Maschinenbau : DMG Mori: Szenen einer Ehe

Maschine mit Mitarbeiter DMG Mori
© DMG Mori

Das nennt man Auskunftsfreude. Anfang Februar lud der deutsche Maschinenbauer DMG zur Hausausstellung im tiefverschneiten bayrischen Pfronten. Dabei agierten DMG-Vorstand Rüdiger Kapitza und Mori-Seiki-Boss Masahiko Mori routiniert wie eh und je: Geschickt steckten sie der hungrigen Pressemeute Informationen zu: Geschäftsentwicklung, neue Maschinenmodelle, Zukunftspläne der 2009 fusionierten Unternehmen – da war für jeden Gusto etwas dabei.

Zur selben Zeit lösten sich aber auch im Montagewerk der Deutschen, nur einen Steinwurf von den Chefrednern entfernt, die Zungen. Sinn oder Unsinn von Leiharbeit, des Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses, aber auch der Führungsstil der immer enger zusammenwachsenden Unternehmen wurden überraschend offen thematisiert.

Detto die Situation bei der ersten im DMG-Werk zusammengebauten Mori-Maschine NHX4000: Zehn Maschinen pro Monat seien „nur das Kapazitätsminimum“, hieß es da. Noch gebe es beim Montieren der Japan-Maschine jedoch „Kinderkrankheiten“. Extraklasse Mit dem Zusammenrücken der beiden Maschinenbauriesen war die Branche geschockt: Mit dem Gildemeister-Marketing im Rücken könnten die Japaner „einiges bewegen“, sprach ein Mitbewerber seine Befürchtung offen aus. Für die Joint-Venture-Partner zeichnete sich dagegen eine Zeitenwende ab: Synergien auf Entwicklungs-, Vertriebs- und Serviceseite rückten in greifbare Nähe.

17 Ländergesellschaften – zuständig für 37 europäische Märkte – sind nun in der DMG / Mori Seiki Europe gebündelt. Die Kooperation in Deutschland und Europa lief Anfang September mit mehr als 1.300 Mitarbeitern an. Auch die Integration der deutschen Vertriebs- und Servicefunktionen von Mori Seiki in die neue DMG / Mori Seiki Deutschland ist bereits unter Dach und Fach. Auch in Österreich kam es zu Umwälzungen. Die gemeinsame Holding – die Deutschen halten 60 Prozent der Anteile – erwarb von Mori Seiki alle Vertriebstätigkeiten in Österreich – alle Anteile an der DMG Austria GmbH wurden eingebracht.

„Unsere Kooperation läuft ausgezeichnet“, meinte Mori-Seiki-Chef Masahiko Mori bei der Hausausstellung Anfang Februar. Man verkaufe schon 600 DMG-Maschinen pro Jahr. Und die Branchenkrise der Jahre 2009 und 2010 sei „fast vergessen“, setzte DMG-Chef Rüdiger Kapitza die rosarote Brille auf. Deshalb will Mori nun speziell in Europa nachlegen: Hier sollen die Verkaufszahlen verdoppelt werden. Mitanteil soll auch die NHX4000 haben. Das Horizontalzentrum – Durchlaufzeit: vier Wochen – wird komplett in Pfronten zusammengebaut.

Pfronten-Werkschef Christian Tönes streute der Maschine Rosen: „Mit ihrem gestuften Fahrständer ist sie ein Zentrum der Extraklasse.“ Der Preis (rund 200.000 Euro) garantiere „Wachstum in diesem Segment“. Für den europäischen Markt wird die Maschine wahlweise mit Mitsubishi-Steuerung (Mapps IV) oder Siemens-Steuerung (840 D solutionline) zusammengeschraubt. Ein DMG-Elektriker in Pfronten kommentiert das trocken: Vorrangiges Ziel sei es, „unsere Standards in die Maschine zu kriegen“.

Trotzdem musste man sich in Pfronten zuletzt mehr auf fernöstliche Philosophien einlassen – und hadert damit. „Japanische Maschinen ticken anders“, erzählt ein Elektriker an der NHX4000-Linie. In deutschen Maschinen habe man es mit motorbetriebenen Palettenwechslern zu tun. Bei der Mori-Maschine verrichtet ein hydraulischer Wechsler sein Werk. Da müsse man erst „umlernen“, meint der Mann. Tisch und Spindel seien ebenfalls Teile der Japaner. Den vormontierten Gussaufbau liefert ein Tiroler Betrieb. Inoffiziell heißt es bei DMG, man wolle pro Jahr 300 Maschinen des Typs verkaufen.

Der Produktionsstart war durchwachsen: Mehrmals wurden aus Fernost falsche Leitungen oder Schaltschränke geliefert. Und die Arbeit der Monteure wurde zusätzlich erschwert: Inbetriebnahmeprotokolle wurden zwar geliefert – „aber in japanischer Sprache“, erzählt ein Mitarbeiter augenrollend. Auch Schaltplanänderungen seien mehrmals nötig gewesen, erzählt ein anderer. Er mutmaßt, dass es „noch Wochen“ dauern werde, bis sich alles „eingespielt“ hätte“. Flickenteppich In Österreich hat man freilich andere Sorgen. Da arbeitet sich der ehemalige Mori-Exklusivvertrieb in Stockerau gerade ins gar nicht so kleine DMG-Portfolio ein.

Von Stockerau aus macht der frühere CNC-Profi-Chef Hermann Hulak nun auch fürs deutsche Produkt Stimmung. Frühere Bedenken Hulaks, ob die „von uns gebotene Qualität unter der neuen Konstellation nicht leiden wird“, wischt er weg: Das Organisatorische sei „einfacher geworden“, heißt es in Stockerau. Und das engmaschigere Vertriebs- und Servicenetz wird gelobt. „Wir stellen uns mit 52 hochmotivierten Mitarbeitern der neuen Herausforderung und garantieren neben unserer Top-Maschinenqualität eine hundertprozentige Betreuung im Vertrieb und Service“, sagte kürzlich DMG/Mori-Seiki-Austria-Chef Gebhard Aberer.

Hundertprozentig glücklich war die Industrie über den Service zuletzt aber nicht. Ein Produktionsprofi eines Salzburger Betriebs klemmte sich hinters Telefon und recherchierte anlässlich einer Maschinen-Ersatzinvestition. Sein Ergebnis: Fast jeder Zweite, den er angerufen habe, sei „mit dem DMG-Service unzufrieden“. Deshalb kaufte er die Maschine lieber bei einem teureren Mitbewerber. Und im oberösterreichischen Bezirk Kirchdorf habe der Hersteller „viele Maschinen verloren“, heißt es aus der Region. Der Grund: Der Kundendienst. Vielleicht prüft Gebhard Aberer deshalb gerade die Eröffnung eines Servicebüros in Kirchdorf.