Vor den Werkstoren in Windsor und Toluca herrscht gespenstische Stille. Die Montagebänder stehen still, leere Parkplätze zeugen von dem abrupten Produktionsstopp. Auslöser sind die seit Anfang April geltenden 25-prozentigen US-Importzölle, auf die Stellantismit kurzfristigen Werksschließungen reagiert hat. In Windsor, Kanada, ruht die Fertigung des elektrischen Dodge Charger seit dem 7. April für zwei Wochen. Noch härter trifft es das mexikanische Werk in Toluca: Hier wurde die Produktion von Jeep-Modellen wie dem Compass und dem Wagoneer S für den gesamten April ausgesetzt. Beide Standorte beliefern direkt den US-Markt. Zusätzlich wurden rund 900 Beschäftigte in fünf US-Werken vorübergehend freigestellt. Trumps Zollpolitik setzt das ohnehin angeschlagene Unternehmen weiter unter Druck.
Auch Volkswagen hat die Folgen der Zollpolitik zu spüren bekommen. Der Konzern plant, eine Importgebühr auf Fahrzeuge zu erheben, die von den US-Strafzöllen betroffen sind – diese soll direkt auf dem Preisschild ausgewiesen werden. Händler wurden laut Wall Street Journal bereits vor der offiziellen Bekanntgabe der Zölle informiert. Zudem wurde der Bahntransport von Fahrzeugen aus Mexiko vorübergehend gestoppt und Autos aus Europa in den Häfen zurückgehalten. Im Werk Chattanooga, Tennessee, laufen die Bänder jedoch weiter. Dort produziert Volkswagen auf einer Fläche von 353.000 Quadratmetern die Modelle Atlas, Atlas Cross Sport und das Elektro-Modell ID.4. Etwa 5.500 Mitarbeiter sind dort beschäftigt. Das Werk fungiert als Zentrum für Elektromobilität des Konzerns in den USA, inklusive eines hochmodernen Battery Engineering Labs, in dem Batterien getestet und weiterentwickelt werden – jedoch nicht produziert.
Die Volkswagen-Tochter Audi gab Anfang April bekannt, ihre US-Exporte bis auf Weiteres auf Eis zu legen. Fahrzeuge, die nach dem 2. April in die USA gelangten, sollen vorerst zurückgehalten und nicht an Händler übergeben werden. Händler wurden aufgefordert, sich auf den Abbau ihrer Lagerbestände zu konzentrieren.
Mercedes und BMW reagieren bislang am zurückhaltendsten auf das neue Zollregime. Beide Hersteller passen ihre Produktionsstrategien in den USA an. Mercedes prüft eine Erweiterung der Produktion in seinem Werk in Tuscaloosa, Alabama, mit dem Ziel, zusätzliche Modelle ohne Zollaufschlag direkt in den USA zu fertigen. Gleichzeitig erwägt der schwäbische Autobauer, den Verkauf seiner günstigeren Einstiegsmodelle wie dem GLA in den USA ganz einzustellen. In Tuscaloosa werden derzeit der GLE, das GLE Coupé, die GLS-Baureihe sowie der GLS Maybach produziert, wobei etwa 60 Prozent der Fahrzeuge für den Export bestimmt sind. Auch BMW setzt auf Anpassungen seiner Fertigungsstrategie, um die Zölle zu umgehen – hat aber bereits in eine starke Produktionsbasis in den USA. Das Werk in Spartanburg, South Carolina, ist die größte BMW-Fertigungsstätte weltweit. Von dort exportiert das Unternehmen jährlich rund 90.000 Fahrzeuge nach Europa, was BMW zum größten Fahrzeugexporteur der USA macht. Aktuell fertigt BMW in Spartanburg die SUV-Modelle X5, X6 und X7 sowie das Elektro-SUV iX3.
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