AT&S Defence : AT&S und das Defence-Geschäft: "Wir haben das jetzt systematisiert"
AT&S-Chef Michael Mertin über Industriepolitik: "Was machen wir hier eigentlich richtig?"
- © AT&S / Julia Trampusch„Anfragen aus dem Defence-Bereich gibt es immer wieder, wir haben das jetzt systematisiert und uns angeschaut, wie wir im rechtlichen Rahmen damit umgehen“, sagt AT&S-CEO Michael Mertin. AT&S sehe hier eine „Facette, die von Dual-Use-Anwendungen bis hin zu Aufklärungssatelliten reicht“. Aktuell arbeite man „an einem Produkt“, Umsatz könne in Österreich und Europa, hypothetisch auch in den USA, erzielt werden. Mittelfristig - binnen drei Jahren - sei ein Jahresumsatz von rund 50 Millionen Euro mit Defence realistisch.
Solide Performance trotz hoher Belastungen.
Abseits neuer Geschäftsfelder zeigt AT&S im laufenden Geschäftsjahr robuste Zahlen: Der Umsatz stieg im ersten Halbjahr 2025/26 um knapp 6 Prozent auf 846,3 Mio. Euro, das EBITDA um 11 Prozent auf 174,7 Mio. Euro, was einer Marge von 20,6 Prozent entspricht. Das Betriebsergebnis (EBIT) lag bei null, unterm Strich blieb ein Verlust von 63,5 Mio. Euro. Belastend wirkten hohe Abschreibungen in Höhe von 175 Mio. Euro sowie Anlaufkosten für die neuen Werke in Kulim (Malaysia) und Leoben.
Gleichzeitig gelang es, den operativen Cashflow auf 209 Mio. Euro mehr als zu verdoppeln. „Wir behalten das Geld in der Tasche – ein großer Turnaround beim Cashflow, unsere Risikovorsorge“, sagt Mertin. Die Eigenkapitalquote lag per Ende September bei 19,2 Prozent. „Mit dem Anlauf unserer neuen Werke in Kulim und Leoben planen wir, den Umsatz auf 1,7 Milliarden Euro zu steigern – trotz Gegenwinds durch Wechselkurseffekte“, so der CEO.
Effizienz statt Stellenabbau
Angesichts des hohen Investitionsvolumens setzt AT&S konsequent auf Effizienzsteigerung. Nach Einsparungen von 120 Millionen Euro im Vorjahr soll die Kostenbasis heuer um mindestens weitere 150 Millionen Euro sinken. „Wir arbeiten an Einkaufs- und Prozesseffizienz, entlassen ja keine Leute“, sagt der CEO.
Die Investitionstätigkeit bleibe gezielt ausgerichtet: „Fehring schreiben wir nicht ab – im Gegenteil, wir investieren dort weiter. Platz ist noch genug vorhanden.“ Mertin betont zudem, dass AT&S „keine Investitionen mehr auf Vorrat“ tätigt, sondern gezielt auf Nachfrage und langfristige Innovationspartnerschaften setzt.
Aufholjagd bei Substraten
Operativ sieht der CEO AT&S in einer Phase des qualitativen Wachstums. „Das Argument, wir seien im Leiterplattengeschäft nur ein Job-Shop, ändert sich gerade massiv“, sagt er. Besonders bei IC-Substraten, also Verbindungselementen zwischen Leiterplatte und Chip, habe der Konzern aufgeholt: „Wir waren in der Kritik, weil wir dort nur wenige Kunden hatten – jetzt sind wir massiv am Aufholen. 2026/27 werden wir bei allen Key Playern drinnen sein“, sagt der AT&S-Chef.
Die Nachfrage zieht spürbar an. Das Geschäft mit klassischen Leiterplatten laufe ebenso wie das mit Substraten, die etwa in KI-Rechenzentren zum Einsatz kommen. „Unsere Mikroelektronik für Rechenzentren beflügelt Leoben und Kulim.“ Damit profitiert AT&S direkt vom globalen KI-Boom, der laut Mertin keine Blase wie zu Zeiten der Dotcom-Ära erzeugen wird: „Diesmal stehen reale Ergebnisse dahinter, keine Hypothesen".
Engpässe bei T-Glas
Für Herausforderungen sorgen jedoch Rohstoffrisiken. Beim T-Glas, einem hochfeinen Glasgewebe, das in großflächigen Substraten verwendet wird, ist die Abhängigkeit von einem Lieferanten groß. „Wir haben zusätzliche Lieferanten qualifiziert, einer dieser neuen Partner baut gerade seine Produktionskapazitäten auf. Es gibt aber ein gewisses Risiko, dass wir in der zweiten Hälfte des Geschäftsjahres 2026/27 nicht alle Kundenbedarfe vollständig decken können", sagt Mertin.
„Wir tun vieles dafür, dass Industrie nicht mehr funktioniert“
Wenig zurückhaltend äußert sich Mertin über den politischen Rahmen in Europa: „Was machen wir hier eigentlich richtig?“ Die europäische Industriepolitik sei geprägt von Dirigismus, Überregulierung und Bürokratieaufbau. „Wir tun vieles dafür, dass die Industrie nicht mehr funktioniert“, sagt er. Als Beispiel nennt er Datenschutzregeln, die Innovationen im Bereich Künstliche Intelligenz bremsen, und energiepolitische Entscheidungen, die „uns den Boden jeden Wirtschaftens entziehen“. „Wir stehen im Wettbewerb mit China und Japan – und reden hier über den Rückbau von Kühltürmen.“ Die Folge seien steigende Steuer- und Staatsquoten, während Wertschöpfung zunehmend „in der Verwaltung statt in der Realwirtschaft“ entstehe. Um im globalen Wettbewerb zu bestehen, brauche es laut Mertin einen Kurswechsel.
Langfristige Kundenbindung
In der Zusammenarbeit mit Kunden setzt AT&S auf enge Innovationspartnerschaften: „Mit unseren Key-Kunden haben wir aufgehört, über Geld zu reden. Wir gehen Partnerschaften ein, die langfristig verbinden – das klappt gut“.
Auch an der Börse spiegelt sich das Vertrauen wider: Die AT&S-Aktie hat seit Jahresbeginn rund 160 Prozent zugelegt.