Krise in der Stahlindustrie : Voestalpine-Gewinn bricht ein – drohen Personalmaßnahmen?

Die Voestalpine kämpft weiter mit einem schwierigen Marktumfeld, geopolitischen Spannungen und einer instabilen Nachfrage: Der oberösterreichische Stahl- und Technologiekonzern verzeichnete im ersten Quartal 2025 einen Umsatzrückgang von 5,9 Prozent auf 3,9 Milliarden Euro. Noch deutlicher fällt das Minus beim operativen Ergebnis aus: Das EBIT brach um fast ein Viertel auf 171,5 Millionen Euro ein. Unter dem Strich bleibt ein Quartalsgewinn von 106,3 Millionen Euro – ein Rückgang von 29 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, wie der Konzern am Mittwoch bekannt gab.

Als Gründe nennt die Voestalpine vor allem das weiterhin schwache konjunkturelle Umfeld in Kernindustrien wie dem Maschinenbau und der Autozulieferung. Besonders die zunehmende Unsicherheit durch neue US-Zölle auf Stahlimporte belastet das internationale Geschäft. Positiver entwickelt sich hingegen die Nachfrage in der Bahninfrastruktur und Luftfahrttechnik – zwei Felder, in denen der Konzern seine Marktposition weiter ausbauen konnte.

Nie mehr verpassen, wie sich Europas Industrie unter geopolitischem Druck verändert? Abonnieren Sie unser INDUSTRIEMAGAZIN Daily Briefing – werktags um 7 Uhr in Ihrer Inbox.

Trotz des kürzlich vereinbarten Zolldeals mit den USA bleibt die wirtschaftliche Unsicherheit für die Voestalpine bestehen. Wie der Konzern mitteilt, sei die konkrete Ausgestaltung des Abkommens – insbesondere im Bereich Stahl – bislang unklar. Damit fehlt weiterhin Planungssicherheit auf einem der wichtigsten Exportmärkte. Bei diesem Thema kommt bei Herbert Eibensteiner, CEO der Voestalpine AG, keine Freude auf. „Ich möchte dieses Thema nicht noch einmal bewerten. Aber mit dem Deal zwischen den USA und der EU kann ich nicht zufrieden sein.“ 

Im ersten Quartal des Geschäftsjahres erwirtschaftete die voestalpine in den USA einen Umsatz von 440 Millionen Euro – bislang läuft das Nordamerika-Geschäft solide. Ausschlaggebend dafür waren unter anderem Vorziehkäufe von Kundenseite, die möglichen Strafzöllen zuvorkommen wollten, wie Konzernchef Herbert Eibensteiner bei der Bilanzpräsentation erklärte.

>>> Trump-Zölle 2025: Wie neue US-Handelsmaßnahmen Europas Wirtschaft treffen – alle Entwicklungen im Live-Ticker zur Zollpolitik, den Konflikten mit China und den Folgen für Österreich.

Seit Juni gelten nun erhöhte US-Zölle von 50 Prozent auf Stahlimporte und Vorprodukte – ein Einschnitt, der mittelfristig auch Auswirkungen auf die Produktion in Österreich haben könnte. Eibensteiner deutete an, dass im Werk Kindberg eine Schicht wegfallen könnte. Auch der Standort Kapfenberg bleibt unter Beobachtung: Dort hatte die voestalpine bereits im vergangenen Geschäftsjahr rund 250 Stellen gestrichen. Insgesamt erwartet Voestalpine-Chef Herbert Eibensteiner durch die US-Strafzölle eine jährliche Belastung von 50 bis 70 Millionen Euro.

Trotz widriger Umstände hält der Vorstand an der im Juni veröffentlichten Jahresprognose fest: Für das Geschäftsjahr 2025/26 erwartet die Voestalpine ein operatives Ergebnis zwischen 1,4 und 1,5 Milliarden Euro. Im ersten Quartal lag das EBITDA bei 361,2 Millionen Euro, angesichts der aktuellen Unsicherheiten jedoch keineswegs ein Selbstläufer.

>>> Voestalpine-Chef warnt: Herbert Eibensteiner fordert Strompreiskompensation bis 2030 – sonst drohe ein massiver Wettbewerbsnachteil für Österreichs Industrie.

Der Konzern kämpft nun bereits seit über zwei Jahren gegen die wirtschaftliche Flaute in Österreich. Vor dem Einbruch der Konjunktur hatte Voestalpine noch einen Jahresüberschuss von 1,2 Milliarden Euro erwirtschaftet. In den beiden Folgejahren schrumpfte dieser jedoch drastisch – auf jeweils rund 200 Millionen Euro. Das Ziel: zurück zur alten Stärke – in einem zunehmend schwierigen globalen Umfeld.

Trotz eines rückläufigen Umsatzes im ersten Quartal investiert die Voestalpine weiter kräftig in den US-Markt. Derzeit fließen rund 70 Millionen Euro in das US-Geschäft, in den vergangenen fünf Jahren waren es bereits rund 350 Millionen – wie Finanzchef Gerald Mayer erklärte. Wie viel der von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigten 600 Milliarden Euro an EU-Investitionen in den USA letztlich von der Voest kommen, ließ Konzernchef Herbert Eibensteiner offen. Klar sei nur: Man sei in den USA präsent – und werde das auch bleiben.

Ein Lichtblick für die Voestalpine inmitten wirtschaftlich rauer Zeiten kommt ausgerechnet aus dem Reich der Mitte: Der oberösterreichische Stahlkonzern wird künftig den chinesischen E-Auto-Riesen BYD beliefern. Ab Herbst 2025 liefert die Voestalpine hochqualitatives Stahlblech an das neue BYD-Werk im ungarischen Szeged – ein zentraler Brückenkopf in der Lokalisierungsstrategie des weltweit zweitgrößten Elektroautobauers. Über Auftragsvolumen und Laufzeit schweigen beide Seiten, doch die Richtung ist klar: Lokaler Stahl für globale Ambitionen.

>>> Mit österreichischem Stahl: Wie BYD in Ungarn E-Autos für Europa baut – und warum Voestalpine dabei eine Schlüsselrolle spielt.

BYD setzt in Europa auf Produktion vor Ort – und auf verlässliche Partner in der Nähe. Ausschlaggebend für die Wahl der Voestalpine waren laut BYD-Vizechefin Stella Li die Materialqualität, die geografische Nähe und der internationale Ruf österreichischen Stahls. Ziel des Konzerns: „Innerhalb von fünf Jahren wollen wir in Europa als lokaler Hersteller wahrgenommen werden.“

Auch in Linz herrscht Optimismus: „Der Auftrag ist ein Türöffner für eine langfristige Zusammenarbeit“, so Voestalpine-CEO Herbert Eibensteiner. Für den Stahlkonzern ist der Deal ein strategischer Treffer – und ein Hoffnungsschimmer, dass der Turnaround im Autosektor gelingen kann. Denn während die Nachfrage in klassischen Märkten lahmt, öffnet sich mit BYD ein Tor zum wachstumsstarken Elektromobilitätsmarkt – mit Potenzial weit über Ungarn hinaus.

Für die voestalpine entwickelt sich der Standort Europa zunehmend zum Kostenfaktor – vor allem wegen der anhaltend hohen Energiepreise. Mit durchschnittlich 14,8 Cent pro Kilowattstunde liegt Österreich sogar über dem ohnehin teuren EU-Schnitt. Zum Vergleich: In den USA und China zahlen Industrieunternehmen nur rund 8 Cent – fast die Hälfte. Was früher ein Wettbewerb auf Augenhöhe war, hat sich seit dem Energiepreisschock 2021 drastisch verschoben.

>>> Deutschland entlastet, Österreich zögert: Warum hohe Energiepreise Österreichs Industrie gefährden – und der Ruf nach staatlicher Hilfe immer lauter wird.

Besonders energieintensive Unternehmen wie die voestalpine trifft diese Entwicklung mit voller Wucht. Als Stahlproduzent mit großem Strom- und Gasbedarf zählt der Konzern zu den Hauptleidtragenden der europäischen Preisexplosion – ausgelöst durch den Rückgang russischer Gaslieferungen und gestiegene Erzeugungskosten. Während sich andere Branchen der Entwicklung entziehen konnten, schlagen die Energiekosten bei der voestalpine direkt auf die Bilanz durch.

Für den weltweit tätigen Konzern wird damit nicht nur die Produktion teurer – auch Investitionsentscheidungen werden zunehmend von der Frage bestimmt, wo Energie verlässlich und bezahlbar verfügbar ist. In einer Branche, in der Margen ohnehin unter Druck stehen, gerät Europa so weiter ins Hintertreffen. 

Ein Blick in die Zahlen zeigt, wie extrem die Belastung in der Metallindustrie ausfällt: Während der durchschnittliche Stromkostenanteil in der Industrie bei nur 0,9 Prozent des Umsatzes liegt, sind es bei Baustoffherstellern bereits 5,6 Prozent – und in der Metallindustrie sogar 5,7 Prozent. Damit zählt die Stahlbranche zu den am stärksten betroffenen Wirtschaftssektoren. Zum Vergleich: In der chemischen Industrie liegt der Anteil bei 4,4 Prozent, in der Papierindustrie bei 4,7 Prozent. Laut Verbund-Chef und Oesterreichs-Energie-Präsident Michael Strugl gilt dabei: „Die betriebliche Realität kann im Einzelfall ganz anders aussehen als die Statistik.“ 

Von einem breit getragenen wirtschaftlichen Aufschwung könne keine Rede sein, betonte Voestalpine-CEO Herbert Eibensteiner. Zwar gebe es punktuell positive Signale, etwa in der Bahninfrastruktur oder Luftfahrt, doch die Gesamtstimmung bleibe gedämpft. Hoffnung setzt der Konzernchef auf die geplante Infrastrukturoffensive in Deutschland sowie auf den Ausbau der europäischen Rüstungsindustrie. Hier will die voestalpine nicht nur mit Vormaterialien, sondern auch in den Bereichen Logistik und Transport eine aktive Rolle übernehmen – und so neue Wachstumspotenziale erschließen.

>>> Voestalpine spürt Konjunkturflaute und Autokrise: Gewinn halbiert, Ausblick gesenkt – wie Zölle und schwache Märkte den Stahlkonzern unter Druck setzen.

Etwas überraschend legte die Voestalpine-Aktie am Tag der Quartalszahlen spürbar zu – rund fünf Prozent ging es am Vormittag des 6. August nach oben. Was auf den ersten Blick nach einem Widerspruch klingt, lässt sich mit einem genaueren Blick auf die Finanzkennzahlen erklären: Zwar blieben Umsatz und Gewinn im ersten Geschäftsquartal unter dem Vorjahreswert – doch beim Cashflow zeigt sich ein deutlich positiver Trend. Der operative Cashflow konnte im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt werden, auch der Free Cashflow entwickelte sich stark. Zudem zahlt sich die Schuldenbremse des Konzerns aus: Die Nettofinanzverschuldung sank binnen eines Jahres von 1,75 auf 1,5 Milliarden Euro, die Gearing Ratio verbesserte sich von 23,2 auf 19,4 Prozent. Diese finanzielle Disziplin kommt am Kapitalmarkt gut an – seit Jahresbeginn hat die Voestalpine-Aktie bereits 35 Prozent zugelegt und den Leitindex ATX damit deutlich übertroffen.