IG Lebenszyklus Hochbau : Industriebau: Türöffner

Am Ende stand eine Halle. Am Anfang ein Masterplan, der weit darüber hinaus ging. 2011 beschloss die Zumtobel Gruppe, den Standort Dornbirn einer gesamthaften Untersuchung zu unterziehen. „Wir sahen uns die betrieblichen Funktionen von A bis Z an“, erzählt Clemens Bechter, Projektleiter Standortentwicklung Schweizerstraße. „Gemeinsam mit Econsult erstellten wir einen Masterplan, der alle Bereiche einbezieht: Welche Flächen stehen uns zur Verfügung? Wie müssen wir Logistik und Materialbereitstellung ausrichten? Welche Technologien und daraus resultierenden Fertigungstechnologien werden in Zukunft vorherrschen? Welche administrativen Flächen müssen wir bereitstellen?“ Man wollte nicht von Beginn an eine neue Halle bauen – die war nur eine der Konsequenzen der Planung. Als klar war, dass ein Zubau notwendig würde, holte Zumtobel ATP als Gesamtplaner ins Boot. Nach gemeinsamer Prüfung, welche Anforderungen die Halle erfüllen sollte und wie der Business Case aussehen würde, ging das Projekt an den Vorstand. Ein Ergebnis des Masterplans heißt „Halle 7“: ein neues Gebäude mit einer Gesamtfläche von rund 10.000 Quadratmeter, davon 8.000 Quadratmeter Produktionsfläche, avisierter Bezugstermin: Ende 2013. Lebenszyklus Karl Friedl dürfte der gesamt- hafte Ablauf des Projekts gefallen. Der Geschäftsführer des Beratungsunternehmens M.O.O.CON ist auch Sprecher des Vorstandes der IG Lebenszyklus Hochbau, die sich das Ziel gesetzt hat, die Errichtung „lebenszyklusorientierter“ Immobilien zu fördern – und vor allem standardisierte Lösungsansätze dafür zu entwickeln. „Um Objekte nachhaltig – und damit unter dem Strich kostengünstiger – errichten zu können, muss man den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes betrachten“, sagt Friedl, „und das funktioniert nur über das Zusammenführen von Prozessen zwischen allen Beteiligten in den Bereichen Finanzierung, Planung, Errichtung und Betrieb inklusive Umnutzung und Rückbau.“ Bruchstellen Ein Zusammenführen, das oft nicht einfach ist, denn an den Schnittstellen entstehen rational nicht immer nachvollziehbare Brüche. „Die Branchenlobbys erzählen uns seit Jahren, dass eine derartige Standardisierung nicht möglich sei, dass man die Welt immer wieder neu erfinden müsse“, sagt Friedl. Baufirmen, meint er, wollten möglichst viele „Prototypen“ – der Tod jeder Standardisierung. Ähnlich im Vergabewesen: „Oft hat der Vorstand einen ,Architektenfreund‘, der dann eben den Auftrag erhält.“ Hinzu kämen grundlegende Animositäten, „es gibt Architekten, die mit Bauunternehmern möglichst wenig zu tun haben wollen, und Finanzierer und Planer reden normalerweise ohnehin nicht miteinander“. Lesen Sie weiter: „FM im eigentlichen Sinne“
Wie diffizil das Gefüge emotional ist, weiß auch Wolfgang Kradischnig, Geschäftsführer des Architektur- und Baumanagementbüros Delta und Vorstand der IG: „Ein einziger Mess-, Steuer- und Regeltechniker, der nicht die Aufmerksamkeit erhält, die ihm zukommt, kann massive Auswirkungen auf das gesamte Projekt haben.“ Lebenszyklusorientierte Planung brauche eine gewisse Kultur der Zusammenarbeit: Projekt- als Prozessmanagement. Geschieht dies nicht, sagt Karl Friedl, sei die Folge vor allem Ineffizienz: „Wenn die beteiligten Unternehmen nur die eigenen Aufwände optimieren und nicht das Ganze im Blick behalten, liegt das Risiko von Ausführung und Betrieb allein beim Bauherrn. Schafft man es aber, die Zusammenarbeit am Lebenszyklus zu orientieren, so verteilt sich nicht nur das Risiko – man kann auch die Effizienz enorm steigern.“ Das hätten vor allem jene Bauherren verstanden, die auch als Betreiber auftreten. „FM im eigentlichen Sinne“ Einen solchen Ansatz vertritt Florian Burgstaller, Leiter des Gebäudemanagements der Voestalpine-Tochter Standortservice GmbH. „Die Bauherren wissen heute viel genauer, was sie wollen und was sie erwarten“, bestätigt er – und erinnert sich mit Schaudern an Briefings für Bürogebäude, „die manchmal genau eine A4-Seite lang waren. Hier hat sich viel geändert, das sind heute detaillierte Pflichtenhefte.“ Die Voestalpine Standortservice bietet Infrastruktur-Dienstleistungen und betreibt derzeit rund 70 Gebäude. Mit der Ausgliederung in ein eigenes Tochterunternehmen betreibe man nun eine Art Facility Management „im eigentlichen Sinne“, meint Burgstaller: „FM wird zu einem Unternehmen, das ,Produkte‘ anbietet.“ Und erst Produkte kann man standardisieren. Leitfaden im Herbst Die Standardisierung, die der IG Lebenszyklus Hochbau vorschwebt, soll von den Abwicklungsmodellen unabhängig sein. Vom Bauherrn, der Planung, Errichtung, Finanzierung und Betrieb im Paket abwickelt, bis hin zur Einzelvergabe sämtlicher Leistungen: „Wir arbeiten daran, die unterschiedlichen Modelle auf ein einziges Modell zurückzuführen“, sagt Karl Friedl, „auf ein Modell, das für öffentliche und private Auftraggeber gleichermaßen praktikabel ist.“ Acht Projektgruppen arbeiten derzeit daran, darunter viele Experten von Industrieunternehmen. Bis Herbst dieses Jahres soll ein prozessorientierter Leitfaden zu den Erfolgsfaktoren lebenszyklusorientierten Managements vorliegen, und letztlich peilt die IG auch Skalierbarkeit an. „Kleine Unternehmen haben andere Anforderungen, aber im Grunde die gleichen Ziele wie Konzerne“, sagt der IG-Sprecher. „Im Prinzip soll unser Modell auf jede Unternehmens- und Projektgröße anwendbar sein.“ Keine kleine Aufgabe, wie Karl Friedl einräumt: „Im Grunde versuchen wir die Branche neu zu erfinden.“Bernhard Fragner