Deloitte Wirtschaftsstandort : Herbert Kovar, Deloitte Österreich: „Investoren machen einen großen Bogen um Österreich“

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Herbert Kovar, Managing Partner Tax & Legal bei Deloitte Österreich: „Pensionssystem, Gesundheit, Bürokratie und Föderalismus, diese heißen Eisen müssen endlich angepackt werden"

- © Thomas Topf

Herr Kovar, Sie sprechen von der Notwendigkeit eines „steuerpolitischen Neustarts“. Welche Maßnahmen wären aus Ihrer Sicht sofort notwendig, um Österreichs Wettbewerbsfähigkeit zu stärken?

Herbert Kovar: Die Wettbewerbsfähigkeit eines Standorts ruht auf drei Säulen: Talente, Kapital und Unternehmer. Wenn wir diese Faktoren nicht gezielt fördern, verlieren wir international den Anschluss. Derzeit streuen wir durch verschiedene Abgaben viel Sand ins Getriebe, gleichzeitig wird von der Wirtschaft erwartet, dass sie Ergebnisse und Wohlstand bringt. Die Regierungsklausur von Anfang September, in der unter anderem die Erhöhung des Investitionsfreibetrages von aktuell 10 % auf 20bis Ende 2026 beschlossen wurde, hat gezeigt, dass die Richtung stimmt, denn Investitionen kurbeln die Wirtschaft an. Doch auch das Gesamtpaket muss stimmen. Denn Unternehmen werden nur dann in Maschinen und andere Anlagegüter investieren, wenn das zugrunde liegende Geschäftsmodell funktioniert und wettbewerbsfähig ist. Das heißt, auch die Rahmenbedingungen müssen stimmen. Wenn die Arbeitskosten durch Faktoren wie zu hohe Lohnnebenkosten nicht attraktiv sind, dann werden auch vielversprechende Anreize nicht zu Investments in den Standort führen oder auch neue Unternehmen anzuziehen. 

Aber solche Maßnahmen müssen finanziert werden. Woher soll das Geld kommen?

Herbert Kovar: Genau hier liegt der Knackpunkt. Österreich hat ein massives Budgetproblem. Wenn wir die Wirtschaft entlasten wollen, dürfen wir nicht davor zurückscheuen, die großen Ausgabenblöcke anzupacken: das Pensionssystem, das Gesundheitssystem, den aufgeblähten Föderalismus und die Bürokratie. Diese heißen Eisen wurden lange gemieden. Aber ohne Reformen werden wir keinen Spielraum gewinnen, um Unternehmen zu entlasten und den Standort Österreich wieder zukunftsträchtig zu machen. Die heiligen Kühe müssen geschlachtet werden, um in Österreich das Einkommen zu erhalten, das vorwiegend durch den Außenhandel generiert wird und allen Gesellschaftsschichten zugutekommt. 

Sie betonen immer wieder den offenen Dialog. Wie könnte ein solcher Prozess funktionieren, ohne in Ankündigungspolitik zu versanden?

Herbert Kovar: Die Politik muss klar definieren, wohin sie will, und dann den Mut haben, Experten etwa in Form eines Gremiums aus verschiedenen Interessengruppen zu beauftragen. Diesen Gremium könnte dann wissenschaftlich fundiert arbeiten, sodass alle Perspektiven einfließen. In einem solchen dialektischen Prozess werden demokratisch die sinnvollsten Maßnahmen erarbeitet. Am Ende müssen diese Empfehlungen verpflichtend umgesetzt und nicht aus Angst vor Unpopularität abgeblockt werden. Entscheidend ist auch, dass die Reformen breit gesellschaftlich verankert sind. Ich glaube, wir haben jetzt eine große Chance, weil unsere dderzeitige Regierung so breit aufgestellt ist. Viele verschiedene Interessengruppen der Wirtschaft, Arbeitnehmer sowie Arbeitgeber, sind repräsentiert und könnten gemeinsam an einem Strang ziehen und in diese Richtung gehen. Dennoch kratzen wir bisher nur an der Oberfläche. Es ist zu hoffen, dass die Maßnahmen vertieft und zusätzliche Mittel zu dem bereits beschlossenen Budget investiert werden.

Welche Prioritäten wären bei diesen Reformen wünschenswert?

Herbert Kovar: Wenn man realistisch ist, wird eine Föderalismusreform am schwersten durchzusetzen sein. Am ehesten anpacken ließe sich das Pensionssystem: Das ist ein legislativer Schritt, den eine Bundesregierung beschließen könnte. Parallel dazu braucht es eine Expertenkommission, die das Gesundheitssystem effizienter organisiert, ohne Qualitätsverlust, aber mit Verwendung von weniger Ressourcen. Und die Verwaltung muss dringend verschlankt werden. Ohne diese Schritte werden wir sonst weiter über unsere Verhältnisse leben.

"Ohne Reformen werden wir keinen Spielraum gewinnen, um den Standort Österreich wieder zukunftsträchtig zu machen."
Herbert Kovar

- © Thomas Topf
„Die Wettbewerbsfähigkeit eines Standorts ruht auf drei Säulen: Talente, Kapital und Unternehmer.“
Herbert Kovar, Managing Partner Tax & Legal bei Deloitte Österreich

Wie beurteilen Sie den internationalen Vergleich – wo steht Österreich derzeit?

Herbert Kovar: Früher zählten wir zu den wettbewerbsfähigsten Ländern Europas. Heute liegen wir in internationalen Rankings am unteren Ende. Eine fatale Entwicklung, ausgelöst durch die Energiepreisschocks und eine Lohn-Preis-Spirale, bei der alle Seiten überzogen haben. Bei den Energiekosten hätte es smartere staatliche Eingriffe gebraucht, wie gezielte Eingriffe ins Strommarktdesign. Und auch auf der Lohnseite hat man Verhandlungsergebnisse erzielt, die letztlich auch der eigenen Klientel auf Arbeitnehmerseite schaden, weil sie Erwerbslosigkeit begünstigen.

Welche internationalen Entwicklungen muss Österreich besonders im Auge behalten?

Herbert Kovar: Wir dürfen nicht nur nach innen schauen. Kapital fließt dorthin, wo die Bedingungen attraktiv sind. Mit Regelungen wie dem neuen Grunderwerbsteuergesetz oder Mietpreisdeckeln vertreiben wir Investoren. Früher standen ausländische Fonds Schlange, heute machen sie einen großen Bogen um Österreich. Das bedeutet, es wird weniger gebaut und saniert, und am Ende explodieren die Preise. Das zweite große Thema sind Talente. Wir müssen international deutlich offensiver um Fachkräfte werben und die hohe Lebensqualität des Landes ebenso sichtbar machen, wie wir es seit Jahren erfolgreich im Tourismusmarketing tun. Gleichzeitig müssen wir die hier ausgebildeten Menschen auch halten. Viele gut ausgebildete Absolventen verlassen das Land, weil sie anderswo bessere Bedingungen vorfinden. Und schließlich geht es um Unternehmertum. Wir brauchen Gründer, die hier etwas aufbauen und dann auch bleiben wollen. Dafür müssen wir die Rahmenbedingungen so gestalten, dass Österreich für internationale Unternehmer attraktiv ist. Dafür braucht es Mut, Konsequenz und den Willen, Reformen nicht nur anzukündigen, sondern auch umzusetzen.