Logistik : Kreative Ordnung

52 Meter lang, sieben Meter breit, 28 Etagen hoch. Das Logistikzentrum beherrscht die Produktionshalle nicht nur physisch – es steuert die gesamte Produktion. Angesichts seiner zentralen Bedeu- tung für das Unternehmen reagiert Geschäftsführer Johannes Artmayr auf die Bezeichnung „Hochregallager“ etwas empfindlich. Das Logistikzentrum ist Hirn und Herz der Produktion von Strasser Steine. Und es ist einer der Gründe, warum die Firma noch existiert.
Das oberösterreichische Unternehmen war bereits am Ende. Falsches Produktportfolio, immer weniger Chance, beim Preisdumping im Objektgeschäft mitzuhalten. Johannes Artmayr, vor einem Jahrzehnt Bereichsleiter bei Miele, verspürte damals das dringende Bedürfnis nach einem Neubeginn mit eigener Firma. Gemeinsam mit Partnern kaufte er die insolvente Strasser Steinbau in St. Martin im Mühlkreis und machte von Anfang an klar, dass nun alles anders werden würde. Das betraf einerseits die Produkte – in den Mittelpunkt rückten sukzessive hochwertige Küchenarbeitsplatten aus Naturstein. Vor allem aber betraf es die Produktion. In einer handwerklich geprägten Branche setzte Artmayr auf weitgehende Automatisierung: „Wir sind nicht organisch gewachsen, sondern haben das neue Werk auf die grüne Wiese gestellt. Das bedeutet, dass wir, ausgehend von den logistischen und den Produktions-Abläufen, alles neu konzipieren konnten.“
Kein Vorbild
Für das, was er vorhatte, gab es in der Branche kein Vorbild. Und Artmayr ist ursprünglich weder Techniker noch Logistiker, er kommt aus dem Vertrieb. Doch er holte sich Hilfe. Eineinhalb Jahre lang arbeitete er mit einem niederländischen Produktionsfachmann am neuen Konzept, unterstützt von Computersimulationen. 2012 war das Natursteinwerk fertig, es hatte den Großteil der Gesamtinvestitionen von 8,5 Millionen Euro in den neuen Standort gekostet. Die Küchenarbeitsplatten, die hier entstehen, machen heute rund 14,5 der 21,5 Millionen Euro Jahresumsatz aus.
Die Prozessautomatisierung beginnt bereits vor der Produktion: im Rohplattenlager. Nach dem Entladen der Lkw werden die Platten einzeln vermessen, auf Materialfehler untersucht und fotografiert. Aus den gewonnenen Daten ergibt sich für jede Platte der optimale spätere Schnittverlauf – nach optischen Kriterien und unter dem Aspekt der Materialersparnis. Am anderen Ende des Lagers, an der Schleuse in die Produktionshalle, markieren Laserpointer auf den Platten den zuvor ermittelten Schnittverlauf. Jeder spätere Plattenteil erhält einen Barcode- Tag, den er bis zur Endfertigung behält.
Transport- und Prozesspuffer
Im Zentrum der Produktionshalle steht das riesige Regalsystem, um das die Bearbeitungsmaschinen gruppiert sind. Die mehrere Quadratmeter großen Steinplatten gelangen nach der Schleuse in die automatische Sägeanlage. Die hier entstehenden Werkteile wandern direkt in die Logistikeinheit; bis zu 2.100 Arbeitsplatten-Teile können hier gleichzeitig zwischengelagert werden. Das 28-stöckige System steuert alle weiteren Vorgänge und versorgt die Maschinen mit Material: fünf Bearbeitungszentren, zwei Kantenschleifmaschinen, die Wasserstrahlanlage. Was bearbeitet wurde, geht zurück ins das Regalsystem und wird bis zum nächsten Schritt zwischengelagert oder für die Endfertigung ausgelagert. „Unser Logistikzentrum dient uns als Transport- und als Prozesspuffer“, sagt Johannes Artmayr. Und es gibt Luft nach oben. Das System ist für bis zu 500 Kommissionen pro Woche ausgelegt, „und 320 haben wir schon erreicht. Ich schätze, dass wir mit der bestehenden Struktur noch um 50 bis 60 Prozent wachsen können.“
Ganz ohne Handarbeit geht es auch heute nicht bei Strasser Steine, doch sie ist auf wenige Prozessschritte wie etwa am Handschleifplatz zurückgedrängt.
Zweischichtbetrieb
Das komplette Umkrempeln der Produktionsweise in einer konservativen, von manueller Arbeit geprägten Branche stieß durchaus auf Widerstand, erzählt Johannes Artmayr. „Natürlich gab es Mitarbeiter, die sehr skeptisch waren. Mir war klar, dass man sie nur durch Erfolg überzeugen kann.“
Das gelang in verschiedener Hinsicht. Geräuschpegel und Staubbelastung etwa sind in der Produktionshalle angesichts der Größe und Masse der bearbeiteten Platten überraschend gering. Der ergonomische Fortschritt – es gibt keinen Arbeitsplatz ohne Hebehilfen – zeigt sich am Kontrast zu den früher verwendeten Transport-Handwagen, die wie Museumsstücke immer noch vereinzelt in der Halle stehen. Und es sind die Zahlen, die überzeugen: Bis zur Inbetriebnahme der neuen Produktionsanlage arbeitete Strasser Steine im Dreischichtbetrieb. Heute sind es zwei Schichten – die allerdings die doppelte Zahl an Aufträgen abwickeln: Möglich ist laut Artmayr die Bearbeitung von bis zu 1.900 Werkteilen für 450 Aufträge pro Woche. Bei den Küchenarbeitsplatten hat Strasser Steine heute nach Eigenangaben einen Österreich-Marktanteil von 70 Prozent, die Expansion in Deutschland und CEE läuft. Bis 2020 soll der Umsatz auf rund 40 Millionen Euro verdoppelt werden. Keine Gefahr also, dass Johannes Artmayr die Projekte demnächst ausgehen könnten.