Energiewirtschaft : Smart Meter: Schiefe Argumente für den Rollout

Auf mittlere und kleine Verbraucher im Gewerbe und bei den Haushalten kommt in den kommenden Monaten die Einführung der neuen Smart Meter zu.

Mit der Einführung der Smart Meter wird die Datenflut zunehmen", schreiben die Autoren in einer großen Studie des Wirtschaftsberatungsunternehmens PriveWaterhouseCoopers (PWC) zu den Umbrüchen der heimischen Energiewirtschaft. Den Energieversorgern eröffnen sich der Studie zufolge neue "Möglichkeiten zur Datenanalyse." Die heimischen Versorger sollen "auf diese Entwicklungen mit einer weitreichenden Digitalisierungsstrategie reagieren."

Ein Projekt mit Milliardenaufträgen

Die Einführung der Smart Meter ist das aktuell größte Projekt der Energiewirtschaft, Milliardenaufträge inklusive. Doch von den bisher schon erteilten Aufträgen profitieren die heimischen Hersteller jedenfalls kaum: Heuer im Juli machten bei einer europaweiten Ausschreibung der Energie Steiermark die französische Sagemcom und die Schweizer Landris+Gyr das Rennen. Als Zulieferer ist das Unternehmen ams aus Unterpremstätten beteiligt. Ab Herbst 2017 soll der überwiegende Teil der steirischen Haushalte die digitalen Stromzähler bekommen.

Ob allerdings die Einführung der Smart Meter für kleinere Unternehmen und die Verbraucher Vorteile bringt, ist eine andere Frage. Das wichtigste Argument für die Einführung lautet offiziell, den Kunden den Verbrauch der einzelnen Geräte sichtbar zu machen und so beim Stromsparen zu helfen. Oft heißt es auch, dass Smart Meter notwendig für die Energiewende seien. Schließlich wird auch argumentiert, dass mit den neuen Zählern der Ablesetermin vor Ort künftig entfalle.

Schiefe Argumente für den Rollout

Allerdings halten die offiziellen Argumente einer genaueren Überprüfung kaum stand. So findet der Ablesetermin schon heute einmal jährlich statt - wenn überhaupt. Die Einsparungen dürften sich ebenfalls stark in Grenzen halten, weil der Verbrauch in den Haushalten und bei den KMU nicht beliebig flexibel verändert werden kann. Ein Zehn-Mann-Betrieb etwa muss am Montag in der Früh seine Geräte einschalten, auch wenn dann der gesamte Energieverbrauch am Markt gerade stark steigt. Und ein Haushalt in einem Mehrparteienhaus wird kaum um zwei Uhr morgens seine Waschmaschine anwerfen, nur weil dann in den Netzen Strom im Überfluß vorhanden ist.

Entsprechend hängen die schlauen Zähler auch nicht unmittelbar mit der Energiewende zusammen. Oder eben gar nicht, wie Peter Birkner zugibt. Er ist Mitglied im Wirtschaftsrat Deutschland und Technikvorstand beim Frankfurter Versorger Mainova. Die vor einiger Zeit gegenüber dem INDUSTRIEMAGAZIN geäußerte Einschätzung Birkners ist recht eindeutig: "Die Energiewende braucht die Smart Meter nicht."

Deutschland setzt ganz andere Grenzen

Wenig überraschend, dass das Wirtschaftsministerium in Deutschland die Installation der schlauen Zähler, die mehrere hundert Euro pro Stück kosten sollen, erst ab einem Jahresstromverbrauch über 6.000 Kilowattstunden vorschreiben will - und das auch erst in der dritten Stufe der Einführung, die ab dem Jahr 2021 geplant ist. Kleinere Unternehmen und die meisten Endverbraucher wären demnach von der Einbaupflicht ausgenommen.

Nicht so Österreich. Das Land hat sich deutlich schärfere Ziele zur Ausrollung gesetzt als von der EU vorgeschlagen. Spätestens 2019 müssen hierzulande 95 Prozent der bestehenden Ferraris-Zähler auf digitale Zähler umgestellt sein.

Der wichtigste Grund für den Rollout

Der eigentliche Grund für die Einführung der Smart Meter im breiten Markt sind neue, flexible Strompreistarife, deren Einführung sich abzeichnet. Denn große Energieverbraucher in der Industrie haben schon seit mehr als zehn Jahren Stunden- oder Viertelstunden-Abrechnungen über Smart Meter - freiwillig. Sie kaufen zu ganz anderen Tarifen ein und nehmen häufig selbst am Großhandel ein.

Jetzt soll dasselbe auch bei Kleinkunden gelten, die allerdings keine Abteilungen mit Spezialisten für Energiehandel beschäftigen. Die heutigen Tarifmodelle würden "höchstwahrscheinlich nicht den geänderten Marktbedingungen entsprechen können", bestätigen die Studienautoren von PwC Österreich.

Mit den neuen Zählern kann der Stromverbrauch auch bei Kleinkunden minutengenau abgelesen und auch abgerechnet werden. "Beim Rollout der Smart Meter werden bereits erste angepasste Tarifmodelle für Haushalte angeboten, bei denen sich der Strompreis gemäß Tageszeit ändert", heißt es in der Studie. Die Marktlogik dahinter ist einfach: Je stärker die Nachfrage dann, wenn alle Strom brauchen, desto teurer wird es.

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