Interview : „Keine langfristige Wettbewerbsfähigkeit ohne ‚Digital Transformers‘!“
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IT:U Gründungspräsidentin Stefanie Lindstaedt
- © Antje WolmWelche Entwicklungen gehen mit digitaler Transformation einher?
Die digitale Transformation ist ein vielschichtiger Prozess, der im vergangenen Jahr durch den breiten Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) enorm beschleunigt wurde. In der Industrie 5.0 steht insbesondere die effektive Zusammenarbeit von Mensch und Maschine im Mittelpunkt, etwa durch den Einsatz von Edge AI – also KI direkt an der Maschine – oder Extended Reality (XR). Nun müssen wir weg von reinen Buzzwords hin zu konkreten Inhalten und Handlungsfeldern kommen. Vorne bleiben wird, wer diese Technologien gezielt in die eigene Organisation zieht und sie miteinander vernetzt.
Genau das ist aber für viele Unternehmen eine enorme Herausforderung. Wie trägt die IT:U dazu bei, diese zu lösen?
Unternehmen müssen ihre Geschäftsmodelle und Produktionsprozesse umgestalten, um international wettbewerbsfähig zu bleiben und ihren Standort in Europa zu halten. Dabei ist der Einsatz von neuen Technologien, wie beispielsweise KI unerlässlich. Nur so können die herausfordernden Zielvorgaben des europäischen Green Deals erreicht und dem allgegenwärtigen Arbeitskräftemangel entgegengewirkt werden. Wir brauchen also dringend Menschen, die ihr Fachwissen mit Digital-Know-how verbinden und so neue Lösungswege entwickeln und implementieren können. Wir nennen diese „Digital Transformers“. Ohne sie wird es keine langfristige Wettbewerbsfähigkeit mehr geben. Sie denken und agieren interdisziplinär und sind mit ihrem Wissen am cutting edge der Digitalisierung.
Und wie wollen Sie diese „Digital Transformers“ ausbilden. Dazu braucht es wohl neue Wege?
Wir verfolgen dafür einen für Mitteleuropa neuen Forschungs- und Lehransatz, der in den USA oder in Skandinavien schon länger erfolgreich umgesetzt wird: Wir bringen Studierende und Wissenschaftler:innen aus verschiedenen Bereichen zusammen, um unterschiedliche Perspektiven für innovative Lösungen zu vereinen. Herzstück dabei ist projektbasiertes Lernen. Das heißt, Studierende unterschiedlicher Fachrichtungen arbeiten in Learn Labs, so reflektieren sie ein Problem nicht rein theoretisch, sondern eignen sich durch praktisches Tun in der interdisziplinären Gruppe neues Wissen und neue Kompetenzen an. Die Komplexität unserer Gesellschaft wird so direkt in die Laborsituation geholt und schärft Kompetenzen und Stärken, die es in der Praxis dringend braucht.
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Angesichts der dynamischen Technologieentwicklung: Können wir da in Europa überhaupt mithalten?
Europa muss wieder selbstbewusster werden. Wir werden uns im globalen Wettbewerb nicht behaupten können, wenn wir uns ständig selbst aus dem Spiel nehmen und uns schwach reden – speziell durch eigene Regulierungen, wie DSGVO oder AI Act. Alle sind gut gemeinte Ideen, doch sie sind in ihrer Umsetzung unglücklich. Know-how ist der wertvollste Rohstoff, den wir in Europa haben. Wir müssen eine neue Generation von Expert:innen ausbilden, die komplexe Herausforderungen annehmen kann und auch den Mut hat, neue Wege zu beschreiten – Österreich braucht interdisziplinäre Denker und Macher.
Abschließend: Welche Entwicklung an der IT:U erfüllt Sie persönlich mit besonderem Stolz?
Wir haben innerhalb eines Jahres eine neue Technische Universität mit völlig neuen Angeboten und Strukturen hochgezogen. Aktuell zählen wir elf Gründungsprofessor:innen und 30 PhD-Studierende und im Herbst 2025 startet unser Masterprogramm „Interdisciplinary Computing“. Diese hohe Aufbaugeschwindigkeit, die wir an der IT:U haben, ist im Benchmark mit anderen Universitäten einzigartig. Wir haben keine Zeit zu verlieren, denn jetzt werden weltweit die Karten für Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Wohlstand neu gemischt.