Stahlindustrie : Vor Verschärfungen im Emissionshandel: Stahlbranche alarmiert

Die europäische Stahlindustrie hat wegen der geplanten Reform des Emissionsrechtehandels in der EU vor dem Verlust von Standorten und Arbeitsplätzen gewarnt. In einem offenen Brief an die Staats- und Regierungschefs der EU baten 76 Konzern-und Verbandschefs um Hilfe beim Erhalt der Branche.

Hintergrund: Das will das EU-Parlament

In der EU werden im Rahmen des Emissionsrechtehandels (ETS) Verschmutzungszertifikate seit 2005 in einem gemeinsamen System gehandelt. Dadurch sollte ein finanzieller Anreiz für Unternehmen geschaffen werden, die klimaschädlichen Gase so weit wie möglich zu reduzieren. Umweltschützer kritisieren das System aber als unwirksam, weil zu viele Emissionszertifikate auf dem Markt und die Preise zu niedrig sind.

Mitte Februar hatte das EU-Parlament vorgeschlagen, dass zwischen 2021 und 2030 die zur Verfügung stehenden Zertifikate für Stromerzeuger und Industrie jährlich um 2,2 Prozent gekürzt werden.

Bekanntlich funktioniert der Emissionshandel derzeit mehr schlecht als recht: Es gibt enorme Mengen an gehandelten Verschmutzungsrechten am Markt, und von den Regierungen der Mitgliedsländer werden immer weitere kostenlos verteilt. Umweltschutzorganisationen wie der WWF fordern daher im Vorfeld des trilateralen Dialogs eine entschlossene Reform des Systems. Der Überschuss an Verschmutzungsrechten müsse abgebaut und die Ausgabe kostenloser Zertifikate zurückgefahren werden, so die Naturschutzorganisation.

Schutz vor "carbon leakage" soll bleiben

Deshalb sollen überschüssige Emissionspapiere vom Markt genommen werden. Allerdings sollen ausdrücklich jene Branchen, die besonders viel CO2 ausstoßen und bei denen deshalb bei einer Verschärfung eine Abwanderung droht, im Rahmen der sogenannten "carbon leakage"-Regelung geschützt werden. Konkret: Branchen wie die Stahlindustrie und die Zementindustrie sollen weiterhin kostenlose Zertifikate erhalten. Doch der Industrie reicht das nicht - sie sieht sich trotzdem massiv bedroht.

Voestalpine beteiligt

Jetzt schlagen die Konzernchefs in einem offenen Brief an Regierungschefs Alarm. Unterzeichnet wurde das Schreiben unter anderem von Vertretern von Voestalpine, Arcelormittal, Thyssenkrupp und Branchenverbänden. "Sie können verhindern, dass die Branche mit hohen Kosten belastet wird, die Investitionen hemmen und das Risiko von Arbeitsplatzverlusten oder Werkschließungen in der EU erhöhen", schrieben die Unterzeichner an die Adresse der Regierungen der EU-Länder.

Der EU-Emissionsrechtehandel müsse so gestaltet werden, dass er den Klimaschutz angehe "und gleichzeitig die europäische Stahlindustrie und die Millionen mit ihr verbundenen Arbeitsplätze erhält".

Massive Mengen CO2 - doch geplante Grenzwerte technisch gar nicht erreichbar

Einerseits sind die massiven Schäden der Stahlindustrie auf die Umwelt ein riesiges Problem. Denn derzeit blasen Stahlproduzenten bei jeder Tonne Roheisen 1630 Kilogramm des klimaschädlichen Gaess Kohlendioxid in die Luft. Die besten Anlagen kommen auf 1475 Kilogramm CO2 pro Tonne Eisen, schreibt hier die Zeitung "Die Welt".

Andererseits seien die Grenzwerte, wie sie Brüssel vorschweben, gar nicht erreichbar, wie es heißt. So sieht die entsprechenden Richtlinie einen Grenzwert von 1328 Kilogramm CO2 pro Tonne erzeugtem Roheisen vor - und dieser Wert sei technisch nicht machbar.

Bürgermeister fordern andere Berechnung bei Prozessgasen

In Deutschland haben sich auch Bürgermeister mehrerer Städte, in denen die Stahlindustrie zu den wichtigsten Arbeitgebern gehört, in einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel gewandt. Darunter sind die Bürgermeister von Bremen, Duisburg, Eisenhüttenstadt, Dillingen und Salzgitter.

Zu den Forderungen der Lokalpolitiker gehört unter anderem, die sogenannten Prozessgase im Emissionsrechtehandel zu berücksichtigen, wie die "Welt" weiter berichtet.

Diese Prozessgase entstehen in der Kokerei und im Hochofen und enthalten unter anderem Kohlenmonoxid, Wasserstoff und Methan - also brennbare Stoffe, mit denen Stahlhersteller in den Kraftwerken Strom produzieren. Teile dieses Bereichs sollen aus der Berechnung der Verschmutzungszertifikate ausgenommen werden, so eine der Forderungen der Lokalpolitiker.

Stahlbranche stark unter Druck

Die jetzt geplanten Einschnitte seien eine enorme Belastung für die Stahlindustrie, so Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, einer deutschen Interessensvertretung der Branche.

Tatsächlich ist die Branche bereits jetzt wegen der Dumpingpreise chinesischer Stahlkocher am Weltmarkt sowie einer generellen weltweiten Überkapazität bei der Produktion massiv unter Druck. Damit nicht genug: Mit der Regierung von Donald Trump drohen Europas Stahlkonzernen neuerdings große Schwierigkeiten bei den Exporten in die USA. Mehr dazu hier: Washington gegen Europas Stahlindustrie: Sechs wichtigste Antworten >>

Industrie warnt vor "besonders gravierenden" Folgen

Sollte die Reform "ohne einige der vom Europäischen Parlament eingebrachten Verbesserungsvorschläge" verabschiedet werden, drohe der Stahlindustrie bis 2030 eine Verknappung der Zertifikate um rund 35 Prozent, warnten die Konzern- und Verbandschefs. Die Folgen der Umlage von CO2-Kosten auf die Strompreise wären für die Stahlindustrie "besonders gravierend".

(red/afp/apa)

Aktuell zur Stahlbranche:

Milliardendeal: Stahlwerk Ilva gehört jetzt Arcelormittal >>

Thyssen und Tata: Offenbar neue Bewegung bei Verhandlungen >>

Salzgitter spürt Erholung auf den Stahlmärkten >>

Eine Milliarde Dollar: Für Voestalpine wird Werk in Texas teuer >>