Varta-Batteriehersteller Insolvenz : Varta-Sanierung: Porsche und Tojner setzen auf radikalen Schuldenschnitt

Warte-Zentrale in Wien

Ist die Insolvenz von Varta vorerst abgewendet?

- © Varta

Der angeschlagene Batteriehersteller Varta hat offenbar einen entscheidenden Fortschritt in Richtung Sanierung gemacht. Laut einer Pressemitteilung des Unternehmens vom Samstag haben sich die Gläubiger sowie der österreichische Hauptaktionär Michael Tojner auf ein Sanierungskonzept verständigt, das einen Schuldenabbau von 485 Millionen auf 200 Millionen Euro vorsieht. Gleichzeitig bringen Tojner und der Sportwagenhersteller Porsche frisches Kapital in Höhe von 60 Millionen Euro in das Unternehmen ein. Ein Teil der Investition Tojners seien Immobilien, die Varta derzeit miete.

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Für die übrigen Aktionäre bedeutet dies jedoch Verluste, da das Grundkapital der Gesellschaft auf null gesetzt wird, wie in der Mitteilung des deutschen Unternehmens betont wird. An der Börse kam der drohende Totalverlust für die Aktionäre nicht gut an. Die Aktien des Batteriekonzerns brachen am Montag bis auf 0,76 Euro ein. Die neuen Eigentümer von Varta werden demnach der bisherige Mehrheitsaktionär Tojner sowie der Porsche-Konzern sein, dessen Einstieg bereits zuvor spekuliert wurde. Die Gläubiger stellen zusätzlich 60 Millionen Euro als vorrangig besicherte Darlehen zur Verfügung. Banken, die neue Kredite gewähren, sollen im Gegenzug 36 Prozent potenzieller zukünftiger Ausschüttungen erhalten.

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Varta-Insolvenz abgewendet?

"Trotz der aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen bietet das Unternehmen großes Potenzial, um Europas Batteriezellforschung und -produktion unabhängiger von asiatischen Lieferanten zu gestalten. Gemeinsam mit Porsche wollen wir einen Beitrag dazu leisten. Mit der heutigen Einigung ist uns zusammen ein erster wichtiger Schritt gelungen, der die Stabilität der VARTA AG sichert und den Weg für einen Neustart ebnet", kommentierte Tojner die Kapitaleinlage.

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Es könnte jedoch noch ein weiterer Investor zu Varta stoßen. "Wir sind in fortgeschrittenen Gesprächen mit weiteren Investoren, die bei uns gerne einsteigen würden", erklärte Varta-Chef Michael Ostermann gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.

Eine Insolvenz des Unternehmens scheint mit diesem Sanierungskonzept vorerst abgewendet zu sein, wie ein Unternehmenssprecher auf Anfrage der APA bestätigte. Das sogenannte vorinsolvenzliche Verfahren bleibe jedoch weiterhin bestehen. Ostermann hatte im Juli eine umfassende Sanierung nach dem deutschen StaRUG-Restrukturierungsgesetz angekündigt, nachdem Varta aufgrund kostspieliger Fehlinvestitionen nicht mehr in der Lage war, seine Schulden zu bedienen.

Michael Tojner
Michael Tojner - © Montana Tech Components

Finanzierung bis 2027 gesichert

Operativ sind mit dem Sanierungskompromiss keine drastischen Einschnitte zu erwarten. "Wir wollen sowohl im Bereich der Batteriespeicher für Photovoltaik-Anlagen als auch bei den Knopfzellen für Apple-Kopfhörer wachsen. Dort suchen wir aktuell sogar Personal", sagte Ostermann laut Reuters. Varta wird alle deutschen Standorte beibehalten, lediglich in der Verwaltung ist ein "moderater" Stellenabbau geplant. "Wir werden Varta wieder auf einen profitablen Wachstumskurs bringen."

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Die am Samstag verkündeten Schritte zur Sanierung des angeschlagenen Batterieproduzenten Varta bedürfen nun der Zustimmung der zuständigen Gremien sowie des deutschen Bundeskartellamts. Darüber hinaus müssen die geplanten Maßnahmen, einschließlich eines Schuldenschnitts, dokumentiert und bei Gericht eingereicht werden, wie ein Unternehmenssprecher am Sonntag mitteilte.

Wenn alles nach Plan verläuft, soll das Sanierungskonzept die Finanzierung von Varta bis Ende 2027 sicherstellen. Nach Abschluss aller Kapitalmaßnahmen werden MT InvestCo und Porsche jeweils 32 Prozent der Anteile an Varta halten, während die restlichen Finanzierer zusammen auf 36 Prozent kommen. Laut Mitteilung werden die Beteiligungen rechtlich zunächst zu gleichen Teilen von MT InvestCo und Porsche gehalten, "wobei bei der Ausgestaltung darauf geachtet würde, dass weder MT InvestCo noch Porsche noch beide gemeinsam die Kontrolle hätten."

Porsche hatte zuvor angekündigt, die Mehrheit an Vartas Tochtergesellschaft V4Drive Battery übernehmen zu wollen. Gleichzeitig erklärte sich Porsche bereit, "mit weiteren Partnern" an der finanziellen Neustrukturierung der Varta AG mitzuwirken, wobei Porsches Investition sich auf 30 Millionen Euro belaufen würde. In der V4Drive Battery bündelt Varta sein Geschäft für großformatige Lithium-Ionen-Rundzellen, die unter anderem im Hybrid-Antrieb des Porsche 911 Carrera GTS eingesetzt werden.

Varta hat Lithium-Ionen-Zellen entwickelt, die sich durch ihre Schnellladefähigkeit und hohe Beschleunigungsleistung auszeichnen.
Varta hat Lithium-Ionen-Zellen entwickelt, die sich durch ihre Schnellladefähigkeit und hohe Beschleunigungsleistung auszeichnen. Porsche ist daran interessiert. - © Varta

Kommt ein Stellenabbau?

Die am Samstag erzielte Einigung konkretisiert die Ankündigungen, die Varta vor etwa einem Monat gemacht hatte. Damals gab das Unternehmen bekannt, beim Amtsgericht Stuttgart ein Restrukturierungsvorhaben nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) eingereicht zu haben. Die bisherigen Aktionäre sollten verdrängt und die Gläubiger auf einen Großteil ihrer Forderungen verzichten. Mehrheitseigner Tojner erklärte damals: "Wir müssen diesen Schritt setzen, um Varta eine Zukunft zu geben, fast 4.000 Arbeitsplätze zu sichern und das Unternehmen als Wirtschaftsfaktor in der Region und vor allem als Technologieträger für Europa zu erhalten."

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Ein Sprecher stellte auf Nachfrage klar, dass voraussichtlich ein moderater Stellenabbau in der Verwaltung erfolgen wird. Im Gegensatz dazu werden im gewerblichen Bereich weiterhin Arbeitskräfte gesucht. Welche Auswirkungen dies letztendlich auf die Gesamtzahl der Mitarbeitenden haben wird, lässt sich derzeit noch nicht abschätzen. Bereits im Frühjahr 2023 hatte Varta im Rahmen eines Sparprogramms angekündigt, weltweit etwa 800 Stellen abzubauen, darunter rund 390 in Deutschland.

Der Batteriekonzern steckt schon seit einiger Zeit in einer Krise. So schwankt etwa die Nachfrage nach Lithium-Ionen-Knopfzellen, wie sie unter anderem in Kopfhörern verwendet werden, erheblich. Zudem hatte Varta zuletzt mit starker Konkurrenz aus China und anhaltenden Problemen in den Lieferketten zu kämpfen. Im Februar legte ein Hackerangriff Vartas Computersysteme lahm und führte wochenlang zu Produktionsausfällen. Im April musste Varta eingestehen, dass das eigene Umstrukturierungskonzept nicht mehr ausreicht, um wie geplant bis Ende 2026 wieder auf einen profitablen Wachstumskurs zu kommen. Im Juni senkte das Unternehmen aufgrund schwacher Nachfrage seine Umsatzerwartungen für 2024. Der Umsatz soll sich nun in diesem Jahr auf 820 bis 870 Millionen Euro belaufen, während der Vorstand zuvor mit mindestens 900 Millionen Euro gerechnet hatte.

In den ersten neun Monaten des Jahres 2023 erzielte Varta einen Umsatz von rund 554 Millionen Euro. Aufgrund eines Hackerangriffs liegen derzeit keine aktuelleren Geschäftszahlen vor. Angaben zum ersten Quartal 2024 werden am 30. August erwartet, der Geschäftsbericht für 2023 soll Ende Oktober veröffentlicht werden.

Die Angst vor einem Totalausfall hatte den Aktienkurs bereits im Juli abstürzen lassen. Von gut 10 Euro war es binnen weniger Tage auf weniger als 1,50 Euro nach unten gegangen. Eine vage Hoffnung, dass es vielleicht doch nicht so schlimm kommen wird, hatte zuletzt dann für eine kleine Erholung gesorgt. Varta war 2017 für 17,50 Euro je Aktie an die Börse gebracht worden und war lange Zeit gefragt. Anfang 2021 war der Kurs - auch wegen des boomenden Geschäfts mit kleinen Akkus etwa für kabellose Kopfhörer - bis auf 181,30 Euro gestiegen. Seither geht es abwärts.

Der Plan zur Rettung von Varta sieht jetzt einen Schuldenschnitt von 485 Millionen auf 200 Millionen Euro vor. Dafür schießen Michael Tojners Montana Tech Gruppe und der Sportwagenbauer Porsche jeweils 30 Millionen Euro frisches Kapital zu. Weitere 60 Millionen Euro geben die bisherigen Gläubiger, als vorrangig besicherte Darlehen, die höher verzinst werden. Die bisherigen Aktionäre der Varta AG verlieren ihren Einsatz. Denn mit dem Schuldenschnitt wird das Grundkapital der Varta auf Null gesetzt und Tojners Montana Tech Holding und Porsche alleinige Eigentümer des Batterieherstellers. In Zukunft könnte noch ein neuer Aktionär zu Porsche und Tojner ins Boot kommen.