Maschinenbau : Reinhard Metzler: "Die Branche kämpft ums nackte Überleben"
INDUSTRIEMAGAZIN: Die Industrie hat im Zuge der Wirtschaftskrise dramatische Nachfrageeinbrüche verkraften müssen. Wie haben Sie als Werkzeug- und Maschinenhändler die vergangenen zwei Jahre erlebt? Metzler: Viele unserer Kunden (Industrie und KMUs) waren bereits ab Mitte 2008 mit Auftragsrückgängen von zum Teil 50 Prozent konfrontiert. Trotz der schwierigen Situation haben sie aufgrund der guten Geschäftsentwicklungen der vorangegangen Jahre und den durchaus positiven Perspektiven in die Zukunft, noch gut bestellt. Unsere Auftragsbücher waren voll, und wir konnten das Jahr mit den besten Umsatz- und Ergebnissteigerungen seit der Gründung beenden. 2009 haben unsere Kunden die Krise dann voll gespürt. Unser Umsatz brach in der Folge um 25 Prozent ein. Besonders schlimm für uns waren das zweite und dritte Quartal. Gegen Ende des Jahres hat sich die Situation dann wieder etwas stabilisiert. Haben Sie in der Krise viele Kunden verloren?Nein, wir haben aktuell 2.500 Kunden in Österreich, Südtirol und Liechtenstein, die in den letzten zwölf Monaten bei uns bestellt haben. Die Anzahl ist stabil geblieben. Was sich geändert hat, das sind die Auftragsvolumen. Die haben sich deutlich reduziert. Das liegt zum einen daran, dass die großen Industrieunternehmen aber auch die KMUs bei der Beschaffung voll in die Bremsen gegangen sind und zum Teil Investitionsstopps verhängt haben. Stornierungen hat es keine gegeben. Mit dem Anziehen der Konjunktur müssten aber auch bei Ihnen wieder mehr Bestellungen eingehen?Ja, aber auf niedrigem Niveau, denn der Handel profitiert erst immer mit einigen Monaten Verzögerung von der wirtschaftlichen Erholung. Während es bei der Industrie vielerorts wieder bergauf geht, bewegen wir uns noch in der Talsohle. Es wird voraussichtlich noch ein halbes bis zu einem Jahr dauern, bis unsere Kunden wieder in relevante Bestellvolumen gehen und wir nachhaltig davon profitieren können. Entsprechend ausgeprägt sind die Preiskämpfe, die derzeit am Markt toben. Wir haben heute einen Einkäufermarkt. Unsere Kunden sind am längeren Hebel und drücken die Preise. Die Hersteller von Werkzeugen und Werkzeugmaschinen leiden nach wie vor unter einer sehr schlechten Auftragslage und halten daher den Fachhandel dazu an, mit Rabatten in den Markt zu gehen. Lesen Sie auf Seite 2, wieviel Prozent sich derzeit vom Listenpreis "wegverhandeln" lässt.
Wie viel Prozent lassen sich beim Kauf einer Werkzeugmaschine verhandeln? Bei Werkzeugmaschinen, die zum Teil mehrere Hundertausende Euro kosten, bekommt man am Markt derzeit überdurchscnittlich hohe Nachlässe. Da werden unter dem Deckmantel einer Sonderaktion bis zu 30 Prozent auf den Ursprungspreis gegeben. Vor der Krise waren fünf bis acht Prozent üblich. Können Sie da mithalten? Nein, wir können maximal Preisnachlässe im niedrigen zweistelligen Prozentbereich geben. Mehr ist wirtschaftlich nicht vertretbar. Das führt allerdings dazu, dass wir auf Aufträge verzichten müssen. Erwarten Sie, dass sich die Branche im Zuge der Wirtschaftskrise konsolidieren wird?Viele Hersteller und Händler kämpfen derzeit ums nackte Überleben. Die Banken agieren mit Kreditvergaben sehr restriktiv und das zwingt viele, ihre Lagerbestände in Liquidität umzusetzen. Das gelingt oftmals nur, wenn unter dem Einstandspreis verkauft wird. Von den zum Teil enormen Preisnachlässen profitieren die Kunden allerdings nur kurzfristig. Mittel- bis langfristig gehen ihnen die Lieferanten verloren. In der Metall bearbeitenden und verarbeitenden Industrie und bei den KMUs hat die Marktbereinigung schon begonnen. Der Handel wird erst zeitverzögert von Insolvenzen und Übernahmen betroffen sein.Werden Sie die Chancen, die sich am Markt ergeben, nutzen können?Unser Ziel ist es, organisch zu wachsen. Dafür haben wir unsere Strukturen im vergangenen Jahr an die veränderte Marktsituation angepasst. Neben einer Reduktion der Sachkosten mussten wir uns von rund zwanzig Prozent unserer Mitarbeiter trennen. 2009 endete für uns mit einem überschaubaren Verlust. Es war der erste in der zwanzigjährigen Unternehmensgeschichte. Mit dem 1. Quartal 2010 sind wir wieder in die Gewinnzone zurückgekehrt. In diesem Jahr konnten wir bereits wieder zwei neue Mitarbeiter einstellen. Ebenso investieren wir in den Bereich Aus- und Weiterbildung. Was genau planen Sie?Wir verstehen uns längst nicht mehr als reines Handelsunternehmen, sondern unsere Strategie ist es, als kompetenter Partner für Werkzeuge und Fertigungslösungen unseren Kunden den Mehrwert zu bringen, wie sie die bei uns erworbenen Produkte richtig einsetzen können. Wir werden daher im Herbst ein Schulungszentrum in Feldkirch eröffnen, wo wir die Facharbeiter unserer Kunden in der Fertigung qualifizieren können. Später wollen wir das Angebot dann auch in Oberösterreich und bei den Unternehmen vor Ort anbieten. Das zweite Thema, wo wir uns stärker engagieren wollen, ist die elektronische Beschaffung. Wir unterscheiden in zwei Produktarten: technologisch anspruchsvolle Werkzeuge und Maschinen, wo der reine Handel nicht funktioniert. Hier übernehmen wir bereits eine starke Beratungsfunktion– über persönliche Betreuung und über Aus- und Weiterbildung. Die zweite Art von Werkzeugen, die wir vertreiben, sind technologisch weniger anspruchsvolle Produkte. Da die Kunden hierfür keine intensive Beratung benötigen, werden wir bei unseren Kunden die Beschaffung über elektronische Plattformen forcieren. Ich bin davon überzeugt, dass wir große Chancen am Markt haben, wenn wir uns weiter über neue Leistungen vom Mitbewerb differenzieren. Sie bieten Werkzeuge und Werkzeugmaschinen von europäischen Qualitätsherstellern an. Wie stark leiden Sie unter der asiatischen Billigkonkurrenz?Unsere Kunden werden sich in Zukunft noch stärker differenzieren. Es wird eine Gruppe geben, die selbst unter einem enormen Preisdruck leidet und daher auf Billigprodukte zurückgreifen muss, egal ob diese aus China oder anderen Billiglohnländern kommen. Dieser Markt wird somit an Bedeutung gewinnen. Darüber hinaus gibt es sehr große Chancen, mit Qualitätsprodukten zu wachsen. Auf dieses Geschäftsmodell setzen wir. Wir werden keine Billigprodukte, meist verbunden mit niedriger Qualität, zu unseren Qualitätsprodukten hinzunehmen, weil die Erfahrung gezeigt hat, dass es nicht zielführend ist, beide Schienen anzubieten. Das führt bei den Mitarbeitern aber auch bei den Kunden zu Argumentationsproblemen. Sie haben das Unternehmen vor zwanzig Jahren gegründet, arbeiten dort heute als angestellter Chef. Wie kommt es zu dieser ungewöhnlichen Situation?Ja, ich bin heute der Geschäftsführer des Unternehmen, das meinen Namen trägt. Um das zu verstehen, muss man einige Jahre zurückblicken. 1990 bot mir der Schweizer Werkzeugmaschinenhersteller Mikron an, für ihn den Vertrieb in Österreich zu übernehmen. Ich ergriff die Gelegenheit und machte mich selbständig. Bereits nach einigen Jahren hatte ich bereits zwanzig Mitarbeiter und setzte 70 Millionen Schilling um. Das war kurz vor dem Beitritt Österreichs zur EU. Damals habe ich mir den Kopf darüber zerbrochen, ob ich als kleiner österreichischer Händler ins Ausland expandieren soll. Ich habe mich schließlich dagegen entschieden, die Expansionsthematik ad acta gelegt. 1995 bot sich dann die Gelegenheit von Hahn+Kolb – damals der weltgrößte Maschinen- und Werkzeughändler – ein Teil seines sehr interessanten Werkzeugprogrammes zu übernehmen, da sich Hahn+Kolb aus dem österreichischen Markt zurückgezogen hat.Ich übernahm acht seiner Mitarbeiter – und innerhalb von zwei Jahren verdoppelte sich mein Umsatz. 1997 kontaktierte mich Hahn + Kolb aus Deutschland und erklärt mir, man wolle sich wieder global aufstellen. Dieses Mal allerdings nicht aus eigener Kraft, sondern über strategische Partner. Ich verkaufte dem Unternehmen darauf hin zunächst 49 Prozent meiner Anteile, vier Jahre später dann die restlichen 51 Prozent. Was hat den Ausschlag gegeben, dass Sie Ihr Unternehmen schließlich verkauft haben?Die Beweggründe des Verkaufes lagen darin, durch diese strategische Verbindung mit einem international aufgestellten Unternehmen, unser nicht alltägliches Wachstum weiter auszubauen und somit auch in Zukunft ein starker und zuverlässiger Partner für unsere österreichischen Kunden zu sein. Dadurch konnten wir auch österreichweit viele neue Arbeitsplätze schaffen.Wir danken Ihnen für das Gespräch! Vanessa Voss