Gemeindereform : Operation geglückt, Patient tobt
Dass der steirische Landeshauptmann Franz Voves und sein Vize Hermann Schützenhöfer zu hohen Feiertagen gerne gemeinsam die eine und dann auch die andere Flasche Wein leeren, ist durch ihre eigenen Aussagen wasserdicht belegt. Am 14. Oktober wird wohl wieder ein solcher Tag gewesen sein. Da wies nämlich der Verfassungsgerichtshof die ersten Beschwerden von steirischen Gemeinden zurück, die von Voves und Schützenhöfer im Rahmen der steirischen Gemeindestrukturreform zwangsfusioniert wurden.
„Eine einzelne Gemeinde hat kein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf ungestörte Existenz“, urteilten die Höchstrichter. Genau das haben Voves und Schützenhöfer schon seit Monaten gesagt. Ihrem Prestigeprojekt, die Zahl der steirischen Gemeinden von 542 auf 288 zu senken, sind die „Reformpartner“, wie sich Voves und Schützenhöfer seit ihrem Schulterschluss nach der Landtagswahl 2010 nennen, damit ein wichtiges Stück näher gekommen. Mit einer Mischung aus Überzeugungsarbeit, Geldprämien und Druck haben sie es geschafft, rund achtzig Prozent der Fusionsgemeinden zu mehr oder minder freiwilligen Zusammenschlüssen zu bewegen.
Ein harter Kern von 41 Gemeinden blieb allerdings über und bekämpfte die angedrohten Zusammenlegungen bis zum Verfassungsgerichtshof. In all diesen Gemeinden hat sich bei Befragungen auch eine klare Mehrheit der Einwohner für die Eigenständigkeit ausgesprochen. Dass der Verfassungsgerichtshof die ersten sechzehn Beschwerden trotzdem abgelehnt hat, lässt die Erfolgschancen der Fusionsgegner deutlich sinken.
Ans Aufgeben denken die betroffenen Gemeinden dennoch nicht. Die nächste Hoffnung der steirischen Gemeindeinitiative, die unter der Führung des Bürgermeisters von Markt Hartmannsdorf Otmar Hiebaum die Unzufriedenen versammelt: der Nationalrat. Die Abgeordneten sollen ein Gesetz verabschieden, das eine „Bestandsgarantie für Gemeinden und Städte“ vorsieht. Und wenn nötig, deutet Bürgermeister Hiebaum an, werde man auch vor den Europäischen Gerichtshof gehen, denn die Zwangsfusionen verstoßen möglicherweise gegen die europäische Charta der lokalen Selbstverwaltung.
Schwere Geschütze
Doch trotz dieser schweren verbalen Geschütze zweifelt inzwischen kaum jemand daran, dass Voves und Schützenhöfer die Gemeindereform wie geplant mit Stichtag 1. Jänner 2015 durchgesetzt haben werden. Statt wie vor der Reform 1.754 wird die durchschnittliche steirische Gemeinde nun 3.293 Einwohner haben. Damit, so die Hoffnung, sollen Doppelgleisigkeiten bei Verwaltungskosten, den berühmtberüchtigten Schwimmbädern und Feuerwehrhallen, aber auch Schulen und Kindergärten vermieden werden.
Bis 2016 sind in der Steiermark allerdings noch keine Schließungen von Schulen als Folge der Reform geplant, danach möglicherweise schon. Vor allem die ÖVP denkt in der Person der Landtagsabgeordneten und Vizebürgermeisterin von Leoben, Eva Maria Lipp, bereits darüber nach: „Da kann ich dann als Großgemeinde eine Ganztagsbetreuung anbieten. Ich kann auch den Kindergarten besser nutzen. Es kann einmal der offen haben, einmal der.“
Der springende Punkt ist allerdings, dass die Gemeindestrukturform allenfalls nur ein Mosaiksteinchen in einer österreichweiten Strukturreform sein kann, die derzeit kaum sichtbar ist. Nicht zufällig merkte der Chef der steirischen Industriellenvereinigung, Jochen Pildner-Steinburg, schon vor über einem Jahr an: „Eine Gemeindereform ist kein Selbstzweck. Sie muss dem notwendigen Umbau unserer Strukturen in Richtung eines modernen, leistungsfähigen Dienst- leistungsstaates dienen.“
Selbstzweck oder nicht: Für Franz Voves und Hermann Schützenhöfer ist die Reform auf jeden Fall auch ein Symbol dafür, dass ihre Reformpartnerschaft, die sie in Abgrenzung zum „Stillstand in Wien“ vor rund vier Jahren aus der Taufe hoben, messbare Ergebnisse gebracht hat. Ob sie allerdings zu dem Erfolg wird, für den die beiden sie halten, ist noch nicht zu Ende diskutiert.
Immer wieder melden sich jedenfalls Kritiker zu Wort, die das anzweifeln. Und es sind nicht nur jene, die gewissermaßen schon aufgrund ihrer Position der Reform distanziert gegenüberstehen, wie der Präsident des Österreichischen Gemeindebundes, Helmut Mödlhammer, der nicht müde wird zu betonen, das österreichische Kommunalsystem sei eine Erfolgsgeschichte, die unnötigerweise immer wieder in Frage gestellt wird.
Durchwachsene Bilanz
Auch viele Fachleute sehen die Fusionen, wenn schon nicht kritisch, so doch zurückhaltend: „Wirklich fundierte wissenschaftliche Studien über die Langzeitauswirkungen von Fusionen gibt es leider nicht“, sagt etwa Peter Bußjäger vom Institut für Föderalismusforschung. Und unlängst bekamen die Fusionskritiker Schützenhilfe ausgerechnet von einem Mann, der laut der Neuen Zürcher Zeitung als einer der zwei einflussreichsten Ökonomen der Schweiz gilt.
„Erfahrungen in der Schweiz haben gezeigt, dass durch Fusionen kaum nennenswerte Einsparungen generiert werden konnten. Es gibt halt kaum Größenvorteile. Gespart werden kann bei der Anzahl zumeist schlecht bezahlter Gemeindepolitiker, dafür braucht es dann eher mehr gutbezahlte Beamte“, zog Reiner Eichenberger im Standard eine eher ernüchternde Bilanz.
Ob die Gemeindereform politisch ein Erfolg wird, ist noch schwieriger zu beantworten. Tatsache ist, dass Voves und Schützenhöfer bei den Gemeindezusammenlegungen auf die Befindlichkeiten der lokalen Politik und auch der Einwohner eher wenig Rücksicht genommen haben. Wer für Fusionen war, wurde freudig begrüßt, wer nicht, musste dennoch mit. Man hat den beiden ihr Verhalten je nach Standpunkt entweder als nötige Stärke oder auch als Demokratiedefizit ausgelegt. Was auch immer näher an der Wirklichkeit ist: Für das Wahljahr 2015, in dem Gemeinderatswahlen und Landtagswahlen anstehen, kann es zum Bumerang werden.
Schon bei den letzten Nationalratswahlen wollten kleine SPÖ-Funktionäre und auch jene der ÖVP nicht mehr so richtig für ihre Chefs rennen. Zusammen mit vielen reformfrustrierten Bürgern führte das zu dem bekannt katastrophalen Abschneiden von Rot-Schwarz in der Steiermark – die FPÖ wurde stärkste Partei. 2015 droht ein ähnliches Desaster. Nicht umsonst betont der Chef der Fusionsgegner, Otmar Hiebaum: „Das letzte Wort über die Gemeindefusionen werden die Wähler bei der Gemeinderats- und Landtagswahl sprechen.“
Beobachter mit etwas mehr Abstand wie der Politologe Peter Hajek sind sich allerdings nicht sicher, ob die Rachegelüste der Zusammenlegungsgegner von den Wählern tatsächlich erfüllt werden: „Landtagswahlen sind keine Nationalratswahlen, der Trend von 2013 muss sich da nicht unbedingt fortsetzen“, sagt Hajek.