Interner Machtkampf : AT&S-Vorstandschef Andreas Gerstenmayer tritt vorzeitig zurück

AT&S CEO Andreas Gerstenmayer

AT&S-CEO Andreas Gerstenmayer tritt überraschend zurück

- © APA/ROLAND SCHLAGER

Andreas Gerstenmayer, der Vorstandsvorsitzende des steirischen Leiterplattenherstellers AT&S, wird zum 30. September vorzeitig aus dem Vorstand ausscheiden. Laut einem Unternehmenssprecher kam diese Entscheidung "völlig überraschend". Genauere Informationen zu den Gründen oder zur Nachfolge wurden auf Anfrage jedoch nicht genannt. Hannes Androsch, dessen Stiftung 18 Prozent der Anteile an AT&S hält, bezeichnete Gerstenmayers Rücktritt als eine "persönliche Entscheidung".

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"Die Presse" hatte bereits Anfang September von einem internen Machtkampf zwischen Gerstenmayer und Androsch berichtet. Androsch soll versucht haben, Gerstenmayer aus seiner Position zu drängen. In den letzten Monaten wurde der Konflikt öffentlich, als es zu mehreren außerordentlichen Aufsichtsratssitzungen kam. Berichten zufolge wollte Androsch die Unternehmensführung stärker beeinflussen und drängte auf einen Führungswechsel.

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- © Industriemagazin

Seit 2010 CEO bei AT&S

Andreas Gerstenmayer, seit 2010 CEO von AT&S, hat das österreichische Unternehmen für Leiterplatten und IC-Substrate maßgeblich geprägt und zu einem globalen Technologieführer entwickelt. Unter seiner Führung hat AT&S bedeutende Expansionsschritte vollzogen, vor allem in Asien, wo neue Produktionsstätten in China, Indien und Malaysia eröffnet wurden. Diese internationale Ausrichtung hat das Unternehmen in Schlüsselbranchen wie Hochleistungsrechner, Automobilindustrie und Medizintechnik gestärkt.

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Gerstenmayer hat dabei nicht nur die geografische Expansion vorangetrieben, sondern auch die technologische Weiterentwicklung von AT&S gefördert. Ein besonderer Fokus liegt auf der Produktion von IC-Substraten, die in den immer leistungsfähigeren Prozessoren und Mikrochips verwendet werden, etwa für Anwendungen in Künstlicher Intelligenz und Hochleistungsrechenzentren. Mit der Eröffnung eines der modernsten Werke für IC-Substrate in Malaysia im Jahr 2024 positioniert sich AT&S in einem wachstumsstarken Markt und verfolgt das Ziel, bis 2026 einen Umsatz von 3,5 Milliarden Euro zu erreichen.

Gerstenmayers strategische Weitsicht hat AT&S zu einem wichtigen Akteur in der globalen Mikroelektronik gemacht. Er setzt auf Innovation und langfristige Investitionen, um das Unternehmen unter den Top drei der Branche zu etablieren. Dabei achtet er stets auf ein Gleichgewicht zwischen nachhaltigem Wachstum und technologischer Innovation, was sich in AT&S' Engagement für 5G, autonomes Fahren und die digitale Transformation widerspiegelt​

Gerstenmayer ATS AT&S
© Helene Waldner

Kein Nachfolger benannt

Bevor Andreas Gerstenmayer 2010 CEO von AT&S wurde, arbeitete er bei Siemens in verschiedenen Führungspositionen. Ab 1997 war er dort Vice President für Produktivität und Qualität im Bereich Bahnsysteme. Im Jahr 2003 wurde er Geschäftsführer von Siemens Transportation Systems in Österreich, wo er maßgeblich für die Fertigungsoptimierung verantwortlich war. 2008 wechselte Gerstenmayer in die Beratung und wurde Partner bei FOCUSON Business Consulting in Graz. Diese Station bereitete ihn darauf vor, die Leitung von AT&S zu übernehmen und das Unternehmen auf internationales Wachstum auszurichten​

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Zum Zeitpunkt seines Rücktritts war noch kein Nachfolger offiziell benannt worden, und AT&S befindet sich auf der Suche nach einer neuen Führungspersönlichkeit​. Bis zu diesem Zeitpunkt wird das Unternehmen interimistisch weitergeführt, wobei es darauf ankommt, den richtigen Nachfolger zu finden, der die internationale Expansion und Technologieführerschaft fortführen kann​. Gerstenmayers Vertrag wäre noch bis 31. Mai 2026 gelaufen.

Stellenabbau in Österreich geplant

AT&S hat in letzter Zeit mit einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld zu kämpfen. Im ersten Quartal des Geschäftsjahres 2024/25 meldete das Unternehmen erhebliche Verluste im Vergleich zum Vorjahr. Der Betriebsgewinn (Ebit) rutschte von einem Plus von 8 Millionen Euro auf ein Minus von 8 Millionen Euro ab, während das Nettoergebnis von einem Verlust von 2 Millionen Euro auf einen noch höheren Verlust von 34 Millionen Euro sank. Auch das EBITDA ging zurück, von 75 auf 65 Millionen Euro, und der Umsatz fiel leicht von 362 auf 349 Millionen Euro. Andreas Gerstenmayer, der CEO von AT&S, erklärte, dass die erwartete Markterholung zwar im Gange sei, aber langsamer voranschreite als prognostiziert. Er rechnete jedoch damit, dass sich die Situation gegen Ende des Geschäftsjahres stabilisieren würde.

Zusätzlich zu den finanziellen Herausforderungen gab das Unternehmen im Mai bekannt, dass es weltweit etwa 1000 Arbeitsplätze abbauen werde, davon 200 bis 250 in Österreich an den Standorten Leoben-Hinterberg und Fehring. Bereits im vorangegangenen Geschäftsjahr hatte AT&S seine Belegschaft um etwa 10 % auf 13.828 Mitarbeiter reduziert, wobei der Großteil der Kürzungen in China erfolgte, während Österreich weniger betroffen war.

AT&S-Werk in Leoben-Hinterberg
AT&S-Werk in Leoben - © AT&S