Vom Zillertal an die Wallstreet: Der sagenhafte Aufstieg von Jenbacher

Hier im beschaulichen Zillertal, wo Touristen die Bergidylle suchen und Kuhglocken den Ton angeben, steuert Innio seine weltweiten Geschäfte. Das Unternehmen – besser bekannt unter seiner Marke Jenbacher – entwickelt und produziert hier Hochleistungsmotoren, die weltweit in Kraftwerken, Rechenzentren, Krankenhäusern und Industriebetrieben laufen.

Was nach Produktionsbetrieb in der Provinz aussieht, ist in Wahrheit ein Milliardenkonzern: Analysten taxieren den Wert des Unternehmens auf rund zwölf Milliarden Dollar. Mit Werken in Nordamerika und Europa – und mit einem geschickten Geschäftsmodell, bei dem die Motorenherstellung selbst immer mehr in den Hintergrund tritt.  

Was macht Innio eigentlich?

Im Kern baut Innio Gasmotoren für Kraft-Wärme-Kopplung – Technik, die Strom und Wärme gleichzeitig erzeugt und so besonders effizient ist.

Die Einsatzgebiete sind breit: Stadtwerke nutzen die Motoren in Blockheizkraftwerken, Industrieparks sichern damit ihre Versorgung, Rechenzentren schätzen die Zuverlässigkeit. Auch in Krankenhäusern und kritischen Infrastrukturen laufen sie oft in Kombination mit erneuerbaren Energien.

Das Geschäft profitiert von der geopolitischen Lage: Je unsicherer die Energieversorgung, desto stärker die Nachfrage nach dezentralen Lösungen. Seit dem Ukrainekrieg investieren Versorger, Kommunen und Industriebetriebe verstärkt in zusätzliche Kapazitäten.

Und: Der Verkauf neuer Motoren ist für Innio in Jenbach nur der Anfang. Jedes Aggregat bindet Kunden über Jahrzehnte – durch Wartung, Ersatzteile, Modernisierungen und digitale Services. Über eine eigene Plattform lassen sich Ausfälle vorhersagen und Wartung optimieren.

Unter der Marke Jenbacher entstehen Motoren von wenigen hundert Kilowatt bis zu mehreren Megawatt. Produziert wird auch in Welland, Kanada, und unter der traditionsreichen Marke Waukesha in den USA. 

2024 setzte Innio über 2 Milliarden Euro um und erwirtschaftete 147 Millionen Euro Gewinn. Weltweit beschäftigt das Unternehmen rund 4.500 Menschen, die Hälfte davon in Österreich.

Wieviel Zillertal bleibt in Innio?

Noch gilt Jenbach als Herz des Konzerns – die Entwicklung, große Teile der Produktion und ein beachtlicher Teil der Konzernführung sitzen in Tirol. Rund 2.000 Mitarbeiter arbeiten dort an Motoren, Software und Services.

Und mit einem neuen Werk in Hall bei Innsbruck, das 2025 in Betrieb gehen soll, werden die Kapazitäten weiter ausgebaut – Jenbach platzt längst aus allen Nähten.

Doch die geplante Börsennotierung in den USA ist ein Wendepunkt. Investoren erwarten mehr Transparenz, mehr Wachstum – und könnten sich mehr Fokus auf Nordamerika erwarten. 

Dort ist Innio längst präsent: mit dem Werk in Welland, der Marke Waukesha und einem neuen Joint Venture namens IGPS in New Jersey. 

Das Ziel des Joint Ventures: modulare Energiecontainer – komplette Kraftwerke im Standardformat, anschlussfertig in wenigen Tagen. Erdacht in Tirol, umgesetzt mit der österreichischen Gföllner-Gruppe, werden in den nächsten Wochen in Trenton, New Jersey die ersten Container vom Band laufen. 

Geführt wird Innio seit vier Jahren aus Jenbach von Olaf Berlien. Für den gebürtigen Berliner ist das Management von Unternehmen am Börsenparkett nichts neues: Er war CEO der ThyssenKrupp Technologies AG, im Topmanagement von Siemens, später Chef von Osram.

In Jenbach gelang ihm der Neustart: mit harter Ausrichtung auf Kennzahlen, einem klaren Narrativ der Energiewende und dem Versprechen, Innio fit für das Wasserstoffzeitalter zu machen. Ob er diesmal dauerhaft das Vertrauen der Kapitalmärkte gewinnt, wird sich zeigen. 

Sicher ist nur: Die Zukunft von Innio wird nicht mehr allein im Zillertal entschieden – sondern an den Börsen und Energiemärkten dieser Welt.

Hier, zwischen Kuhglocken und Alpenpanorama ist ein internationaler Energie-Champion entstanden – mit Ambitionen, die längst weit über die Alpen hinausreichen.