IM MONEY Generationenwechsel : Unternehmensübergabe: Gefährliche Ablöse

Die Zahlen sind ernüchternd. "Nur rund ein Drittel aller Betriebe schaffen letztendlich eine erfolgreiche und nachhaltige Übergabe", sagt Dieter Hengl, Vorstand Corporate & Investment Banking der Bank Austria. Für die in den nächsten 5 Jahren rund 50.000 anstehenden Unternehmensübergaben haben sich die Rahmenbedingungen keinesfalls vereinfacht. Zum einen zehren die jüngsten konjunkturellen Kapriolen an der Substanz der Betriebe. Zum anderen ist die österreichspezifisch geringe Eigenkapitalausstattung vieler Unternehmen nicht mit den restriktiveren Bonitätsvorstellungen der Banken in Einklang zu bringen. Ganz abgesehen von den neuen Hürden sehen sich Experten bei Unternehmensnachfolgen aber auch oft mit hausgemachten Problemen konfrontiert. Die häufigsten Stolpersteine sind mangelnde steuerliche und rechtliche Vorbereitungsarbeiten sowie ungenügend ausdiskutierte innerfamiliäre Vorstellungen. Emotion vor BWL Jeder zweite Betrieb in Österreich wird derzeit innerhalb der Familie weitergegeben. Wenn hierbei allerdings emotionale Werte über betriebswirtschaftlichen Fakten gestellt werden sind die Probleme für die Nachfolgegeneration vorprogrammiert. "In der Praxis scheitern viele Übergaben weil es kein durchdachtes Nachfolgekonzept gibt oder weil einfach das Unternehmen nicht attraktiv genug ist", sagt Markus Bushnak, Steuerberater bei der Scheicher & Partner Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs- GmbH aus Wiener Neustadt. Sehr problematisch in diesem Zusammenhang sind die atypisch niedrigen Eigenkapitalquoten der heimischen Mittelständer. Über 40 Prozent der KMUs verfügen über weniger als 10 Prozent Eigenkapital. Dynamischen Unternehmensnachfolger wird dadurch oftmals der Weg für notwendige Modernisierungen und Neuausrichtungen verbaut. Während sich Banken verstärkt auf Sicherheiten und Bilanzkennzahlen fokussieren, versuchen sich Förderstellen mit vermehrten Haftungsübernahmen gegen das drohende Vakuum bei Betriebsnachfolgen zu stemmen.Völlig diametral zu klassischen Unternehmenskäufen - wo oftmals zusätzliches Eigenkapital eingebracht wird - ist bei familieninternen Übergaben vielfach das Gegenteil der Fall. "Als problematisch erweisen sich in der Praxis häufig wirtschaftlich nicht vertretbar hohe Gewinnbezugsrechte oder Pensionsregelungen der Übergeber", sagt Christian Thaler, Rechtsanwalt bei Brandl &Talos Rechtsanwälte GmbH.. Auch Thomas Schevaracz-Helm, Leiter des Geschäftskunden Centers Wien der BAWAG P.S.K. kennt ähnlich gelagerte Probleme. "Manchmal müssen die Übergeber zumindest zeitlich befristet wieder auf ihre Forderungen verzichten, weil der Cash Flow einfach überstrapaziert wurde. Hier gibt es vereinzelt Konstruktionen, wo Immobilien oder sogar Maschinen im Eigentum der Übergeber bleiben und dafür überhöhte Mietzahlungen fließen", sagt Schevaracz-Helm.
Geringe Kapitalquote Noch häufiger als laufende Ansprüche der Vorgängergeneration sind in der Praxis einmalige Abfindungszahlungen an die Übergeber oder an erbberechtige Familienmitglieder aus der Unternehmenskasse aufzubringen. "Solche Ablösefinanzierungen sind insofern betriebswirtschaftlich problematisch, als damit Geld aus dem Unternehmen abfließt, ohne dass ein entsprechender Wert im Unternehmen entsteht", sagt Bank Austria Vorstand Dieter Hengl. Ganz schlechte Karten einen derartigen Kredit zu bekommen, haben Unternehmen mit ohnehin schon geringer Eigenkapitalbasis. Für namhafte Abfindungen ist die durchschnittliche Eigenkapitalquote österreichischer KMUs - welche mit rund 25 Prozent deutlich unter dem internationalen Durchschnitt liegt (siehe Grafik) - meist zu gering. Um eine reibungslose entgeltliche Übertragung in der Familie zu ermöglichen muss die Kapitalbasis daher bereits vom bestehenden Management gelegt werden.Finanzkräftige Unterstützung dürfen sich ambitionierte Nachfolger insbesondere für neue Investitionen von zahlreichen Förderstellen erhoffen. "Im Jahr 2010 haben wir rund 600 Förderungsansuchen von Jungunternehmern im Zuge von Betriebsübernahmen positiv erledigt", sagt Johann Moser, Geschäftsführer der Förderbank Austria Wirtschaftsservice GmbH. Auch bei den Landesförderstellen geht dabei der Trend immer stärker zur Haftungsübernahme von Kreditlinien und weg von den Einmalzuschüssen. "Wir sehen die Tendenz in den Förderprogrammen zu Haftungsübernahmen und Eigenkapitalstärkungen sehr positiv", sagt Peter Bosek, Firmenkundenvorstand der Erste Bank. Durch die neuen Eigenkapitalvorschriften für die Kreditwirtschaft ermöglichen öffentliche Haftungen bei bonitätsschwächeren Unternehmen nicht nur oft überhaupt erst den Zugang zu notwendigen Kreditlinien sondern führen auch zu deutlich günstigeren Kreditkonditionen. Kontinuierlicher Übergang Auch wenn sich Unternehmenseigner in der aktiven Erwerbszeit genügend Kapital für die Pension auf die Seite legen und unentgeltlich übergeben möchten, sollten die komplexen Vorbereitungsmaßnahmen rechtzeitig eingeleitet werden. "Je früher mit der rechtlichen und steuerlichen Strukturierung der Unternehmensübergabe begonnen wird, desto besser. Generell sollte die Nachfolgethematik für den Fall eines unerwarteten Ablebens zu keinem Zeitpunkt ungeregelt sein", empfiehlt Markus Fellner, Rechtsanwalt bei Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH.. Einen nicht unerheblichen Stellenwert hat eine geordnete Betriebsübergabe auch für die Hausbanken. "Das Thema Nachfolge hat Relevanz für das Unternehmensrating und wird daher von uns auch aktiv angesprochen. Einen kontinuierlichen Übergang zu schaffen ist für die Stabilität und den wirtschaftlichen Erfolg eines Betriebes enorm wichtig", sagt Bank Austria Vorstand Dieter Hengl. Aus rechtlicher Sicht gibt es zusätzlich zu herkömmlichen Unternehmensveräußerungen vor allem die Erbschaftsthematik zu beachten. "Wichtig ist, dass die Nachfolgeregelung zum Schutz des Unternehmens unangreifbar ist und Pflichtteilsstreitigkeiten vorgebaut werden. Hierzu können etwa Pflichtteilsverzichte der nicht zur Unternehmensnachfolge vorgesehenen Kinder vereinbart werden", sagt Markus Fellner, Rechtsanwalt bei Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH. Darüber hinaus ist natürlich auch die aktuelle Rechtsform zu hinterfragen. Während bei Kapitalgesellschaften die Haftung des Nachfolgers auf seine Einlage beschränkt ist, kommt es bei einer Einzelrechtsnachfolge zu einer betraglich unlimitierten Haftung. Hiervon betroffen sind defakto auch sämtliche Rechtsgeschäfte vor der Übergabe. Eine Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft könnte mit einem Schlag alle Risiken inklusive potenzieller Erbteilsforderungen reduzieren.
Steuerrisken. Um aus Sicht der Übergeber den Fortbestand des eigenen Lebenswerkes zu gewährleisten bietet sich die Übertragung von Unternehmensanteilen in eine Privatstiftung an. Auch hier sollten aber keine semiprofessionellen Schnellschüsse vollzogen werden. "Es gibt Fälle, in denen steuerlich motiviert Unternehmen in Stiftungen eingebracht wurden und weil man vergessen hat ein Widerrufsrecht zu vereinbaren oder der Stifter unerwartet verstarb, kann man über die Unternehmenswerte nicht mehr flexibel verfügen", berichtet Christian Thaler, Rechtsanwalt bei Brandl &Talos Rechtsanwälte GmbH. In solchen Konstrukten ist das Betriebsvermögen defakto für ewig gebunden, nur die im Stiftungsvertrag festgelegten laufenden Zuwendungen fließen an die Nachfolgegeneration. Generell eigenen sich Stiftungen besonders zur Versorgung von unternehmerisch nicht geeigneten Nachfolgern aus dem Familienkreis.Steuerlich betrachtet gibt es kein pauschales Mustererfolgsrezept für Übergaben. "Entscheidend ob Verkauf oder Schenkung ist primär der tatsächliche Liquiditätsbedarf der Übergeber, insbesondere hinsichtlich Pensionsversorgung", erklärt Markus Bushnak, Steuerberater bei der Scheicher & Partner Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs- GmbH. Um die Steuerlast für die Verkäufer möglichst gering zu halten können diese unter gewissen Voraussetzungen auf drei Optionen zurückgreifen: Die Anwendung des halben Steuersatzes, die Verteilung des Veräußerungsgewinns auf drei Jahre oder der Nutzung eines Freibetrags. "Durch die Kombination mehrerer Variablen sowohl beim Übergeber als auch beim Übernehmer ist eine steuerliche Optimierung nur durch ein umfassendes Gesamtkonzept zu erreichen", sagt Steuerberater Bushnak. Ronald Felsner