Künstliche Intelligenz : KI-Forschung: Revolutionäre Ansätze, die weit über ChatGPT hinausgehen

Künstliche Intelligenz als Cloud der Vernetzung

Zu den derzeit relevantesten Forschungsfeldern zählen Machine Learning, Deep Learning und Reinforcement Learning. 

- © kras99

Generative Sprachmodelle haben zweifellos den Zugang zu KI populär gemacht. Gen-KI hat die kommerzielle Barriere durchdrungen, doch die Leistungsfähigkeit dieser Modelle ist weit davon entfernt, wenn es darum geht, KI-Lösungen für die produzierende Industrie nutzbar zu machen. Während LLMs in der Textverarbeitung oder im Kundenservice punkten, stehen in der Produktion, Logistik oder im Anlagenmanagement andere Anforderungen im Vordergrund. Da geht es vielmehr um Präzision, Robustheit und die Fähigkeit, reale Prozesse zu modellieren und zu optimieren. Besonders für die Industrie eröffnet das enorme Chancen. 

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Hier stehen eher Modelle im Vordergrund, die auf spezifische Aufgaben wie Qualitätskontrolle, prädiktive Wartung oder Prozessoptimierung zugeschnitten sind. Die KI-Forschung widmet sich daher nicht nur der Weiterentwicklung von LLMs, sondern auch der Erforschung und Implementierung von KI-Systemen, die den Anforderungen der Industrie gerecht werden und messbaren Mehrwert schaffen können. Der aktuelle Stand der KI-Forschung zeigt somit ein breites Spektrum an Entwicklungen, die weit über den medial präsenten Fokus auf LLMs hinausgehen. Diese Entwicklung markiert den Übergang von KI als Werkzeug der Informationsverarbeitung hin zur KI als aktives Steuerungs- und Entscheidungstool. 

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Smarte Modelle für smarte Fabriken

Zu den derzeit relevantesten Forschungsfeldern zählen Machine Learning, Deep Learning und Reinforcement Learning. Das sind Forschungsansätze, mit denen Maschinen aus Daten und Erfahrungen lernen, um eigenständig Handlungsstrategien zu entwickeln. In der industriellen Praxis ermöglicht es den Systemen, die aus Sensordaten Muster ableiten, Anomalien erkennen oder Produktionsparameter dynamisch anpassen zu können. In der Fertigungsindustrie entfaltet KI ihr Potenzial vor allem dann, wenn es konkrete Probleme löst und Prozesse messbar verbessert. Hier kommen spezialisierte Forschungsansätze wie Agentic AI oder Causal AI ins Spiel. Noch befinden sich beide Technologien in einem frühen Stadium, doch erste konkrete Anwendungsfälle zeigen, wie hilfreich sie sein können.

Agentic AI

Agentic AI zielt darauf ab, autonome Software-Agenten zu entwickeln, die selbstständig Ziele verfolgen und Entscheidungen treffen können. Die Anwendungsbereiche sind vielfältig und unterschiedlich. So können die Agenten einzeln oder in Multi-Agenten-Systemen eingesetzt werden. Sie können in simulierten Webumgebungen zum Einsatz kommen, wie etwa bei E-Commerce oder Medienportalen, um das Verhalten von Nutzern zu analysieren. Sie können aber auch direkt in bestehende Tools, Softwares und Arbeitsabläufe integriert werden, um die Lagerbestände, Finanzprognosen oder wichtige Wartungssignale zu überprüfen und aktualisieren - wie das bei produzierenden Unternehmen dringend notwendig ist. Dadurch würden autonome Prozesse entstehen, die Produktionen automatisch regulieren und optimieren können. Die Herausforderungen in der Fertigungsindustrie könnten so bewältigt werden. Für Unternehmen bietet dieser technologische Ansatz entscheidende Vorteile in Bezug auf ihre Wirtschaftlichkeit, Anpassungsfähigkeit und Innovationskraft. 

Causal AI

Causal AI, der zweite aus Industriesicht besonders zukunftsträchtige Zweig der künstlichen Intelligenz, ist weiter entwickelt und geht noch einen Schritt weiter und sucht nicht nur nach Mustern, sondern auch nach Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen. In der Qualitätskontrolle kann sie beispielsweise erkennen, welche spezifischen Parameter tatsächlich für auftretende Fehler verantwortlich sind. So wird aus reaktiver Analyse proaktives Handeln. KI-Systeme, die nicht nur sagen können, was passiert, sondern auch warum. Statt nur die Korrelation zu erkennen, dass zwei Faktoren häufig gemeinsam auftreten, kann eine solche KI durch kausales Denken zeigen, welche Parameter tatsächlich zu Fehlern führen. Dadurch lassen sich Maschineneinstellungen so anpassen, dass Qualität und Durchsatz steigen. Besonders wirksam ist der Ansatz dort, wo Produktionsschritte gut dokumentiert sind und ausreichend Sensordaten vorliegen.

Industrie 6.0

Der breite Einsatz von Agentic AI in der Produktion gilt heute noch weitgehend als ein Zukunftsszenario – etwa autonome Produktionsroboter, die selbständig den besten Weg finden, um ein bestimmtes Produkt am effizientesten zu produzieren. Doch der Einsatz von solchen Tools wird inzwischen bereits so breit diskutiert, dass manche Forscher in diesem Zusammenhang gar von der nächsten industriellen Revolution sprechen, einer Industrie 6.0, die in ihrem Kern auf Agentic AI beruht. Die Anwendung dieser spezialisierten KI-Systeme markiert den Schritt zu einer intelligenten, datengetriebenen Fertigung.

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Agentic AI und Causal AI bilden dafür die Grundlage. Sie schaffen Systeme, die in der Lage sind, komplexe Fertigungsnetzwerke zu steuern, Engpässe vorherzusehen, alternative Abläufe vorzuschlagen und Entscheidungen auf Basis von Kausalbeziehungen zu treffen. Damit wird KI zu einem integralen Bestandteil der industriellen Wertschöpfung, nicht nur als Werkzeug, sondern auch als aktiver Partner in Planung, Steuerung und Optimierung.

Wenig Meter für LLMs

Für die Zukunft der KI in der Produktionswelt bieten solche spezifischen Modelle eine viel größere Palette an möglichen Einsätzen als LLMs, die letztlich nichts anderes tun, als mit Wahrscheinlichkeiten zu jonglieren, urteilt Jürgen Schmidt, CEO bei STRG.

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Wie schwach allgemeine LLMs sind, wenn es darum geht, spezifische komplexe Aufgaben zu lösen, verdeutlicht er mit einem sehr überzeugenden Beispiel: Ein Schachcomputer von 1956, der die Regeln des Spiels kennt, wird ein heutiges LLM-Modell im Schach vernichtend schlagen. Denn das LLM-Modell hat kein explizites Modell-Wissen darüber, wie Schach funktioniert. Es berechnet seine Züge stur nach Wahrscheinlichkeiten. 

Sowohl für strategisch gutes Schachspiel als auch für den Einsatz in der Produktionswelt ist das zu wenig. „Die KI-Zukunft liegt in smarten, spezialisierten Anwendungen, die Kausalitäten erkennen und erklären können, nicht in LLMs, die mehr oder weniger gelungen sind, die reale Welt auf Basis von Wahrscheinlichkeiten imitieren und rekonstruieren zu versuchen“, ist Schmidt überzeugt.

Der Mehrwert zählt

Für industrielle Entscheidungsträger geht es bei KI längst nicht mehr um Pilotprojekte oder Innovationsimage, sondern um Wettbewerbsfähigkeit und Effizienz. Predictive Maintenance, adaptive Produktsteuerung, Risikominimierung, Qualitätsprognosen, und Autonome Agentensysteme sind nur einige Lösungen, die durch kontextbewusste, erklärbare und kausal interpretierbare KI-Modelle ermöglicht wurden. Das ist ein entscheidender Unterschied zu den probabilistischen Sprachmodellen, die zwar kommunizieren aber kein echter Daten-Verständnis dahinter steht. Denn der Mehrwert von LLMs ist in den allermeisten Unternehmenskontexten sehr beschränkt. Wenn, nur um ein Beispiel zu nennen, ein Unternehmen seinen Mitarbeitern LLM-Modelle zur Verfügung stellt, die ihnen einen Teil von Schreibaufgaben abnehmen, dann geht der dadurch erzeugte Produktivitätsgewinn oft schon bei der nächsten verlängerten Kaffeepause verloren. Oder wenn ein großer, milliardenschwerer Konzern, der ab und zu Bilder braucht, diese nicht mehr von Fotografen, sondern von KI erstellen lässt, spart er damit vielleicht einen niedrigen fünfstelligen Euro-Betrag. Ganz nett zwar, aber alles andere als spielentscheidend.

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