Raiffeisenbank Russland : Russische Klage gegen Raiffeisenbank spitzt sich zu: Milliardenstreit um Strabag

Eine Raiffeisen-Werbung in der russischen Hauptstadt Moskau
- © MAXIM SHEMETOV / REUTERS / picturedesk.comIm andauernden Wirtschaftskonflikt zwischen der russischen Beteiligungsgesellschaft Rasperia Trading Limited, dem österreichischen Baukonzern Strabag und der Raiffeisen Bank International (RBI) spitzt sich die Lage weiter zu. Nachdem russische Gerichte bereits Schadenersatzzahlungen in Höhe von 1,87 Milliarden Euro sowie Zinsen in Höhe von 174 Millionen Euro gegen die Raiffeisenbank Russland verhängt hatten, geht Rasperia nun in die nächste juristische Offensive.
Am 9. Juni 2025 reichte Rasperia beim Handelsgericht Kaliningrad eine neue Klage ein. Darin fordert die Gesellschaft, dass sämtliche Verfahren gegen die Raiffeisenbank Russland sowie gegen andere Strabag-Anteilseigner ausschließlich vor russischen Gerichten geführt werden dürfen. Sollte dennoch ein Verfahren außerhalb Russlands, etwa in den Niederlanden, angestrengt werden, verlangt Rasperia die Verhängung eines Bußgelds in Höhe von einer Milliarde Euro. Damit will man offenbar gezielt verhindern, dass sich RBI international gegen die russischen Entscheidungen wehrt.
Gleichzeitig bleibt das in Russland geltende Verkaufsverbot für die dortige RBI-Tochterbank weiter bestehen. Eine Entscheidung über dessen mögliche Aufhebung wurde vom zuständigen Handelsgericht in St. Petersburg auf den 16. Juni 2025 vertagt. Dieser Termin könnte für den geplanten Rückzug der RBI aus Russland von entscheidender Bedeutung sein, da das Verkaufsverbot derzeit jede Desinvestition blockiert.
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Vorgehen erinnert an Gazprom
Obwohl der Schriftsatz von Rasperia zunächst nicht öffentlich einsehbar war, erinnert das Vorgehen stark an vergleichbare Klagen anderer russischer Großkonzerne mit Auslandsbezug. So hatte Gazprom Export im Januar 2024 die OMV Gas Marketing & Trading GmbH erfolgreich durch ein russisches Gericht daran hindern lassen, ein Schiedsverfahren in Stockholm weiterzuführen. Im Falle einer Missachtung drohte der OMV eine Strafzahlung in Höhe von 575 Millionen Euro.
Anders als die OMV, die über keine nennenswerten Vermögenswerte in Russland verfügt und das Urteil ignorieren konnte, ist die Situation für die Raiffeisenbank Russland brisanter. Sollte das russische Gericht ein entsprechendes Verbot verhängen, könnte dies eine von der RBI im April angekündigte Klage gegen Rasperia in Österreich erheblich erschweren. Diese Klage ist für das zweite Quartal 2025 geplant.
Fast 2 Milliarden Euro von RBI-Konto an Rasperia überwiesen
Im Zentrum eines komplexen Wirtschaftskonflikts rund um den Baukonzern Strabag steht ein brisanter Streit zwischen russischen und österreichischen Aktionären. Auslöser ist die Beteiligung der russischen Rasperia Trading Limited – einer Gesellschaft, die früher dem russischen Oligarchen Oleg Deripaska zugeordnet wurde – am österreichischen Baukonzern Strabag.
Nachdem Rasperia infolge der EU-Sanktionen in Österreich de facto entmachtet wurde, leitete das Unternehmen im August 2024 ein Verfahren vor dem Handelsgericht in Kaliningrad ein. Die beklagten österreichischen Unternehmen bestritten die Zuständigkeit des russischen Gerichts. Dennoch entschied dieses im Januar 2025 zugunsten von Rasperia. Auch die Berufungsinstanz in St. Petersburg bestätigte Ende April das Urteil: Die Ansprüche Rasperias seien rechtens.
In Folge wurden Ende April 1,87 Milliarden Euro an Schadenersatz sowie weitere 174 Millionen Euro an Zinsen vom Korrespondenzkonto der Raiffeisenbank Russland bei der russischen Zentralbank eingezogen. Gleichzeitig sprach das Gericht auf umstrittener rechtlicher Basis die Strabag-Aktien Rasperias der russischen Tochter der Raiffeisen Bank International (RBI) zu.
Indirekte Eigentümerstruktur im Fokus der Klage
Die Klage gegen die Raiffeisenbank Russland wurde nur deshalb eingebracht, weil diese Teil des weit verzweigten Raiffeisen-Konzerns ist: Die Raiffeisen-Holding Niederösterreich-Wien hält Anteile an der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien, die wiederum 25 % am RBI-Mutterkonzern besitzt. Da allein die russische Tochter über relevante Vermögenswerte in Russland verfügt, beschränken sich die praktischen Auswirkungen der russischen Urteile auf diese Bank.
Der geplante Verkauf der russischen Tochterbank durch den RBI-Mutterkonzern wird durch das laufende Verfahren erheblich erschwert. Die rechtlich umstrittenen Beschlüsse könnten sich als erheblicher Stolperstein für den vollständigen Rückzug der RBI aus Russland erweisen. Das Handelsgericht Nordwestrussland (St. Petersburg) hat die Entscheidung über die Aufhebung des seit September 2024 bestehenden Verkaufsverbots für die russische RBI-Tochter auf den 16. Juni 2025 vertagt.
Die Raiffeisen Bank International hat inzwischen angekündigt, sowohl gegen die bisherigen Gerichtsurteile in Russland Berufung einzulegen als auch in Österreich rechtliche Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Bereits für das zweite Quartal 2025 ist eine umfassende juristische Offensive geplant, um sowohl die Übertragung der Strabag-Aktien als auch die Einziehung von Dividendenansprüchen durch Rasperia anzufechten. Da russische Urteile in Österreich keine rechtliche Bindung entfalten, könnte dieser Schritt ein zentrales Element in der Strategie der RBI werden, um Vermögenswerte zu schützen und die Kontrolle über die Strabag-Beteiligung zurückzuerlangen.
Der Fall entwickelt sich zunehmend zu einem Präzedenzfall für internationale Wirtschaftskonflikte im Spannungsfeld geopolitischer Spannungen, Sanktionen und nationaler Gerichtsbarkeiten. Mit dem nahenden Stichtag am 16. Juni und der aggressiven Taktik Rasperias rückt der Milliardenstreit immer stärker in den Fokus der internationalen Finanzwelt.