Trends in der Arbeitsgestaltung : Thomas Edtmayr, Fraunhofer Austria: "Empathische Systeme erkennen Überlastung"

Thomas Edtmayr, Geschäftsbereichsleiter Arbeitsgestaltung und Digitalisierung, Fraunhofer Austria

"Klassische KI-Modelle wie ChatGPT stoßen bei spezifischen industriellen Anwendungen schnell an Grenzen."
Thomas Edtmayr, Geschäftsbereichsleiter Arbeitsgestaltung und Digitalisierung, Fraunhofer Austria

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Industriemagazin: Herr Edtmayr, Sie leiten seit 2021 den Geschäftsbereich Arbeitsgestaltung und Digitalisierung bei Fraunhofer Austria. Was ist die Mission Ihres Bereichs?

Thomas Edtmayr: Unsere Aufgabe bei Fraunhofer Austria ist es, Unternehmen dabei zu unterstützen, besser zu werden – durch digitale Vernetzung, Automatisierung, aber auch durch menschzentrierte Arbeitsgestaltung. In meinem Geschäftsbereich Arbeitsgestaltung und Digitalisierung steht daher der Mensch im Zentrum. Wir entwickeln Produktionssysteme, die nachhaltig und effizient sind, aber eben auch positiv auf die Beschäftigten und die Umwelt wirken. Entscheidend ist: Eine echte digitale Transformation gelingt nicht durch Technologie allein, sie muss tief in Prozessen und Köpfen verankert sein.

Wo steht die österreichische Industrie aktuell bei Digitalisierung und KI?

Edtmayr: In der Theorie sprechen wir schon über Industrie 5.0. Da geht es darum, den Menschen nicht zu vergessen, sondern ihn mit Automatisierung, Digitalisierung und KI produktiver zu machen. In der Praxis befinden sich viele Unternehmen aber noch auf dem Stand von Industrie 2.0 oder 3.0. Industrie-4.0-Anwendungen sind verbreitet, und es gibt Leuchttürme im Bereich KI – aber von flächendeckender Durchgängigkeit sind wir noch entfernt. Ich halte es für entscheidend, dass sich ausnahmslos alle produzierenden Unternehmen in Österreich mit dem Thema auseinandersetzen. Das richtige Maß ist wichtig: Es muss nicht immer die High-End-KI sein. Oft reicht schon eine saubere digitale Durchgängigkeit und Teilautomatisierung, um Produktivitätspotenziale zu heben. Ohne konsequente Produktivitätssteigerung und Digitalisierung stirbt jedenfalls der Produktionsstandort.

Ein Forschungsschwerpunkt sind Chatbots. Wo sehen Sie hier das Potenzial?

Edtmayr: Klassische KI-Modelle wie ChatGPT stoßen bei spezifischen industriellen Anwendungen schnell an Grenzen. Deshalb entwickeln wir Chatbots, die auf Basis von Unternehmensdaten Technikern bei der Instandhaltung unterstützen. So erhalten Mitarbeitende in natürlicher Sprache gezielte Handlungsempfehlungen. Das reduziert Stillstände und entlastet Fachkräfte erheblich.

Auch in der Produktentwicklung ist KI ein Thema. Worum geht es dabei?

Edtmayr: Besonders im Maschinen- und Anlagenbau nimmt der Trend zu Engineer-to-Order deutlich zu – also zu individuell gefertigten Produkten. Das verursacht hohe Aufwände, weil Konstruktionen oft bei null beginnen. Mit KI können wir vorhandene Produktvarianten automatisch analysieren und passende Lösungen vorschlagen. Das senkt den Konstruktionsaufwand und macht Unternehmen schneller und effizienter.

Ein weiteres Feld sind automatisierte Montageanleitungen. Warum ist das relevant?

Edtmayr: Durch die Vielzahl an Varianten explodiert der Aufwand für individuelle Montageanleitungen. Für jedes Produkt händisch Anleitungen zu erstellen, ist kaum möglich. Mit KI lassen sich Anleitungen direkt aus CAD-Daten generieren – quasi auf Knopfdruck. Das spart nicht nur Zeit, sondern reduziert auch Montagefehler und Nacharbeiten.

Thomas Edtmayr, Geschäftsbereichsleiter Arbeitsgestaltung und Digitalisierung, Fraunhofer Austria: "In der Theorie sprechen wir schon über Industrie 5.0"

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Sie sprechen auch von „empathischen" technischen Systemen. Was ist darunter zu verstehen?

Edtmayr: Dabei geht es um die intelligente Interaktion zwischen Mensch, Maschine und IT-Systemen. Ein Beispiel: Sensoren erfassen die Belastung von Mitarbeitenden. Erkennt das System eine Überlastung, wird automatisch eine Pause vorgeschlagen oder ein kollaborativer Roboter übernimmt die Aufgabe für kurze Zeit. Ergonomie und Produktivität werden so miteinander verbunden – mit messbarem Mehrwert für Unternehmen.

Welches Potenzial sehen Sie bei sogenannten Foundation Models in der Produktion?

Edtmayr: Mit multimodalen Ansätzen – also der Kombination von Sprach- und Bildmodellen – können Wartungsdaten, technische Pläne oder handschriftliche Protokolle maschinenlesbar gemacht werden. Das ermöglicht effizientere Analysen und bessere Vorhersagen. Die größte Herausforderung bleibt jedoch, das implizite Wissen der Mitarbeitenden explizit verfügbar zu machen. Das ist aus meiner Sicht eines der Schlüsselthemen der nächsten Jahre.

Abschließend: Wo liegt Ihr persönlicher Fokus?

Edtmayr: Mein Ziel ist es, Bewusstsein zu schaffen: Wir können in Österreich produktiv und marktfähig produzieren – aber nur, wenn wir Digitalisierung, Automatisierung und KI richtig einsetzen und gleichzeitig die Menschen in der Produktion mitdenken. Denn das Wichtigste werden auch in Zukunft die Mitarbeitenden bleiben.