Logistik : Häfen rechnen mit langanhaltenden Staus

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Der Hamburger Hafen rechnet mit langanhaltenden Staus in den europäischen Häfen.

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Staus großer Containerschiffe dürften die europäischen Häfen noch länger in Atem halten. Da die Zahl der Frachter aus China nach dem Ende der Coronalockdowns wieder steigt, sei mit größeren Containermengen zu rechnen, sagte Axel Mattern, Vorstandsmitglied des Vereins Hafen Hamburg Marketing. Gleichzeitig seien die Probleme in den Lieferketten aber nicht behoben.

Das Gefüge aus Logistikunternehmen, Reedereien und Häfen, das vor Ausbruch der Pandemie vor mehr als zwei Jahren gut funktioniert habe, sei aus dem Tritt gekommen. "Dass die Schiffe da draußen liegen, ist in Hamburg nicht anders als vor den Westhäfen." Die Engpässe bei der Abfertigung an den Terminals und beim Weitertransport über die Schiene oder per Lastwagen seien auch nicht einfach zu beheben. "Das wird sich, wenn überhaupt, sehr, sehr langsam abarbeiten", fügte Mattern hinzu. Mit einer Verschnaufpause sei nicht zu rechnen.

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In der deutschen Bucht warteten zuletzt etwa 40 Containerschiffe mit Ziel Hamburg, Bremen und Bremerhaven. Davon seien gut zwei Dutzend für Hamburg bestimmt, sagte ein Sprecher von Hafen Hamburg Marketing.

Folgen weniger gravierend als befürchtet

Die stark steigenden Mengen stimmen die Marketingorganisation zuversichtlich für den Containerumschlag an den Terminals. "Wir sind für das Gesamtjahr recht positiv, dass wir zumindest nicht wieder runtergehen", sagte Mattern. Damit dürften wie im vergangenen Jahr rund 8,7 Millionen Container an den Kaimauern bewegt werden. Wann wieder mehr als neun Millionen Container umgeschlagen würden, sei nicht abzusehen. In den ersten sechs Monaten steigerte der Hamburger Hafen trotz gestörter Lieferketten, langen Schiffsstaus und Streiks der Hafenarbeiter die Zahl der Standardcontainer (TEU) um knapp ein Prozent auf 4,4 Millionen Stück. Damit hob sich die Hansestadt von ihren Konkurrenten in Rotterdam, Antwerpen, Bremen und Bremerhaven ab, deren Containerumschlag in diesem Zeitraum stagnierte beziehungsweise schrumpfte. Hamburg baute seinen Marktanteil leicht aus.

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Alle Häfen hatten wegen des Ukraine-Kriegs und den Coronalockdowns in China mit den Verwerfungen im Schiffsverkehr sowie Problemen beim Abtransport zu kämpfen. Allerdings waren die Folgen in Hamburg in der ersten Jahreshälfte weniger gravierend als befürchtet. Auch die Warnstreiks der Hafenarbeiter im Juni schlugen kaum zu Buche. Ein Sprecher verwies darauf, dass sich die Containerstaus langsam aufgebaut hätten und ihre volle Auswirkung erst im zweiten Halbjahr zeigen dürften.

Niedrigwasser in Flüssen entlastet Hamburger Hafen

Der Gesamtumschlag in Deutschlands größtem Hafen insgesamt schrumpfte in den ersten sechs Monaten um 2,7 Prozent auf 61,8 Millionen Tonnen. Grund waren vor allem die EU-Sanktionen gegen Russland. So sank der Umschlag von Massengut wie Kohle und Erz um knapp neun Prozent auf 17,6 Millionen Tonnen. Der Rückgang hielt sich in Grenzen, weil die Bezugsquellen verlagert wurden. Kohle etwa wurde den Angaben zufolge verstärkt aus anderen Regionen importiert. Aktuell profitiert der Hafen auch davon, dass Massengüter wegen des Niedrigwassers im Rhein über die Schiene transportiert werden. Die Möglichkeiten zur Verlagerung auf die Eisenbahn seien allerdings begrenzt, sagte MatternBis zum Jahresende rechnet die Marketingorganisation des Hamburger Hafens wegen steigender Energiepreise und dem mauen Konsum eher mit einer Abschwächung des Seegüterumschlags. Sollten sich die Lieferketten und die wirtschaftliche Lage jedoch stabilisieren, sei ein Umschlagsergebnis von rund 130 (Vorjahr 128,7) Millionen Tonnen nicht ausgeschlossen.

Konflikt um Taiwan könnte Situation verschärfen

Eine mögliche militärische Zuspitzung des schwelenden Konflikts zwischen China und Taiwan könnte auch zu Einschnitten im globalen Handel führen. Beeinträchtigt wären vor allem die Schifffahrt bzw. die stark frequentierten Schifffahrtsrouten in der Region, so Sebastian Kummer, Transportwirtschaftsexperte an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) gegenüber der APA. Als "wahrscheinlichstes Szenario" sieht er eine Blockade der wichtigen Taiwanstraße zwischen China und der Insel.

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Durch die Taiwanstraße, auf der seitens China zuletzt Militärmanöver abgehalten wurden, fährt fast die Hälfte aller Containerschiffe weltweit, wie zuletzt eine Analyse der Finanznachrichtenagentur Bloomberg für die ersten sieben Monate des Jahres ergab. Im Ernstfall wären die Containerschiffe dazu gezwungen, das Konfliktgebiet zu umfahren, vermutet Kummer. Inwieweit die Schifffahrt aber eine militärische Auseinandersetzung zu spüren bekommen würde, hänge auch stark von der Reaktion des Westens und der Ausgestaltung verschiedener Szenarien ab.

Er erwarte nämlich nicht, dass China im Kriegsfall von sich aus die Transportrouten am Meer sperrt und den Handel einschränkt. "Ich glaube, dass die Chinesen versuchen werden, die Häfen aufrechtzuerhalten", sagte Kummer. Sollte es aber zu Einschränkungen der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen China und dem Westen kommen, hätte das nach Kummers Einschätzung "riesige Verwerfungen" für die Schifffahrt zur Folge.

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Der Handel mit Europa laufe insbesondere über westlich gelegene Seerouten. Auf der Tracking-Seite "marinetraffic.com" ist vor allem eine starke maritime Aktivität durch das südchinesische Meer zu beobachten, in das eine östliche Umfahrung der Taiwanstraße münden könnte. Zum Ausweichen gezwungen wären etwa Handelsschiffe ausgehend von Shanghai, das nördlich von Taiwan liegt.

Der Gütertransport in Richtung der USA wiederum erfolgt allen voran über den Nordpazifik. Im Fall einer militärischen Involvierung der Vereinigten Staaten wäre diese Route höchstwahrscheinlich unterbrochen. Aber auch ohne eine Konfliktbeteiligung der USA dürfte es Einschränkungen geben, etwa für den Schiffsverkehr über Hongkong südwestlich des Inselstaats. Ziemlich sicher müssten "Sicherheitsbögen" gefahren fahren, so der Experte.

Viel hänge auch davon ab, wie Reedereien und Versicherungen auf eine Eskalation reagieren würden. Fraglich ist für Kummer etwa, ob die Schiffsleute dazu bereit wären, die Gewässer um die Konfliktzone zu befahren. Außerdem sei es nicht unüblich, dass Versicherungen in Katastrophenfällen Sperrzonen einrichten. Das sei auch im Ukraine-Krieg bei der Situation um die Getreideexporte ein großes Thema.

Bald keine Schifffahrt am Rhein mehr möglich?

Der Logistik-Dienstleister Contargo rechnet wegen der anhaltenden Trockenheit damit, seine Binnenschifffahrt am Ober- und Mittelrhein in den nächsten Tagen einstellen zu müssen. Wenn der Pegel bei Kaub ab dem Wochenende wie erwartet unter 40 Zentimeter falle, sei für die Binnenschiffe eine gefahrfreie Passage nicht mehr möglich, teilte das Unternehmen mit. Der Betrieb am Ober- und Mittelrhein solle daher in diesem Fall aus Sicherheitsgründen weitgehend eingestellt werden.

Die Schiffsflotte am Niederrhein solle über eine Landbrücke per Lastwagen Container vom Mittelrhein erhalten - die Transportkapazitäten auf dem Landweg seien allerdings begrenzt. Nach Angaben der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) des Bundes lag die Fahrrinnentiefe bei Kaub am Freitagmorgen bei nur noch 1,54 Metern. Niedriger als in Kaub im Rhein-Lahn-Kreis ist die Fahrrinnentiefe laut WSV an keinem anderen Abschnitt des Mittel- und Niederrheins.

Trotz der anhaltenden Trockenheit können Schiffe nach Einschätzung des Präsidenten der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt dieses Jahr durchgehend auf dem Rhein fahren. Er rechne nicht mit einer Einstellung des Schiffsverkehrs auf dem Fluss, sagte Hans-Heinrich Witte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". "Theoretisch ist das möglich, aber ich halte es nicht für wahrscheinlich."

Allerdings könnten die Schiffe bei niedrigem Wasserstand erheblich weniger Fracht transportieren. "Das bedeutet: Frachtraum auf Schiffen ist knapp", sagte der Behördenchef. Dies erschwere auch den Transport von Kohle und Öl auf dem Rhein. "Da muss dann viel über Straße und Schiene laufen.

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Der besonders kritische Pegel Kaub bei Rheinkilometer 546,3 stand am Freitag der WSV zufolge bei 42 Zentimetern nach 47 am Vortag. Der Pegelstand zeigt allerdings nicht die tatsächliche Wassertiefe an, sondern die Differenz zwischen der Wasseroberfläche und dem sogenannten Pegelnullpunkt. Der wiederum liegt nicht am tiefsten Punkt der Flusssohle.

Binnenschiffer müssen bei ihrer Ladung den Tiefgang des Schiffes beachten und einen gewissen Sicherheitsabstand zum Flussboden beachten. Bei niedrigen Wasserständen können sie weniger Fracht befördern.

Warum die niedrigen Pegelstände Europas Energie-Versorgung bedrohen.

Die Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) hatte kürzlich erklärt, bis zu einem Wasserstand von etwa 30 bis 35 Zentimetern am Pegel Kaub könnten flachgehende Binnenschiffe die Mittelrheinstrecke noch passieren. Prognosen gehen von Pegelständen Richtung 30 Zentimeter aus. Dann komme die Rheinschifffahrt in diesem Bereich "tendenziell zum Erliegen", hieß es.

Containerschiff auf dem Rhein bei Koblenz bei Normalwasser.
Containerschiff auf dem Rhein bei Koblenz bei Normalwasser. - © Adobe
Die Binnenschifffahrt braucht für kommende Trockenperioden einen Krisenresilienzplan und für Niedrigwasser geeignete Schiffe
Bundesverband der Deutschen Industrie

Preise für Schiffsfracht gestiegen

Das Niedrigwasser in zahlreichen europäischenFlüssen, insbesondere auf dem für die Binnenschifffahrt sehr wichtigen Rhein treibt die Preise für Fracht nach Einschätzung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) massiv nach oben. "Schiffsraum ist inzwischen knapp geworden, denn Schiffe können häufig nur noch zu Teilen beladen werden", sagte Ilja Nothnagel, Mitglied der DIHK-Hauptgeschäftsführung, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

"Als Folge sind die Preise für Frachtgut bereits deutlich gestiegen." Nothnagel betonte, mehrere Industrien seien abhängig von der Binnenschifffahrt, vor allem die chemische Industrie, die Stahlindustrie und aktuell besonders die Kohlekraftwerke. "Die niedrigen Pegelstände zeigen die dringende Notwendigkeit, bauliche Maßnahmen zur Ertüchtigung der Fahrrinnen und die Erneuerung der Flotte zügig umzusetzen."

Wenn Binnenschiffer weniger Frachtgut laden dürfen als sie können, werden sie in der Regel nicht wesentlich schlechter bezahlt. "Die geringere Abladung wird kompensiert durch den sogenannten Kleinwasserzuschlag", erklärt Branchenvertreter Spranzi. Dieser Zuschlag werde bei gewissen Pegelständen fällig - "und das kompensiert zu großen Teilen den Verlust", sagt er. "Für die Firmenkunden heißt das: Sie bekommen weniger Ware und die ist teurer."

"Wir dürfen nur noch etwa 50 Prozent der Menge transportieren, die wir transportieren könnten", sagte der Vorstand der Deutschen Transport-Genossenschaft Binnenschifffahrt, Roberto Spranzi, der dpa in Duisburg. Durch die geringere Ladungsmenge sind die Schiffe weniger schwer und nicht so tief im Wasser. Die Kapazitäten sind also reduziert, die Nachfrage ist aber hoch. "Wir sind ausgebucht", so Spranzi. Schweres Frachtgut sind zum Beispiel Chemikalien, Kies und Rohstoffe wie Kohle.

Das Niedrigwasser treibt auch den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) um. "Die deutsche Industrie sieht die Gefahr, dass die niedrigen Pegelstände die Kapazitäten in der bereits hoch ausgelasteten Binnenschifffahrt weiter verknappen", teilte der BDI am Mittwoch mit. Die Lage könne sich rasch zuspitzen, auch wenn die Versorgung der Industrie über die Wasserstraßen noch sichergestellt sei. "Erste Pegelstände im Rhein liegen bereits unter dem Niveau des Extremniedrigwasserjahrs 2018." Damals hatte das Niedrigwasser die Geschäfte von Unternehmen belastet, da Flüsse wie der Rhein als Transportweg nur eingeschränkt nutzbar waren. "Die Binnenschifffahrt braucht für kommende Trockenperioden einen Krisenresilienzplan und für Niedrigwasser geeignete Schiffe", forderte der BDI.

Trübe Stimmung

Die deutschen Binnenschiffer sehen niedrige Pegelstände in Flüssen als ein andauerndes Problem und rechnen mit Konsequenzen für die Frachtschifffahrt. "Die Stimmung ist in unserer Branche ziemlich am Boden", sagte Binnenschifffahrtspräsident Martin Staats der "Rhein-Neckar-Zeitung" in Heidelberg. Die Branche werde sich den neuen Bedingungen anpassen müssen.

Bereits seit längerem gebe es schwierigere Phasen auf manchen Flüssen. Aber auf dem Rhein sei es bisher anders gewesen, sagte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Binnenschifffahrt weiter. "Dort konnten wir lange mit großem Schiffsraum operieren. Da wird sich die Branche in Zukunft wohl umstellen und sich anderen Witterungsbedingungen und Pegelständen anpassen müssen."

"Zugleich sollte das den Bund und die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung veranlassen, möglichst schnell am neuralgischen Punkt Kaub am Rhein die Lage mit einer Vertiefung der Fahrrinne und anderen Ausbauten zu verbessern", forderte der Verbandspräsident. Zudem sollte auch über Niedrigwasserschleusen oder Staustufen nachgedacht werden.

Aus Sicht von Staats wird die Binnenschifffahrt ein systemrelevanter, unverzichtbarer Verkehrsträger bleiben, weil die von ihr transportierten Mengen weder von der Schiene noch von der Straße aufgefangen werden könnten.