Interview : Industrial Branding: "Marke muss zunächst nach innen kommuniziert werden"
INDUSTRIEMAGAZIN: Wie kommt man zum Thema Industrial Branding? Claus Zerenko: Etwa, indem man die Seiten wechselt. Ich bin gelernter Techniker, habe Tiefbau studiert und ging beruflich vom Entwicklungsbereich in Richtung Vertrieb. Was mir dort sehr bald auffiel: Die Kommunikation zwischen diesen Bereichen ist bisweilen unglaublich schlecht, die „Übersetzung“ der Technik für den Vertrieb funktioniert nur selten. An dieser Schnittstelle habe ich meine Leidenschaft für das Marketing entdeckt – als Autodidakt, wenn Sie so wollen. Und dann haben Sie richtig die Seiten gewechselt ... Zerenko: Ja, ich arbeitete mehrere Jahre lang als Berater für Linzer Agenturen. Es war insofern enorm spannend, als ich mit den unterschiedlichsten Kunden zu tun hatte – wenn es allerdings um den produzierenden Bereich ging, vor allem um Klein- und Mittelbetriebe, dann fiel den Agenturen meist nicht besonders viel ein. Dabei war deren Bedürfnis nach professionellem Marketing sehr groß, sie fanden aber meist niemanden, der ihnen helfen konnte. Vor allem Unterstützung im Vertrieb ist für Agenturen oft kein Thema, davon haben sie – sorry – wenig Ahnung. Was waren Ihre ersten Kontakte zur Industrie? Zerenko: Der erste Auftrag kam von Fronius, der erste umfassende Marken-Auftrag von der Voestalpine, die ich von 2001 bis 2003 beraten durfte. In dieser Zeit habe ich endgültig meine Leidenschaft für Industriemarken entdeckt. Und ich traf meinen Partner Thomas Börgel von der FH Münster, der diese Leidenschaft teilt. Inwiefern brauchen Industriemarken Ihrer Meinung nach denn eine eigene Herangehensweise? Zerenko: Ich denke, dass die Modelle aus der Konsumgüterindustrie im produzierenden Bereich nicht brauchbar sind. Die Konsumgüterindustrie muss auf möglichst schnellem Weg die Kunden erreichen. Unsere Kunden haben aber manchmal mehr Mitarbeiter als eigene Kunden – all diese Hidden Champions, die mit einigen wenigen, aufwändig produzierten Produkten in den Markt gehen. Für diese Unternehmen sind die eigenen Mitarbeiter der Hebel der Kommunikation. Die Marke muss also zunächst nach innen kommuniziert und die Mitarbeiter in die Marken-Strategie integriert werden. Aus diesem Ansatz heraus haben wir unser „Markenhelden“-Modell entwickelt: Nach einer eingehenden Potenzanalyse werden die Mitarbeiter mit der erarbeiteten Marken-Identität vertraut gemacht, und erst in einem dritten Schritt entstehen die einzelnen Markenelemente wie Logo, CD oder Key-Visuals. Das klingt ein bisschen nach Mission-Statement ... Zerenko: Ja, aber ein Mission-Statement im Foyer reicht nicht, es muss eine echte Vision sein. Mir ist schon klar, dass gewisse Begriffe bereits ein wenig überstrapaziert erscheinen – aber Sie können mir glauben: Die Leute suchen händeringend nach etwas, das sie in Sachen Marke in eine andere Welt führt. Wo würden Sie das Thema in den Betrieben denn ansiedeln? Zerenko: Wenig überraschend: Marke ist definitiv Sache der Geschäftsführung und nicht der Marketing-Abteilung. Die Geschäftsführer von KMUs haben übrigens meist ein sehr offenes Ohr dafür. Bei Technikern ist es meist am schwierigsten.Ein Grundproblem scheint mir zu sein, dass die Marke häufig als „nicht bilanzwirksam“ in den immateriellen Bereich geschoben wird. Vordergründig stimmt das ja, aber eine starke Marke bringt auch starke Risikoreduktion. Das funktioniert allerdings nur, wenn Marketing und Vertrieb einen engen Schulterschluss zustande bringen. Entscheidende Fragen sind daher: Wie eng sind Marketing und Vertrieb strategisch aufeinander abgestimmt? Und: Wie ernst wird das Marketing vom Vertrieb genommen? Ich war selbst Vertriebler, und daher darf ich sagen: Jeder Vertriebsmitarbeiter hat seine eigene Welt, manche haben in ihren Unternehmen eine Art Spezialstatus und lassen sich prinzipiell nur sehr ungern dreinreden. Das klingt nach diffizilen Einsätzen ... Zerenko: Manchmal ja, weil es auch um eine Veränderung des Verhaltens geht. Eine starke Marke ist dabei nicht nur das Ziel, sie kann auch als Mittel eingesetzt werden, genau das herbeizuführen. Marke hat in der Industrie sehr viel mit Menschen zu tun.Bernhard Fragner Zur Person Claus Zerenko ist Inhaber der Linzer Marken- und Unternehmensberatung Zerenko Industrial Branding und Geschäftsführer der B2B-Kommunikationsagentur reklamebüro.