Montana Aerospace : Kai Arndt: "Es war noch nie weise, die Konkurrenz zu unterschätzen"

Randerscheinungen als Luxusprobleme. "Ich habe noch keine Zeit erlebt, in der die Aussichten besser waren als jetzt."
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Randerscheinungen als Luxusprobleme. "Ich habe noch keine Zeit erlebt, in der die Aussichten besser waren als jetzt."
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Herr Arndt, man kann ja aktuell kaum ein Interview beginnen, ohne nach Lieferkettenproblemen zu fragen. Michael Pistauer, mittlerweile Co-CEO von Montana Aerospace, sagte vor wenigen Monaten im INDUSTRIEMAGAZIN-Interview, das Unternehmen habe aber nicht die gleichen Supply-Chain-Probleme wie der Rest der Welt. Können Sie das unterschreiben?
Kai Arndt: (lacht) Ich kann meinem Co-CEO jetzt schwer widersprechen. Michael Pistauer hat seine Aussage damals auf Lieferkettenprobleme in der Rohstoffbeschaffung bezogen. Hier sind wir durch strategisch aufgebaute Lagerbestände, sehr guten Lieferantenbeziehungen und der Tatsache, dass wir auch in den USA und Vietnam produzieren – wo es auf Grund des Krieges in der Ukraine zu keinen umfassenden Problemen in der Lieferkette gekommen ist – tatsächlich gut aufgestellt.
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Aber es ist nicht auszublenden, dass die Luftfahrtbranche einiges zu tun hat, um die Lieferketten vom Rohstoff bis zum einbaufertigen Bauteil abzusichern. Und man sieht auch, dass die ersten Lieferanten (Tier 3-4, Anm.) Probleme haben. Mit 1. April 2022 haben wir die belgische ASCO Gruppe übernommen. Auch dort sehen wir, dass einige Vorlieferanten Verzögerungen haben und benötigte Bauteile verspätet hereinkommen. Das ist in jedem Fall eine Herausforderung in der nächsten Zeit und deshalb legen wir unseren Schwerpunkt hier auf eine schnelle Integration in unseren Produktionsverbund, damit wir fehlende Bauteile rasch inhouse ersetzen können.
Airbus will ja in den kommenden drei Jahren seine Flugzeugbaurate allein nur beim A 320 auf 75 Stück pro Monat erhöhen. Das stellt alle Zulieferer vor große Aufgaben. Ich will das aber nicht als Problem bezeichnen, sondern als unglaubliche Chance. Denn wir haben in den letzten Jahren viel investiert und uns konsequent aufgestellt – mit unseren One-Stop-Shops und Kapazitätserweiterungen in Europa, den USA und Asien.
Chancen also, nicht Probleme – doch wie begegnet man diesen?
Arndt: Man muss Ressourcen frühzeitig bereitstellen. Teilweise hätte man innerhalb der ganzen Branche die Vorbereitungen bereits früher treffen sollen. Das bezieht sich auch gar nicht nur auf Rohstoffe oder die Supply Chain, sondern tatsächlich auch auf Arbeitskräfte. Aber diese Herausforderung ist allemal besser als die Situation, die wir noch vor einiger Zeit hatten, als wir mit Start der Corona Pandemie nämlich gar nichts zu liefern hatten.
Arbeitskräftemangel: tatsächlich quantitativ
Wenn Sie von einem Arbeitskräftemangel sprechen, dann von einem bereits seit Jahren grassierenden, oder von einem durch die derzeitige geopolitische Lage verursachten?
Arndt: Den sogenannten „Run for Talents“ gibt es natürlich schon länger und meistens meinte man damit Fachkräfte in Technologieberufen. Aber nun gibt es schon eine neue Komponente. Vor zwei Wochen sprach ich auf einer Konferenz von Airbus in Toulouse. Ich unterhielt mich mit einigen CEOs und alle sagten, dass sie derzeit schwer an Arbeitskräfte kommen. Es geht nicht nur um die Qualifikation – ausbilden kann man Menschen schließlich auch selbst im Unternehmen. Es geht tatsächlich darum, ausreichend viele engagierte Menschen ins Unternehmen zu bekommen. Hier nutzen wir bereits den Vorteil unserer globalen Aufstellung und greifen bei Engpässen unter anderem auch auf Mitarbeiter aus Indien zurück.
In dem Segment Aerostructures, für das Sie verantwortlich sind, gibt es bereits viele Mitarbeiter – über 5.000. Worauf legen Sie im Umgang Wert?
Arndt: Hemdsärmeligkeit, wie es in Deutschland so schön heißt. Darauf, dass es sich nicht um Ressourcen handelt, sondern um wertgeschätzte Kollegen, die voll eingebunden sind als Teil des Unternehmens. Mir ist wichtig, in das Gespräch zu gehen und jeden da abzuholen, wo er steht – ob das jetzt an der Maschine ist oder im Management. Ich komme gerade von einem Townhall Meeting an unserem Standort in Rumänien – das war eine Möglichkeit für die Mitarbeiter dort, viele Fragen zu stellen. Das sind auch teilweise sehr menschliche Fragen, nicht nur zu den finanziellen Zielen des Unternehmens.
Darüber hinaus lege ich Wert auf Klarheit in den Zielen. Was steht an, was wird erwartet und wie kann jeder einzelne mithelfen, damit wir zusammen erfolgreich sein können.

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Ich kenne niemanden, der das genauso anbieten kann. Die Eintrittsbarriere ist hier unheimlich hoch.Kai Arndt über das One-Stop-Shop Konzept von Aerostructures
Ein schwer kopierbares Konzept
Aerostructures beschreibt sich selbst als One Stop Shop für die Luftfahrt. Gibt es überhaupt etwas Vergleichbares in der Branche?
Arndt: Bei uns kommt alles aus einer Hand, vom Recycling bis hin zur Montage, dazu bevorzugt an einem Standort. Im Gegensatz zu anderen Produzenten stellen wir unsere Legierungen selbst her, was bedeutet, dass wir hier einen starken Fokus auf Recycling legen können. Unser Aluminium besteht zu mindestens 70 Prozent aus Aluschrott. Die Aluabfälle aus unseren Werken verarbeiten wir zu 100 Prozent wieder zu Aluminium. Die Casting-Hallen sind zudem unseren Werken vorgelagert, somit müssen die Billets auch nicht transportiert werden.
Ich kenne die Branche gut und ich kenne eigentlich niemanden, der das genauso anbieten kann. Um ein solches Konzept aufzustellen, braucht es gewisse finanzielle Mittel. Die Eintrittsbarriere – also wie leicht so ein Konzept zu kopieren ist – ist hier unheimlich hoch. Wir haben in den letzten Jahren antizyklisch über 600 Millionen Euro in neue Standorte und Anlagen investiert. Das hebt uns ein Stück weit ab von anderen Anbietern und in Gesprächen mit unseren Kunden sehen wir auch, dass ein großer Bedarf für solche Konzepte besteht. Derzeit geht es ja sehr intensiv darum, wie etwa Lieferketten und Lieferzeiten verkürzt werden können. Hier haben wir einen klaren Wettbewerbsvorteil.
Kürzlich fand in Wien der Industriekongress statt (hier geht's zur Nachlese). Auf diesem wurde gesagt, und da stimmten viele Industriegrößen zu, das einzige technologisch wirklich Beachtliche, das Europa je hervorgebracht habe, sei Airbus. Nun waren Sie über 30 Jahre lang bei Airbus, sind also vielleicht etwas voreingenommen – aber was sagen Sie dazu?
Arndt: (lacht) Aus einem Automobilland kommend, würde ich mich ja in die Nesseln setzen, wenn ich da zustimme. Airbus wurde damals von vier Ländern gemeinsam gegründet, das war natürlich etwas Besonderes und ich könnte mir auch vorstellen, dass die Aussage darauf bezogen war. Daneben gab es schon noch ein paar andere technologische Errungenschaften in Europa.

Der Vorsprung, den Europa hat, schmilzt bereits ein Stück weit. Da muss man aufpassen.Kai Arndt
Schwerpunktsetzungen
Aber fehlt ein gewisser Schwerpunkt auf Technologie?
Arndt: Der Schwerpunkt kann und sollte auf jeden Fall mehr gesetzt werden. Europa hält technologisch eine gute Position. Ich würde mir mehr Unterstützung wünschen, dass das auch so bleibt. Vereinzelt gibt es die schon, wie zum Beispiel in Belgien. Dort gibt es ein gutes Portfolio an Unterstützung, da wird schon viel gemacht.
Sie meinen auch finanzielle Unterstützung seitens der EU?
Arndt: Durchaus – es gibt bereits viele Programme, diese müssen richtig eingesetzt werden. Der Vorsprung, den Europa hat, schmilzt bereits ein Stück weit. Da muss man aufpassen.
Welchen Ländern gegenüber schmilzt er?
Arndt: Wir beobachten zum Beispiel in Vietnam und Rumänien – wir haben in beiden Ländern Werke –, wie gut die technischen Fachkräfte sind, wie aufgeholt und sich um Fortschritt bemüht wird. Andere Länder schlafen nicht.

China als Chance
Und China? Fehlt hier die Innovation?
Arndt: China hat den Ruf, viel zu kopieren und dann günstiger zu machen. So viel günstiger ist es nun auch nicht mehr, aber China ist nicht zu unterschätzen. Das haben viele immer wieder gemacht, aber es war noch nie weise, die Konkurrenz zu unterschätzen, bei keinem Land. Ich denke, dass der Markt in China wachsen und mit der Comac C919 ein neues, gutes Produkt kommen wird. Das kann aber auch eine Chance für uns sein, man muss da gar nicht von einer Bedrohung sprechen.
Jetzt sind wir schon ein bisschen beim Thema Ausblicke. Ist es nicht momentan besonders schwer, solche zu begehen?
Arndt: Das ist gar nicht schwer, denn wir sehen, was in der Branche passiert. Es wird vielleicht nicht ganz reibungslos passieren und da und dort Verzögerungen geben – doch der Ausblick ist hervorragend. Die gute Entwicklung in der Luftfahrt wird sich über die nächsten Jahre fortsetzen. Die Prognosen von Boeing und Airbus – etwa, dass im Long Range Segment ab 2025 bis zu 250 Flieger jährlich ersetzt werden müssen – geben uns Rückenwind. Ich habe noch keine Zeit erlebt, in der die Aussichten besser waren als jetzt – mit all ihren Randerscheinungen, die ja eigentlich nur Luxusprobleme sind.
Wird in dieser rosigen Zukunft auch Wasserstoff eine Rolle spielen?
Arndt: Ich glaube, es wird ein Thema sein. In der Forschung ist aber noch einiges hinsichtlich Sicherheit zu tun. Auch Elektromobilität im Flugzeug wird ein Thema sein – vielleicht nicht auf dem gesamten Flug, aber auf der Rollbahn. Die Technologie hinter Wasserstoff wird sich auf jeden Fall weiterentwickeln, mit großen Sprüngen in den nächsten Jahren. Diese Entwicklungen werden zur Jahrzehntewende sichtbar sein – in welchem Ausmaß in der Luftfahrt, vermag ich heute nicht zu sagen.
Noch ein Blick auf das gesamte Unternehmen. Montana Aerospace strebt die Umsatzmilliarde an. Ein angenehmer Druck?
Arndt: Ich empfinde das als Herausforderung und tolle Gelegenheit, das Unternehmen voranzubringen. Das Segment Aerostructures will in den nächsten Jahren seinen Umsatz vervierfachen. Das ist kein bloßer Werbespruch für Aktionäre, das meiste davon ist schon unter Vertrag. Als Gesamtfirma wollen wir bis 2026/-27 auch weiter wachsen. Und mit unserem Team mache ich mir da auch gar keine Sorgen.
