und Aktuator-Komponenten, die in Raketen verbaut werden können. Und im Bereich der Mechatronik:  Gelenk- und Antriebssysteme für humanoide Roboter – ein Bereich, den Rosenfeld ausdrücklich als Wachstumsfeld nennt. 

Insgesamt kommt der Konzern bislang vergleichsweise robust durch die Branchenkrise – dank seiner breiten Aufstellung vom Wälzlager bis zum Elektroantrieb. Vor allem das Geschäft mit E-Mobilitätslösungen wächst, während das Geschäft mit klassischen Getrieben und Fahrwerken schwächelt.

Doch selbst Schaeffler muss sparen: 4.700 Stellen sollen europaweit gestrichen werden, davon 2.800 in Deutschland. Und auch in Österreich ist Schluss: Im Werk in Berndorf läuft der Rückbau bereits. Ende des Jahres fällt der Vorhang – 450 Jobs sind weg.