Industrie : Industrie-Produktion steigt stärker als erwartet

Produktion Stoelzle

Die Industrie-Produktion ist zuletzt deutlich stärker gestiegen. Experten der IV sehen aber neue Probleme auf die Industrie zukommen.

- © Dieter Sajovic www.dieabbilderei.at 06769001020

Die Industrie im Euroraum hat ihre Produktion im September überraschend kräftig hochgefahren. Die Betriebe stellten 0,9 Prozent mehr her als im Vormonat, wie das Statistikamt Eurostat am Montag mitteilte. Von Reuters befragte Ökonomen hatten nur mit plus 0,3 Prozent gerechnet, nachdem es im August einen Anstieg von revidiert 2,0 Prozent gegeben hatte.

Im Vergleich zum Vorjahresmonat legte der Ausstoß im September um 4,9 Prozent zu und damit deutlich stärker als mit 2,8 Prozent erwartet.

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In der Eurozone stieg die Produktion von Investitionsgütern von August auf September um 1,5 Prozent und von Verbrauchswaren um 3,6 Prozent. Der Ausstoß von Vorleistungsprodukten sank hingegen um 0,9 Prozent und von Energie um 1,1 Prozent. Die im Zuge des Ukraine-Krieges stark gestiegenen Preise für Energie und Rohstoffe machen vielen Industriebetrieben das Leben schwer. Aber auch die seit Ausbruch der Coronapandemie zu verzeichnenden Störungen der Lieferketten belasten immer noch.

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Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) geht wegen des anhaltenden Gegenwinds von einer schwächelnden globalen Konjunktur aus. "Das Wachstum der Weltwirtschaft wird sich auf gut 2,25 Prozent im kommenden Jahr belaufen – nach drei Prozent im laufenden Jahr", heißt es im Globalen Wachstumsausblick 2023 des BDI. "Das ist ein enorm schlechter Wert." Es drohe das drittschlechteste Ergebnis für die Welt in den vergangenen 32 Jahren.

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Tendenz steigend seit Juli

Zuletzt im Juli ist in der Eurozone die Industrieproduktion deutlich stärker gesunken als erwartet. Gegenüber Juni war die Gesamtherstellung um 2,3 Prozent gefallen, teilte das Statistikamt Eurostat mit. Die Industrieproduktion in Österreich ist im Juli um 3,2 Prozent eingebrochen.

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In den einzelnen Mitgliedsstaaten verlief die Entwicklung sehr unterschiedlich. Irland meldete einen Einbruch der Industrieproduktionvon 18,9 Prozent, während diese in Estland (-7,4 Prozent) und Österreich (-3,2 Prozent) ebenfalls stark schrumpfte. In Deutschland fiel das Minus mit 0,7 Prozent nicht so stark aus. Die höchsten Anstiege wurden in Litauen (+6,5 Prozent) und Malta (+4,2 Prozent) beobachtet.

Analysten hatten im Schnitt lediglich mit einem Rückgang der Industrieproduktion in der Eurozone um 1,1 Prozent gerechnet. Allerdings wurden die Zahlen für Juni etwas nach oben revidiert. Die Produktion war damals um 1,1 Prozent gestiegen, nachdem zunächst ein Anstieg von 0,7 Prozent ermittelt worden war.

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Die Produktion von Investitionsgütern sank besonders deutlich und gab um 4,2 Prozent nach. Zudem ist auch die Produktion von Vorleistungs- und Gebrauchsgütern gefallen. Die Erzeugung von Energie und Verbrauchsgütern stieg hingegen an.

Im Vergleich zum entsprechenden Vorjahresmonat fiel die Industrieproduktion im Juli insgesamt um 2,4 Prozent. Hier war ein unveränderter Wert prognostiziert worden.

"Ein Hoffnungsschimmer"

Die von Inflation und Materialknappheit gebeutelten deutschen Unternehmen haben ihre Produktion im September überraschend stark hochgefahren. Industrie, Bau und Energieversorger stellten zusammen um 0,6 Prozent mehr her als im Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte. Ökonomen hatten nur mit plus 0,2 Prozent gerechnet, nachdem die Produktion im August um revidiert 1,2 Prozent gedrosselt worden war.

"Aber der jüngste Einbruch der Auftragseingänge sowie das seit Monaten fallende Ifo-Geschäftsklima deuten weiter auf eine Rezession im Winterhalbjahr", erklärte Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer. "Diese dürfte jedoch nicht so tief ausfallen wie bei der Coronakrise, solange gut gefüllte Gaslager und hohe Gaslieferungen eine Rationierung von Gas unwahrscheinlich machen."

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Im Vergleich zum September 2021 lag die Produktion nun um 2,6 Prozent höher. Im gesamten Sommer gab es ein Plus von 0,5 Prozent zum Vorquartal. "Gleichwohl bleibt der Ausblick auf die kommenden Monate eingetrübt", erklärte das Bundeswirtschaftsministerium. Die Stimmung in den Unternehmen sei weiter "deutlich unterkühlt und die Nachfrage spürbar rückläufig".

Während die Industrie ihre Produktion im September um 0,7 Prozent erhöhte, legte der Energiebereich - nach einem kräftigen Minus im August - um 1,7 Prozent zu. Die Produktion in den energieintensiven Branchen sank allerdings um 0,9 Prozent zum Vormonat und um 9,7 Prozent zum Vorjahr. "Das ist gemessen an den Rahmenbedingungen gar keine schlechte Zahl gewesen", sagte Jens-Oliver Niklasch von der LBBW, fügte aber hinzu. "Der massive Rückgang in den energieintensiven Branchen dürfte die Diskussion um eine drohende Deindustrialisierung weiter anheizen." Die Hoffnung liege nun auf der Energiepreisbremse, ergänzte Chefvolkswirt Thomas Gitzel von der VP Bank. "Kommen Industriebetriebe in den Genuss niedrigerer Strom- und Gaspreise, könnte dies im kommenden Jahr positiv auf die Produktionsentwicklung abfärben."

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Das Produktionsplus im September sei ein "Hoffnungsschimmer" und eine Erklärung für das besser als erwartete Wachstum der gesamten deutschen Wirtschaft von 0,3 Prozent im dritten Quartal, erläuterte Gitzel. "Gleichzeitig keimt Hoffnung, dass die wieder besser funktionierenden Lieferketten auch im Schlussquartal Früchte tragen." Wäre dies der Fall, könne der wegen der hohen Inflation nachgebende private Konsum zumindest etwas ausgeglichen werden.

Zuletzt hatten sich die Hiobsbotschaften aus der Wirtschaft gehäuft, der laut Bundesbankchef Joachim Nagel wahrscheinlich eine technische Rezession droht - also zwei Quartale mit schrumpfendem Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Folge. Die Auftragseingänge waren im September um 4,0 Prozent eingebrochen. Und die hohen Energiepreise und die globale Konjunkturflaute setzen auch den Exporteuren zu: Die Ausfuhren schrumpften im September um 0,5 Prozent. Das Konjunktur-Barometer von Börsianern für Deutschland, der Sentix-Index, stieg zwar im November um 7,4 Punkte auf minus 30 Zähler. "Alles in allem aber noch keine Trendwende", bilanzierte Geschäftsführer Manfred Hübner von der Investment-Beratungsfirma Sentix.

So ist die Lage in Österreich

Hohe Energie- und Rohstoffpreise belasten weltweit die Konjunktur. Dieser Entwicklung kann sich auch Österreichs Wirtschaft nicht entziehen. Daher stagnierte das BIP im 3. Quartal. Die Exporte sowie die Wertschöpfung in der Sachgütererzeugung sanken, teilte das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) in einer Aussendung mit.

Auf den Energiemärkten gab es zuletzt zwar eine leichte Entspannung. Denn der Erdgaspreis, der seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine enorm gestiegen war, gab im Oktober stark nach. Die Rohstoffpreise lagen dennoch deutlich über den Vorjahreswerten. Daher blieb die Inflation mit 11 Prozent auch im Oktober sehr hoch, merkte Stefan Eder, Autor des aktuellen Konjunkturberichtes, an.

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Doch die internationale Konjunktur schwächt sich seit dem Frühjahr ab. Hohe Energie- und Rohstoffpreise dämpfen die Stimmung der Unternehmen und privaten Haushalte. Während der weltweite Warenhandel in den Sommermonaten etwas an Schwung verlor, hat sich das Wachstum der Industrieproduktion bisher nicht verlangsamt. In den USA wuchs die Wirtschaft im 3. Quartal kräftig, nachdem sie im 1. Halbjahr geschrumpft war. Im Euro-Raum hingegen schwächte sich die Konjunktur in den Sommermonaten ab.

Auch in Österreich stagnierte die Wirtschaft im 3. Quartal. Die Konsumausgaben der privaten Haushalte erwiesen sich jedoch trotz hoher Energiepreise als Konjunkturstütze. Unternehmensbefragungen deuten allerdings darauf hin, dass der Wirtschaftsabschwung in den nächsten Monaten anhält.

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Die Aussichten für die österreichische Wirtschaft sind daher laut Wifo-Konjunkturtest eher trüb. Sowohl die Einschätzungen zur aktuellen Lage als auch die Konjunkturerwartungen der befragten Unternehmen verschlechterten sich im Oktober.

Strom und Gas dürften trotz der leichten Entspannung auf den Energiemärkten abermals die stärksten Preistreiber gewesen sein. Zudem waren auch Lebensmittel, Alkohol und Tabak, Industriegüter und Dienstleistungen im September markant teurer als im Vorjahr.

Auf den österreichischen Arbeitsmarkt schlug die Konjunkturabschwächung noch nicht durch. Die Zahl der unselbstständig aktiv Beschäftigten war laut Schätzung des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft (im Oktober um 1,7 Prozent höher als im Vorjahr, die Zahl der Arbeitslosen (einschließlich Personen in Schulung) um 6,4 Personen niedriger. Saisonbereinigt lag die Arbeitslosenquote unverändert bei 6,3 Prozent.

Wir stehen vor einer schwierigen Phase der österreichischen Industrie in den kommenden Monaten und noch weit in das kommende Jahr hinein.
Christoph Neumayer, IV-Generalsekretär

Geringes Konjunkturplus für 2023

Nach der Erholung der heimischen Volkswirtschaft im Vorjahr sowie im ersten Halbjahr 2022 sehen die Konjunkturexperten vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) und vom Institut für Höhere Studien (IHS) eine Abschwungphase. 2023 wird sich daher nur noch ein geringes Konjunkturplus ausgehen. Für das laufende Jahr erwarten die Experten vom WIFO noch ein BIP-Plus von 4,8 Prozent, das IHS geht von einem Wirtschaftswachstum um 4,7 Prozent aus.

Der Ukraine-Krieg hat zu einem drastischen Anstieg der Energiepreise geführt. Aber auch die stark steigenden Rohstoffkosten haben die Inflation in die Höhe getrieben. "Wir haben die höchste Inflationsrate seit 1974/75", gibt WIFO-Chef Gabriel Felbermayr zu bedenken. Die hohe Unsicherheit bremst die Expansion der Weltwirtschaft. Daher erwarten die Konjunkturexperten für Österreich nur noch ein geringes Wachstum bei relativ hoher Inflation. Das WIFO geht für das kommende Jahr 2023 von 0,2 Prozent Wirtschaftswachstum aus, das IHS von 0,3 Prozent. Der Gaspreis wird weiterhin auf einem hohen Preisniveau bleiben, rechnet Felbermayr. Dafür zeichnet sich durch die schwächere Weltwirtschaft beim Ölpreis eine Entspannung ab.

Das IHS habe heuer zu einem früheren Zeitpunkt, als die Risiken schlechter abzuschätzen waren, ein "Worst Case Scenario" berechnet. Demnach wäre für 2023 ein Wirtschaftsabschwung um 2,5 Prozent möglich gewesen. "Aber nach der aktuellen Situation zeichnet sich kein Armageddon ab", gibt IHS-Chef Klaus Neusser Entwarnung.

Ein leichter Aufschwung ist laut IHS erst im Frühjahr 2023 zu erwarten - vorausgesetzt, die Gasversorgung kann aufrechterhalten werden. Wobei das WIFO vorerst keine Probleme ortet. Die Gasspeicher sind zwar zu 85 Prozent gefüllt, allerdings gehören geschätzt 50 Prozent davon Österreich. Der Gasverbrauch ist um 7 Prozent gesunken - daher entspricht der Gasvorrat 55 Prozent des Bedarfs. Einige Unternehmen haben Gasvorräte im Ausland. Auch wenn der Gasvorrat demnach schwer abzuschätzen sei, sollte er bis Mitte 2023 aus heutiger Sicht gesichert sein.

Der private Konsum sollte heuer mit einer Zunahme um 4,7 Prozent der Wachstumstreiber bleiben, prognostiziert das IHS. Das WIFOist für das laufende Jahr vorsichtiger: Haushalte mit eingeschränkter Liquidität würden ihren Konsum reduzieren. Aufgrund der relativ hohen Inflation sei mit einer Zunahme dieser Haushalte zu rechnen. Andererseits würden Haushalte, die keine Liquiditätsschwierigkeiten haben, mehr konsumieren. Schließlich sinke der bereits negative Realzinssatz durch die Inflation weiter, was den Konsum anrege. Das WIFO rechnet mit einer Zunahme der Konsumausgaben um 3,8 Prozent im laufenden Jahr und um 1 Prozent 2023.

Allerdings werde sich die prognostizierte Abflachung der konjunkturellen Dynamik nur langsam auf die Preise auswirken, prognostiziert das WIFO. Daher erwartet das WIFO einen Rückgang der Inflation auf 6,6 Prozent. Das IHS geht mit 6,8 Prozent Inflation für das nächste Jahr hingegen von einer weniger optimistischen Prognose aus. Die hohe Verbraucherpreisinflation wird den Wirtschaftsforschern zufolge vor allem 2023 zu höheren Lohnabschlüssen führen. Die expansive Fiskalpolitik werde ebenfalls ihren Anteil zur hohen Inflation beitragen. Allerdings werde etwa eine Strompreisbremse dem entgegenwirken. Daher rechnet Neusser, dass die Inflation bis Ende 2023 auf "nach wie vor sehr hohe 5 Prozent fällt".

Vorerst erwartet das IHS, dass die Bruttoreallöhne heuer um 4,2 Prozent, die Nettoreallöhne um 2,8 Prozent sinken. Erst 2023 sei dank guter Lohnabschlüsse und den Steuervorteilen -Stichwort "kalte Progression" - mit einem kleinen Plus zu rechnen.

Durchaus positiv sind nach wie vor die Arbeitslosenzahlen, obwohl die Zahl der Arbeitslosen in den vergangenen Monaten leicht gestiegen ist. Für heuer rechnen die beiden Institute mit einem Anstieg der Beschäftigten um 2,7 bzw. 2,8 Prozent. Doch 2023 dürfte die Arbeitslosenquote von etwa 6,4 Prozent auf 6,7 Prozent steigen, sind sich WIFO und IHS einig. "Insgesamt sind die Zahlen jedoch besser als die Stimmung", gibt Neusser zu bedenken.

Die Konjunkturprognosen führen zu heftiger Regierungskritik seitens SPÖ, FPÖ und Neos: "Die Regierung muss ein Budget vorlegen, dass die Preise massiv senkt, denn nur so können die Inflation und die drohende Stagnation bekämpft werden. Die Preise müssen runter, ansonsten fährt Österreich an die Wand!", sagt SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter und fordert einen Gaspreisdeckel.

Österreich geht gut vorbereitet in eine auch wirtschaftlich schwierigere Zeit
Martin Kocher, Wirtschaftsminister

"Derzeit befindet sich Österreichs Wirtschaft mit einem Höllentempo auf einer Talfahrt ohne absehbaren Schlussteil, weil die schwarz-grüne Regierung einfach den Zeitpunkt zum rechtzeitigen Eingreifen samt dringend notwendigem Gegenlenken vollkommen verschlafen hat, und dafür tragen sie die volle Verantwortung", merkt FPÖ-Wirtschaftssprecher Erwin Angerer an. Wobei Angerer etwa die Einführung der CO2-Steuer massiv kritisiert.

NEOS-Wirtschaftssprecher Gerald Loacker wiederum merkt an: "Der Abschwung lässt sich nicht mit Gutscheinen und Einmalzahlungen aufhalten, ÖVP und Grüne müssen endlich echte Reformen angehen. Das kommende Jahr wird ein Jahr der Stagflation und deswegen müssen wir sofort dafür sorgen, dass die Unternehmen möglichst produktiv bleiben können."

Die Wirtschaftskammer wiederum befürchtet, dass Österreich von der Stagflation in die Rezession schlittern könnte: "Wir liegen hier nur noch knapp über der Nulllinie. Die Abwärtsrisiken und geopolitischen Unsicherheitsfaktoren sind enorm, wir könnten allzu leicht in die Rezession abrutschen. Umso wichtiger ist es daher, den Unternehmen und der Wirtschaft als Ganzes Spielraum zu verschaffen. Ein Wirtschaften am äußersten Limit - wie das aufgrund der Kostensituation in unzähligen Betrieben quer durch alle Branchen längst traurige Realität ist - ist für den Standort, seine Betriebe und Mitarbeiter existenzgefährdend", so WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf.

Wirtschaftsminister Martin Kocher kann der Kritik nichts abgewinnen: "Österreich geht gut vorbereitet in eine auch wirtschaftlich schwierigere Zeit. Das Jahr 2023 wird sehr wahrscheinlich eine Herausforderung für den österreichischen Standort. Daher ist es zentral, das Vertrauen der Unternehmen und der Bevölkerung in den Standort zu stärken. Die Bundesregierung setzt schon seit Jänner dieses Jahres Entlastungsschritte, die auch im kommenden Jahr greifen werden, wie die Abschaffung der Kalten Progression, die Senkung der Lohnnebenkosten oder der Energiekostenzuschuss. Viele direkte Hilfen wurden bereits oder werden derzeit Schritt für Schritt ausbezahlt. Das ist in Zeiten von hoher Inflation, wie wir sie aktuell erleben und auch nächstes Jahr sehen werden, wichtig und führt dazu, dass die Kaufkraft gestärkt wird."

Wirtschaftsminister Martin Kocher: "Österreich geht gut vorbereitet in eine auch wirtschaftlich schwierigere Zeit."

- © APA/FLORIAN WIESER

Steigende Fluktuation bei Industrie-Beschäftigten?

Die Stimmung in der heimischen Industrie trübt sich weiter ein. Ein Fünftel der heimischen Industrieunternehmen befürchtet laut dem aktuellen IV-Konjunkturbarometer seinen derzeitigen Beschäftigtenstand in den kommenden drei Monaten nicht halten zu können. Einen Anstieg der Arbeitslosigkeit erwartet die IV aufgrund des Fachkräftemangels allerdings nicht, viel eher könnte es zu einer Fluktuation von Beschäftigten in heimischen Industrieunternehmen kommen.

"Wir gehen davon aus, dass wir im Winterhalbjahr im produzierenden Sektor eine Rezession sehen werden", sagte der Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), Christoph Neumayer, am Montag bei einer Pressekonferenz in Wien. Bisher habe der hohe Auftragsbestand heimischer Industriebetriebe stabilisierend gewirkt. Da sich allerdings die Probleme bei Lieferkettenengpässen der letzten Monate nun allmählich entspannen, reduzieren sich auch die Auftragsbestände rasant, so der Generalsekretär. Neumayer zufolge reichen die derzeitigen Bestände allerdings nicht mehr aus, um die Industrie weiter zu stabilisieren. "Wir stehen vor einer schwierigen Phase der österreichischen Industrie in den kommenden Monaten und noch weit in das kommende Jahr hinein", sagte er.

Laut IV-Chefökonom Christian Helmenstein ist das IV-Konjunkturbarometer im dritten Quartal 2022 um 19 Punkte auf minus 2 Punkte gesunken. Von einer "Stagflation", also einer Stagnation der wirtschaftlichen Entwicklung bei gleichzeitig hoher Inflation, will Helmenstein allerdings nicht sprechen, da eine Stagflation im klassischen Sinne oftmals mit einem sprunghaften Anstieg der Arbeitslosigkeit einhergehe. Obwohl die Inflation derzeit auf einem derart hohem Niveau wie seit 70 Jahren nicht mehr liege, sei die Situation nicht mit früheren Stagflationsphasen vergleichbar. "Dieses Phänomen erwarten wir für diese Rezession nicht", so der Ökonom.

Trotzdem sind heimische Industrieunternehmen wenig optimistisch. Im aktuellen Konjunkturbarometer sank der Indikator der Geschäftsaussichten für die kommenden sechs Monate im dritten Quartal von minus 22 auf minus 46 Punkte. Jedes zweite österreichische Industrieunternehmen rechnet Helmenstein zufolge mit einer teils erheblichen Verschlechterung. Für einen großen Anteil von Unternehmen seien aufgrund der derzeitigen Situation auch Produktionskürzungen nicht ausgeschlossen. Laut dem Ökonomen sei dies unter anderem für Unternehmen in der Düngemittelwirtschaft, der Tierfutterproduktion oder der Papierindustrie zu befürchten. Die Produktionsreduktion werde sich aber höchstwahrscheinlich nicht durch spektakuläre Insolvenzen, Schließungen oder Marktaustritten manifestieren. Viel eher passiere dies graduell, in dem beispielsweise einzelne Produktionslinien stillgelegt werden, so der Ökonom. Zudem befürchten rund 20 Prozent der Unternehmen, ihren Beschäftigungsstand in den kommenden drei Monaten nicht halten zu können.

"Gleichzeitig wäre ein knappes Fünftel der Unternehmen bereit, ihre Beschäftigungszahlen zu erhöhen, wenn es diese Beschäftigten gäbe" so Helmenstein. Die heimische Industrie kämpft laut IV weiterhin mit einem Fachkräftemangel. "In den kommenden 12 Jahren werden uns rund 540.000 Fachkräfte abgehen, das ist die Einwohnerzahl Salzburgs", so IV-Generalsekretär Neumayer. "Was wir in den nächsten Monaten erwarten, ist eine sich verstärkende Fluktuation, weg von Unternehmen, die den Beschäftigtenstand nicht zu halten vermögen, hin zu Unternehmen, die noch positivere Marktaussichten haben und die ganz besonders unter dem Fachkräftemangel leiden", so der IV-Chefökonom.

"Wir werden aufgrund des demografischen Wandels und aufgrund der Arbeitskräftenachfrage durch die Digitalisierung, Automatisierung, Robotisierung nicht in die Situation einer Massenarbeitslosigkeit hineingeraten", gab Helmenstein Entwarnung. Auch Neumayer gab zu bedenken, dass die Nachfrage nach Arbeitskräften gesamtwirtschaftlich weiterhin hoch sei. Ob die tatsächliche Fluktuation von Arbeitskräften in heimischen Industrieunternehmen tatsächlich stattfinde, hänge aber besonders von deren Qualifikationsprofilen ab. Vor diesem Hintergrund lohne es sich aus Sicht des IV-Chefökonomen, das Budget für aktive Arbeitsmarktpolitik zu erhöhen.

Zu ähnlichen Ergebnissen kam eine aktuelle Studie der TU Wien in Kooperation mit der FHWien der WKW, Fraunhofer Austria und EIT Manufacturing East, in der rund 100 Führungspersönlichkeiten österreichischer Industrieunternehmen befragt wurden. Auch sie erwartet einen steigenden Arbeitskräftebedarf. Gleichzeitig würden in Industriebetrieben Themen wie der Einsatz von künstlicher Intelligenz und Algorithmen des maschinellen Lernens immer wichtiger.

"Es wird sich zeigen, ob der durch die COVID-19-Pandemie angestoßene Innovationsschub in Bezug auf technologieunterstütztes Lernen auch nachhaltige Innovationen im Bildungsbereich auslöst, um die Wissensbasis für den weiteren Erfolg der Produktionsarbeit in Österreich zu sichern", heißt es heute in einer Aussendung der Studienautoren.

Generalsekretär der Industriellenvereinigung Christoph Neumayer: "Wir gehen davon aus, dass wir im Winterhalbjahr im produzierenden Sektor eine Rezession sehen werden"

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