EU Innovationsförderung : Wie die EU Österreichs Forschung beflügelte: Vom Kulturschock zum Milliarden-Erfolg

Forschungskooperation zwischen ZKW und Rehau
- © www.zoegl.atDer EU-Beitritt hat Österreichs Forschungs- und Technologiesektor maßgeblich vorangebracht. Trotz eines anfänglichen "Kulturschocks" und der Sorge, lediglich als Nettozahler zu agieren, habe sich der Beitritt als klare Chance erwiesen, erklärt Klaus Schuch vom Zentrum für Soziale Innovation (ZSI) gegenüber der APA. Die eingeworbenen Mittel im Rahmen der EU-Forschungsrahmenprogramme stiegen von rund 200 Millionen auf über zwei Milliarden Euro – eine Verzehnfachung in knapp drei Jahrzehnten.
Ein Schlüsselfaktor für diesen Erfolg war laut Schuch die enge Zusammenarbeit der zuständigen Ministerien für Forschung, Technologie und Innovation bei der Schaffung einer nationalen Unterstützungsstruktur. „Die österreichischen Forscherinnen und Forscher wussten ja nicht, wie das europäische Spiel funktioniert“, so der ZSI-Leiter, der auch am aktuellen „Forschungs- und Technologiebericht 2025“ mitwirkte.
Ein wichtiges Instrument war dabei die Gründung des Büros für internationale Forschungs- und Technologiekooperation. Dieses berät bis heute darüber, wie Fördergelder aus EU-Töpfen zielgerichtet abgerufen werden können. Die Unterstützungsstruktur, inzwischen bei der Forschungsförderungsgesellschaft FFG angesiedelt, bleibt laut Schuch essenziell, da sich die Rahmenprogramme laufend verändern.
Nie mehr die wichtigsten News aus Österreichs Industrie verpassen? Abonnieren Sie unser Daily Briefing: Was in der Industrie wichtig wird. Täglich um 7 Uhr in ihrer Inbox. Hier geht’s zur Anmeldung!
Es war auch ein Kulturschock, dass man Anträge auf Englisch einreichen sollte. Das war vor 30 Jahren nicht selbstverständlich.Klaus Schuch vom Zentrum für Soziale Innovation
Anfangshürden: Sprachbarrieren und fehlende Programme
Ein unerwarteter Stolperstein beim EU-Einstieg: „Es war auch ein Kulturschock, dass man Anträge auf Englisch einreichen sollte. Das war vor 30 Jahren nicht selbstverständlich“, erinnert sich Schuch. Damals fehlten in Österreich thematische Forschungsförderprogramme, wie sie auf EU-Ebene genutzt werden, um nationale und europäische Mittel für strategische Ziele – etwa in Materialwissenschaften, Quantentechnologie oder Mikroelektronik – zu bündeln.
Vor allem im naturwissenschaftlich-technischen Bereich wurden nationale Programme rasch weiterentwickelt, um sich an europäische Standards anzupassen. Diese Dynamik hat den Aufholprozess Österreichs im Bereich Forschung und Entwicklung (F&E) wesentlich beschleunigt.
Ein deutliches Zeichen dieser Entwicklung zeigt sich in der Forschungsquote: Lag sie 1995 noch bei rund 1,5 Prozent des BIP, stieg sie bis 2015 auf etwa 3,1 Prozent und erreichte zuletzt 3,35 Prozent. „Österreich hat damals viel Geld in Forschung gesteckt – immer mit dem Anspruch, die Wirtschaft mitzunehmen“, betont Schuch.
Break-even 2002 – ein Wendepunkt
Nur sieben Jahre nach dem EU-Beitritt gelang 2002 der sogenannte Break-even: Die Rückflüsse aus den EU-Forschungsprogrammen übertrafen erstmals die nationalen Beiträge Österreichs im Bereich Forschung und Entwicklung. Heute zählt das EU-Rahmenprogramm mit jährlich rund 300 Millionen Euro Rückflüssen zu den drei wichtigsten Förderquellen für Forschung in Österreich – nach der FFG (1,23 Mrd. Euro) und dem Wissenschaftsfonds FWF (408 Mio. Euro), so Schuch.
Auch ohne EU-Beitritt hätte Österreich aufgrund des Niedergangs der verstaatlichten Industrie in Forschung investieren müssen. Doch Schuch ist überzeugt: „Wir wären am Weißwurst-Äquator stecken geblieben. Die Internationalisierung hätte sicherlich stark darunter gelitten.“ Inzwischen forscht ein breites Spektrum internationaler Talente an österreichischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen – ein klarer Standortvorteil.
Ohne die Öffnung nach Europa hätte auch die Marktentwicklung jener Unternehmen gelitten, die heute erfolgreich am EU-Rahmenprogramm teilnehmen.
Neuausrichtung des EU-Fokus: Von Klima zu Wettbewerbsfähigkeit
Während im aktuellen Programm „Horizon Europe“ bisher Klimathemen dominierten, verlagert sich der Fokus nun zunehmend auf Wettbewerbsfähigkeit. Ausschlaggebend dafür sind unter anderem die strategischen Visionen von Enrico Letta und Mario Draghi, die ambitionierte Ziele für technologisches Wachstum und Souveränität Europas formulieren.
Auch militärische Forschung soll künftig stärker berücksichtigt werden. Wie sich das mit Prinzipien wie Open Science oder Publikationspflichten vereinbaren lässt, bleibt offen.
Was das nächste – das zehnte – EU-Forschungsrahmenprogramm bringen wird, ist derzeit noch unklar. Das aktuelle „Horizon Europe“ (FP9) läuft bis Ende 2027 und ist mit rund 100 Milliarden Euro ausgestattet. Für den Nachfolger (FP10) fordern 32 europäische Wissenschaftsakademien ein Budget von 220 Milliarden Euro.
Allerdings kursieren Gerüchte, das Programm könne in einem allgemeinen Wettbewerbsfähigkeitsfonds aufgehen. In der Wissenschaftscommunity stößt das auf deutliche Kritik: Man befürchtet einen Verlust an Sichtbarkeit für die Forschung.
Ein Umbau des Programms könnte dazu führen, dass Forschungsgelder in andere Politikfelder umgelenkt werden. Wenn künftig nur noch ein großer Fördertopf ohne klare Budgettrennung existiert, könnten die Grenzen zwischen Wirtschafts- und Forschungsförderung verschwimmen. „Mittlerweile warten alle gespannt, wie der Hase vor der Schlange, was die Kommission im Laufe des Sommers präsentieren wird“, so Schuch.
Klar ist nur: Die österreichische Bundesregierung spricht sich in ihrem Programm ausdrücklich für ein starkes und eigenständiges nächstes EU-Forschungsrahmenprogramm aus.