Defence-Zulieferer : Winkelbauer-Strategie: Mit Panzerstahl in die Elite der Wehrtechnik
Komponentenfertigung bei Winkelbauer: Von Bauindustrie bis Defence
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In der oststeirischen Gemeinde Anger steht ein Familienunternehmen, das seit Jahrzehnten für robuste Baumaschinen-Ausrüstungen, hochfeste Stähle und präzise Schweißtechnik bekannt ist. Die Rede ist von Winkelbauer, einem Betrieb, der sich mit Innovationskraft und Fertigungstiefe einen Namen gemacht hat und nun in eine neue Ära aufbricht. Das Unternehmen zieht erste Aufträge im Defence-Sektor an Land, arbeitet bereits an Bauteilen für militärische Anwendungen und steht – nachdem man bereits die DIN 2303 (Klasse Q2) abgelegt hat – vor weiteren Zertifizierungen, die den Weg in den europäischen Verteidigungsmarkt endgültig öffnen sollen.
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„Wir gehen voll positiv ins Thema“, sagt Stephan Winkelbauer, der im Unternehmen den Bereich Business Development Defence verantwortet. „Uns ist klar, dass auf uns keiner gewartet hat – aber wir wissen, was wir können.“ Der Familienbetrieb hat früh begonnen, seine Fertigungsprozesse auf Anforderungen der Wehrtechnik auszurichten. Anders als viele Neueinsteiger, die erst mit dem aktuellen sicherheitspolitischen Umdenken in Europa auf das Thema aufmerksam geworden sind, startete Winkelbauer den Prozess bereits vor einigen Jahren, als noch kaum jemand von einer „Zeitenwende“ sprach.
„Damals hat keiner gesagt, wir brauchen neue Lieferanten“, erinnert sich Winkelbauer. „Heute ist in der Branche vieles in der Pipeline, aber insgesamt immer noch wenig bestellt.“ Derzeit befinde sich Europa in einer Phase des Wiederaufbaus seiner Verteidigungsfähigkeit – „es wird viel geplant, aber Entscheidungen lassen noch auf sich warten.“
Königsklasse der Wehrtechnik: Wie Winkelbauer die Q3-Zertifizierung meistert
Eine zentrale Hürde auf dem Weg in den Defence-Markt ist die DIN 2303, jene Norm, die die Anforderungen an das Schweißen von militärischen Produkten definiert. Winkelbauer hat diese Zertifizierung bereits erfolgreich abgeschlossen. „Wir sind durch das Eintrittstor durch“, sagt Winkelbauer. „Jetzt laufen wir sozusagen den Marathon weiter“, sagt er. Das Unternehmen befindet sich aktuell in der Qualifizierungsstufe Q3, der höchsten Stufe für Hersteller von geschweißten Bauteilen im militärischen Bereich. Diese Stufe gilt als Königsklasse, da sie eine umfassende Dokumentation, Rückverfolgbarkeit und Schulung der Fachkräfte verlangt. „Da wird jedes Gerät einzeln geprüft, beschossen, jedes Material ist rückverfolgbar – von der Schmelze im Hochofen bis zur fertigen Komponente“, erläutert Winkelbauer.
Die Bearbeitung hochfester Stähle ist für das Unternehmen keine neue Herausforderung. Seit über zwei Jahrzehnten arbeitet Winkelbauer eng mit dem schwedischen Stahlhersteller SSAB zusammen,– der Konzern ist weltweit führend bei Spezialwerkstoffen wie Hardox und Armox. Diese Materialien, die in der Panzerung, im Fahrzeugbau oder bei Schutzeinrichtungen verwendet werden, sind drei- bis sechsmal so hart wie klassischer Baustahl.
Schon heute fertigt Winkelbauer Komponenten, die in militärisch sensiblen Projekten Verwendung finden. Über die konkreten Auftraggeber spricht Winkelbauer nur eingeschränkt, doch einige Anwendungen sind bekannt: So produziert das Unternehmen Einhausungen für Großtransformatoren, die in den USA eingesetzt werden. Auftraggeber ist ein deutscher Technologiekonzern, der damit kritische Infrastruktur gegen Angriffe und Sabotage schützt. Die Komponenten bestehen aus 20 Millimeter starkem Hardox-Stahl, gefertigt in höchster Präzision. Darüber hinaus beliefert Winkelbauer auch das Österreichische Bundesheer und die Armee Suisse im Bereich Pioniertechnik und Schutzausrüstung. Diese Projekte unterliegen zwar nicht den strengen Bundeswehrnormen, zeigen aber, dass das Unternehmen auch im sicherheitsrelevanten Umfeld bereits gefragt ist.
Österreich bremst: Warum Defence-Zulieferer wie Winkelbauer ins Ausland müssen
Derzeit arbeitet das Unternehmen daran, die nächste Zertifizierungsstufe zu erreichen – den Schritt in die „Q3-Klasse“. Damit wäre Winkelbauer für nahezu alle Defence-Projekte innerhalb der EU und insbesondere in Deutschland zugelassen. „Wir sind schon mittendrin im Prozess“, sagt Winkelbauer. Das Material wird getestet, beschossen, die Mitarbeiter werden geschult. Der bürokratische Aufwand ist groß: Jedes Materiallos, das für Defence-Komponenten verarbeitet wird, wird von einem Vertreter der deutschen Bundeswehr in Schweden abgenommen und erhält eine individuelle Nummer. Diese Rückverfolgbarkeit zieht sich über den gesamten Fertigungsprozess. „Das verlängert die Lieferzeiten“, sagt Winkelbauer. „Wenn wir Material ohne Bundeswehrfreigabe bestellen, dauert es halb so lange“, sagt er. Dennoch sieht das Unternehmen die strengen Anforderungen nicht als Hindernis, sondern als strategische Investition.
Was in Deutschland längst Realität ist, steckt in Österreich noch in den Anfängen. Winkelbauer kritisiert, dass es hierzulande keine eigenständige Prüfinstanz für Defence-Zertifizierungen gibt. „Bis vor kurzem musste jeder österreichische Betrieb einen deutschen Auditor einfliegen lassen“, erklärt er. „Erst jetzt dürfen in Österreich die ersten Stellen die Einstiegsstufe der DIN 2303 abnehmen – aber auch nur diese“, sagt er. Der Mangel an nationalen Strukturen betrifft auch Förderprogramme. „Wenn man bei Förderstellen anruft und das Wort ‚Rüstung‘ erwähnt, ist das Gespräch meist schnell vorbei“, sagt Winkelbauer. Wie viele österreichische Defence-Zulieferer sieht auch Winkelbauer in industriellen Kooperationen und Gegengeschäften den entscheidenden Hebel. „Andere Länder fordern klare Prozentsätze, was im Land produziert werden muss. Österreich tut das nicht – und verschenkt damit Wertschöpfung“, so Winkelbauer.
Die enge Partnerschaft mit dem schwedischen Stahlproduzenten und die jahrzehntelange Erfahrung im Maschinenbau machen den Familienbetrieb zu einem gefragten Partner – auch für internationale OEMs. „Wir arbeiten seit Jahren mit Liebherr, Siemens und Caterpillar zusammen“, sagt Winkelbauer. Diese OEM-Erfahrung helfe, mit den großen Defence-Konzernen auf Augenhöhe zu agieren. Und: „Wir sind es gewohnt, in unplanbaren Märkten zu arbeiten“, meint Winkelbauer mit Blick auf die Baukonjunktur. Verglichen damit sei der Defence-Sektor "fast planbar".